„Mit Erwin Stein zu sprechen, war besonders“

Kürzlich wurde das neue ProfiCamp der Eintracht offiziell eingeweiht. Du warst einer der geladenen Gästen. Wie gefällt dir die neue Heimat der SGE?
Sehr gut! Das fängt schon damit an, dass das neue Gebäude in unmittelbarer Nähe zum Stadion liegt. Es kommt oft vor, dass Stadion, Trainingsgelände und Büros über eine ganze Stadt verteilt sind. Die Eintracht hingegen hat jetzt ihre eigene kleine Nachbarschaft und alles an einem Ort gebündelt. Das Gebäude an sich ist auch toll geworden, jede und jeder, der daran gearbeitet hat, kann sehr stolz auf das Ergebnis sein. Man sieht, dass viele tolle Ideen umgesetzt wurden und man die Bedürfnisse von Eintracht Frankfurt verstanden hat. Die Eintracht wird hier regional, national und international perfekt und mit Stolz repräsentiert. Man sieht sofort, was es heißt, den Adler auf der Brust zu tragen. Dass die Adresse zudem auch noch „Im Herzen von Europa“ lautet, ist das Tüpfelchen auf dem i. Frankfurt und die Eintracht haben ein enormes Potenzial und man hat mit dem ProfiCamp einen wichtigen Grundstein für eine erfolgreiche Zukunft gelegt. Auch das Stadion wird gerade weiter verbessert und ausgebaut. Wenn das alles fertig ist, verfügt man über jede Menge zusätzliches Prestige. 

Neben dir waren auch noch viele andere Größen der Eintracht eingeladen.
Das neue ProfiCamp ist die Heimat und das Herz der gesamten Eintracht-Familie, darum waren natürlich auch einige Spielerinnen und Funktionäre der Frauenmannschaft mit dabei. Ich habe die Chance genutzt, um mich beispielsweise mit Trainer Niko Arnautis und Sportdirektor Siggi Dietrich zu unterhalten, der eine absolute Legende im Frauenfußball ist. Er hat mich eingeladen, mir auch mal ein Training der Frauen anzuschauen. Dieses Angebot werde ich definitiv annehmen, denn ich bin schon lange ein großer Fan des Frauenfußballs. 

Welche Legenden hast du sonst noch getroffen bei dieser Gelegenheit?
Ich konnte unter anderem ein paar Worte mit Charly Körbel wechseln. Mit Erwin Stein zu sprechen war allerdings eine besondere Ehre für mich. Natürlich sprach ich ihn auf seine zwei Tore im Europapokalfinale 1960 an. „Du hast in einem Jahrhundertfinale zwei Tore gegen das Real Madrid mit Puskas und di Stefano geschossen, das ist einfach der Wahnsinn!“, habe ich zu ihm gesagt. Daraufhin meinte er nur: „Ja, aber keins davon per Übersteiger“. Da musste ich sehr lachen. Er ist ein sehr bescheidener Mann. 

Jenseits der Megaklubs war es ein extrem schwieriges Transferfenster, die Budgets pandemiebedingt fast überall knapp. Dein Fazit der Kaderbewegungen?
Zuallererst mal musste man mit André Silva nur einen einzigen Stammspieler abgeben. Das freut die Fans, wobei zusätzliche Verkäufe den Spielraum noch mal erweitert und dem Corona-gebeutelten Festgeldkonto gutgetan hätten. Natürlich können sich die Verpflichtungen dessen ungeachtet absolut sehen lassen. Wir haben viele verschiedene Typen geholt, wobei auffällig ist, dass alle Neuen auch gut mit dem Ball umgehen können. Jesper Lindström war überragender Scorer bei Bröndby. Mein Landsmann Jens Petter Hauge hat gleich zu Beginn eine Duftmarke gesetzt und in den ersten drei Spielen zwei Treffer erzielt. Rafael Borré fehlt bisher noch ein wenig das Glück im Abschluss, aber auch er wird irgendwann sein erstes Tor machen. Durch die Umstellung auf Viererkette dürfte mit Christopher Lenz hinten links ein weiterer Zugang erstmal gesetzt sein. Hinzu kommen einige sehr spannende junge Spieler, die aber noch Zeit brauchen werden, bevor sie zur ernsthaften Alternative werden. 

„Du hast in einem Jahrhundertfinale zwei Tore gegen das Real Madrid mit Puskas und Di Stefano geschossen, das ist einfach der Wahnsinn!“ 

„Ja, aber keins davon per Übersteiger“ 

Als es dann in Richtung „Deadline Day“ ging, wurde es noch einmal unruhig in Frankfurt. Es galt noch zwei wichtige Positionen zu besetzen, außerdem wollte Filip Kostic die Eintracht eigentlich verlassen, was jedoch letztlich scheiterte. Wie hast du den Transferendspurt wahrgenommen?
Mit Kristijan Jakic kam ein Mittelfeldspieler, der uns sicher weiterhelfen wird. Außerdem hat uns ein Spieler mit seiner Körperlichkeit auf dieser Position bisher gefehlt. Über Sam Lammers weiß ich leider nicht allzu viel, aber ich kenne seinen Werdegang und weiß, dass er in der Eredivisie gute Leistungen gezeigt hat. Atalanta hat ihn auch nicht ohne Grund geholt. Er hat neben seiner guten Technik auch eine stattliche Größe, was die Variabilität im Sturm erhöht. Ich glaube, er ist ein typischer Eintracht-Transfer der vergangenen Jahre und könnte einer dieser Angreifer werden, deren Knoten in Frankfurt platzt. Was das Verhalten von Filip Kostic angeht, bin ich sehr enttäuscht. Das Training zu verweigern geht einfach nicht, da sind mir auch die Gründe egal. Das große Glück für Filip ist, dass die Eintracht so eine gut funktionierende Kabine hat und die Jungs ihm diesen Ausrutscher verzeihen werden. Man muss intern klare Worte finden, denn das war nicht in Ordnung. Das weiß er auch. 

Wie hat sich die neu aufgestellte sportliche Leitung in deinen Augen bisher geschlagen?
Markus Krösche hat vor allem schnell gemerkt, dass die Eintracht ein Verein mit einer wahnsinnigen Strahlkraft und Leidenschaft ist. Natürlich kam er von einem Champions-League-Klub, der einen großen Konzern im Rücken hat. Aber emotional und von der Bedeutung her ist die SGE eine andere Hausnummer. Was auch für die breite und nicht minder leidenschaftliche Presselandschaft gilt. Das wusste Krösche natürlich vorher und es wird ihn daher nicht überrascht haben. Die ihm in den Weg gelegten Hindernisse hat er meiner Meinung nach gut gemeistert. Da muss man ihm ein großes Kompliment machen. 

Interview: Markus Rutten

Jan Aage Fjörtoft, 54, hat die Eintracht 1999 zum Klassenerhalt geschossen und genießt bei den Fans nicht nur daher Kultstatus. Er ist ein fußballerischer Weltenbummler, meinungsstark, immer auf dem Laufenden, ein gefragter Experte und nicht zuletzt unserer Eintracht nach wie vor tief verbunden. Das sind Gründe genug für eine regelmäßige Interview-Kolumne mit dem Norweger.