Vom Taunus
über die USA in die Bundesliga
Einwechslung,
Kopfball, Tor – die Premiere von Camilla Küver in der FLYERALARM
Frauen-Bundesliga hätte nicht besser laufen können. Das 17-jährige
Eintracht-Talent aus dem Taunus ist zwar erst im Sommer aus der zweiten
Mannschaft gekommen, hat sich aber schon im Erstligakader etabliert.
Ballkontakt
eins, Ballkontakt zwei, Tor – traumhafter kann ein Debüt gar nicht laufen. Für
SGE-Verteidigerin Camilla Küver wurde dieser Traum am 4. Spieltag dieser Saison
in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga wahr, als sie Anfang Oktober beim SV Meppen
nach 81 Minuten eingewechselt wurde und keine zwei Minuten später den
4:0-Endstand per Kopf markierte. Noch morgens war unklar, ob sie aufgrund einer
Erkältung überhaupt im Ka-der stehen könne. „Daher habe ich gar nicht damit
gerechnet, reinzukommen. Aber der Spielstand hat es natürlich angeboten. Niko
hat kurz vor der Einwechslung gesagt, ich solle ruhig sein, mir nicht zu viele
Gedanken und Druck machen und das zeigen, was ich kann“, sagt Küver. Aufgeregt
sei sie trotzdem gewesen. „Dass ich gleich nach zwei Ballkontakten ein Tor
gemacht habe, habe ich erst nach dem Spiel richtig begriffen“, erzählt die
17-Jährige. Viele Freunde und Weggefährten ihrer bisherigen Karriere
gratulierten auf unterschiedlichste Weise, die BILD-Zeitung titelte am Tag
danach mit der Alliteration „Küken Küver (17) trifft“, kurz darauf folgte das
erste Interview für EintrachtTV, welches das Talent äußerst cool und souverän
absolvierte. In der Zweiten Runde des DFB-Pokals in Karlsruhe, wo sie beim 8:0
ihr Startelf-Debüt gab, gelang ihr eine Torvorlage.
Keine Frage: Die talentierte Verteidigerin ist angekommen. „Grundsätzlich
erlebe ich gerade eine Phase, in der ich sehr viel dazulernen kann. Ich bekomme
die Möglichkeit, in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga Erfahrungen sammeln zu
dürfen, trainiere bei der Eintracht und beim DFB unter sehr professionellen
Bedingungen auf einem Top-Niveau“, sagt Küver: „Ich möchte so viel wie möglich
aufnehmen und umsetzen, aber auch für mich nochmal neu herausfinden, wo meine
Stärken liegen und wo ich dem Team weiterhelfen kann, um mich hier weiter
festzuspielen.“
Vormittags
Schule, nachmittags Training
Dabei war die Adlerträgerin eigentlich eher in der zweiten Mannschaft
eingeplant. SGE-Trainer Niko Arnautis zog die Schülerin allerdings zur
Sommervorbereitung in die erste Mannschaft, in der sie das komplette
Trainerteam überzeugte und dauerhaft blieb. „Eigentlich war nur geplant, eine
Woche oben mitzutrainieren, aber es ging Woche für Woche weiter, ich bin dann
auch mit ins Trainingslager gefahren.“ In Grünberg überzeugte sie im Training und
im Testspiel gegen Gießen, Niko Arnautis gab ihr viel positive Rückmeldung.
Aber gänzlich dem Erstligakader anzugehören, damit „habe ich nicht so richtig
mitgerechnet. Natürlich habe ich mich sehr gefreut, dass es schon diese Saison
geklappt hat“, sagt die Verteidigerin. Auch wenn sie schon eine ganze Weile mit
der ersten SGE-Mannschaft trainiert und sich sichtlich wohlfühlt, seien alle
Trainingseinheiten noch etwas Besonderes: „Immer wieder muss ich mich beweisen,
kann aus jeder Einheit sehr viel mitnehmen und mich mit all den erfahrenen
Spielerinnen messen.“
Bescheiden bleibt die 1,83 Meter großgewachsene
Fußballerin, die sich neben dem
Trainingsbetrieb derzeit in der Carl-von-Weinberg-Schule auf ihr Abitur im
kommenden Schuljahr vorbereitet. Keine ganz leichte Doppelbelastung, wie sie
zugibt: „Es ist schon stressig jetzt in der Oberstufe, der Druck ist gestiegen,
ich muss mehr Zeit investieren.“ Aber ihr Trainer, der auch noch Stunden als
Lehrertrainer tätig ist, und ihre Schule, eine Eliteschule des Sports und
frühere FFC-Partnerschule, sorgen dafür, dass Küver Lernen und Fußball unter
einen Hut bekommt: „Ein bisschen weniger Freizeit habe ich momentan. Aber wenn
man das will, bekommt man das hin.“ Manchmal trainiert sie schon vor der
Schule, da sie die Vormittagseinheiten nicht mitmachen kann, nachmittags
schafft sie es drei- bis viermal die Woche. Im April 2019 wurde sie unter
Lehrertrainer Niko Arnautis in Belgrad Schul-Weltmeisterin – „ein ganz tolles
Erlebnis, mit viel Austausch mit den anderen Schulteams. Es war megainteressant
und hat viel Spaß gemacht. Den Titel werde ich so schnell nicht vergessen.“
„Player of
the year“ in den USA
Im Sommer 2019 sammelte Küver für ein halbes Jahr fußballerische Erfahrungen in
den USA: Dort verlieh man ihr während ihres fünfmonatigen Auslandssemesters in
Pennsylvania die Auszeichnung „Mercury All-Area Athlete Player of the Year“,
nachdem sie – als Spielmacherin auf der Zehn – das Boyertown High School Team
mit 22 Toren und 12 Assists zur State Championship schoss. „Die USA hat mich
immer schon interessiert, ich wollte mal aus Deutschland rauskommen.“ Ihr
älterer Bruder machte auch ein Auslandssemester und berichtete nur Positives.
„Ich habe super viel gelernt, sowohl in der Schule als auch beim Fußball.“ Die Highschool-Saison
läuft nur im Herbst, drei bis vier Spiele in der Woche bedeuten eine hohe
Belastung: „Wir haben jeden Tag trainiert, aber auch alle komplett mitgezogen.
Die Mentalität ist eine ganz andere, bei den Spielen fiebert die ganze
Schul-Community mit. Je weiter wir gekommen sind, umso mehr Zuschauer kamen, um
uns anzufeuern“, erzählt die Adlerträgerin.
Fußballerisch groß wurde sie als Stürmerin bei der SG Oberliederbachsowie der
TuS Hornau im Taunus. Später beim 1. FFC Frankfurt, für den sie seit der U17
auflief, begann die technisch versierte Spielerin im defensiven Mittelfeld und
rückte im Laufe der Zeit nach hinten. SGE-Trainer Niko Arnautis setzt Küver auf
der linken Außenverteidigerposition ein, kennt aber auch ihre Flexibilität:
„Ich kenne sie als Trainer seit vielenJahren. Es bereitet mir große Freude,
Camillas Entwicklung begleiten und mit solch einer ehrgeizigen Spielerin
arbeiten zu dürfen. Wir wollten sie im Sommer mal dazuholen, was sie hier
richtig gut gemacht und nochmal weitergebracht hat. Ihr großes Plus ist neben
dem Spieltempo und der Kopfballstärke, dass sie sehr flexibel einsetzbar ist,
weil sie eine hohe Spielintelligenz mitbringt. In der Viererkette kann sie auf
allen Positionen spielen, könnte aber auch im Mittelfeld auflaufen. Nun werden
wir ihr die