Die individuelle Entwicklung im Blick 

Seit Mai 2022 ist Ralph Gunesch Teil des Nachwuchsleistungszentrums von Eintracht Frankfurt. In der neu geschaffenen Position des Übergangstrainers ist der ehemalige Bundesligaspieler zuständig dafür, jungen Talenten den Weg in den Herrenfußball zu erleichtern. Darüber hinaus zeichnet der 39-Jährige verantwortlich für den Bereich Individualtraining. Im Gespräch mit der Anpfiff-Redaktion berichtet er von seinen ersten Monaten im Dienst, vom langjährigen Kontakt mit Sportvorstand Markus Krösche und verrät darüber hinaus, über welches Potenzial die Eintracht als emotionales Zugpferd für Talente verfügt. 

Ralph Gunesch über ... 

... die Zeit nach seiner aktiven Karriere: 
Nach meinem Karriereende in Ingolstadt habe ich dort im NLZ des FCI gearbeitet – als Co- Trainer von der U21 bis zur U16. Parallel habe ich meine Trainerscheine gemacht und zuletzt die UEFA-A-Lizenz erworben. Außerdem habe ich hauptberuflich bei DAZN gearbeitet. Das heißt, ich bin in all den Jahren nach meiner aktiven Karriere dem Fußball erhalten geblieben. Ich habe mir während der Coronazeit – mit den Erfahrungen, die ich im NLZ gesammelt habe – ein paar Gedanken darüber gemacht, in welchen Bereichen noch Entwicklungsmöglichkeiten sein könnten. Und um mir das nicht nur auszudenken, sondern auch zu verschriftlichen, habe ich verschiedene Profile erstellt und verschiedene Arbeitsweisen aufgeschrieben, die genau darauf basieren, wofür ich mich hier einsetzen möchte. 

... den frühen Verbindungen zu Markus Krösche:
Markus Krösche kenne ich seit circa 18 Jahren. Wir haben 2004, glaube ich, das erste Mal gegeneinander gespielt und sind immer in Kontakt geblieben. Im Rahmen meiner Tätigkeit bei DAZN habe ich des Öfteren mit ihm gesprochen, wobei wir uns immer viel über den Fußball im Allgemeinen ausgetauscht haben. Außerdem habe ich mir von ihm gerne Feedback eingeholt zu den Dingen, die ich mir überlegt habe. In einem unserer üblichen Gespräche haben wir dann konkret überlegt, ob und inwiefern es bei uns Überschneidungen und Deckungsgleichheiten gibt – und inhaltlich gab es die tatsächlich. Alles weitere hat sich dann im Laufe der Gespräche ergeben. Obwohl wir, sprich meine Frau und Tochter, erst im September des vergangenen Jahres in unsere Wahlheimat Hamburg gezogen sind, hatte ich keine Zweifel, die Aufgabe bei der Eintracht annehmen zu wollen. Ohne die Unterstützung meiner Familie wäre dies ohnehin nicht möglich. Letztlich ging es dann nur noch um das „Wann“. 

... die ersten Monate bei Eintracht Frankfurt: 
Wir haben den Dienstbeginn bewusst auf den 1. Mai gelegt, weil zum einen speziell meine Position neu ist und sich zum anderen vieles im NLZ gerade im Um- beziehungsweise Neuaufbau befindet. Deshalb war es gut, dass ich einige Wochen Zeit hatte, Dinge zu planen, zu konzipieren und vorzubereiten. Das alles erst während der Saisonvorbereitung 2022/23 konzeptionell auf die Beine zu stellen, wäre sehr schwierig geworden. In den ersten Wochen der Vorbereitung habe ich mir zunächst einen Überblick über unsere Mannschaften verschafft. Seit den Trainingslagern Ende Juli ging die tagtägliche Arbeit mit den Jungs los. Es hat bis hierhin alles wunderbar funktioniert. Es macht großen Spaß, ich bin gut aufgenommen worden und dadurch, dass einige Positionen neu geschaffen beziehungsweise neu besetzt wurden, herrscht im NLZ insgesamt so etwas wie eine Aufbruchstimmung. 

... die Position des Übergangstrainers: 
Meine offizielle Bezeichnung ist Übergangstrainer. „Übergang“ hat in diesem Fall aber nichts mit einer zeitlichen Begrenzung zu tun. Spieler und junge Talente, die den Sprung aus dem Junioren- hin in den Herrenfußball machen, sind oftmals ein wenig auf sich allein gestellt. Meine Position ist neu geschaffen worden, um unseren Top-Talenten und potenziellen zukünftigen Profis frühzeitig zur Seite zu stehen, das geht in etwa ab der U16 los. Darüber hinaus bin ich verantwortlich für den Bereich Individualtraining von der U21 bis zur U12. In der Ausbildungskonzeption wollen wir künftig verstärkt dahin gehen, die Spieler individuell bestmöglich weiterzuentwickeln. Bereits in Ingolstadt habe ich versucht, den Jungs Dinge mitzugeben, von denen sie die nächsten Jahre noch profitieren können – unabhängig davon, welche Position der Spieler spielt und welches System gespielt wird. Es gibt gewisse Grundprinzipien, Basisfähigkeiten, die du im Profifußball einfach brauchst. Die Lücke zwischen dem Übergang aus dem Nachwuchsfußball in den Profibereich werden wir nie ganz schließen können. Wir können aber versuchen, sie kleiner zu machen, die Jungs besser darauf vorzubereiten, damit die Anpassungszeit nicht so lang ist. Im Profigeschäft hast du nämlich keine Zeit. Deswegen bin ich auch froh, dass zu dieser Saison unsere U21 an den Start gegangen ist, weil die Jungs schon in jungen Jahren Erwachsenenfußball spielen können. 

... die Emotionalität als Komponente: 
Ich möchte betonen, dass ich das alles natürlich nicht allein mache. Ich habe zwar ein Stück weit die Verantwortung im Individualtraining, bin aber sehr froh, dass wir z. B. mit Alex Meier und Ervin Skela nicht nur zwei Ex-Profis, sondern auch zwei Legenden im Verein haben, die sich unter anderem auch um den Bereich Individualtraining kümmern. Und das ist auch ganz entscheidend. Ich möchte mir nicht anmaßen, zu sagen, was es bedeutet, für Eintracht Frankfurt zu spielen – schließlich habe ich hier nie gespielt. Ich weiß aber sehr wohl, was es bedeutet, für einen Verein mit großer emotionaler Bindung zwischen Mannschaft und Fans zu spielen. Meine acht intensiven Jahre beim FC St. Pauli haben mich gelehrt, was du als Einheit alles erreichen kannst – und das versuche ich zu vermitteln

„Das Schönste, das passieren kann, ist, dass ich in den Jungs nicht nur die Begehrlichkeit wecke, Fußballprofi werden zu wollen, sondern Fußballprofi bei Eintracht Frankfurt werden zu wollen.“ – Ralph Gunesch -

 Das ist etwas, das mit Geld nicht zu bezahlen ist. Das ist ein Faustpfand, den wir hier bei der Eintracht haben. Den kannst du dir nicht kaufen. Das ist einfach eine Sache, die ist da, die wird gelebt, die hat sich entwickelt, die ist historisch bedingt. Dies möchte ich neben fußballerischen Inhalten allen unseren Spielern vermitteln. 

... den Ablauf einer Arbeitswoche: 
So etwas wie eine klar definierte Arbeitswoche gibt es im Grunde nicht. Es kommt natürlich auch immer darauf an, was, wann für welches Team auf dem Programm steht. Wann trainiert die U21, wann spielt sie? Wann trainieren U19 und U17, wann finden deren Partien statt? Der Austausch mit den Trainern ist sehr, sehr eng. In den ersten Wochen habe ich mir viel angeschaut, weil ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht hineingrätschen wollte. Die Spieler hatten am Anfang der Saison ohnehin viel zu verarbeiten – ein neues Team, teilweise neue Trainer, neue Inhalte. Ab den Trainingslagern hat meine tagtägliche Arbeit begonnen. Konkret sieht das so aus, dass ich mir an einem Tag die Innenverteidiger zur Seite hole, an einem anderen Tag mit Alex Meier zusammen die Stürmer. Dies geschieht immer in Absprache mit dem jeweiligen Cheftrainer. Wir versuchen es immer mit einem gewissen Vorlauf zu planen – am Ende kommt es aber oftmals anders aber durch den engen Draht untereinander ist das alles kein Problem. 

... den Austausch mit dem Profibereich: 
Der Austausch mit den Kollegen der Fußball AG ist rege. Es gibt meinerseits ein monatliches Reporting, das ausgewählte Spieler betrifft, mit subjektiven und objektiven Faktoren. Subjektive Faktoren sind beispielsweise Eindrücke, wie sich der Spieler aus unserer Sicht im jeweiligen Monat präsentiert hat. Die objektiven Faktoren beschreiben unter anderem die Spielminuten, die Belastungswerte und Laufwerte. So haben wir die Möglichkeit, nachzuvollziehen, wie viel Belastung der Spieler im Vergleich zu einem Profi auf seiner Position erfahren hat. Es gibt einen regelmäßigen Austausch mit dem Profi-Trainerteam um Oliver Glasner, Ronald Brunmayr und Michael Angerschmid. Darüber hinaus sind die Fachbereiche, wie Athletik- oder Torwarttrainer, eng miteinander vernetzt. Mit im Boot sind natürlich auch Timmo Hardung als Leiter Lizenzspielerabteilung und Markus Krösche. 

... die herausfordernde, aber auch spannende Saison:
Uns ist bewusst, dass uns eine sehr lange und kräftezehrende Spielzeit bevorsteht. Da kommt viel auf uns zu. Mit der Hessenliga, die allein 38 Spieltage zu bieten hat. Mit den U19- und U17-Bundesligen, mit der UEFA Youth League. Mit dem Rhein-Main-Cup, in dessen Rahmen unsere Spieler von der U17 bis zur U21 Leistungsvergleiche mit dem FSV Frankfurt, dem SV Wehen Wiesbaden, dem SV Darmstadt 98, dem 1. FSV Mainz 05 und mit Kickers Offenbach absolvieren. Es gibt für die Jungs zwar nichts gewinnbringenderes als Spiele – Spiele sind immer besser als Training – aber das müssen wir alles miteinander koordnieren. Wir haben in allen Bereichen noch Potenzial, das wir Laufe der Zeit immer weiter zur Entfaltung bringen möchten. Für den momentanen Stand habe ich aber schon ein sehr gutes Gefühl und freue mich auf die kommenden Monate.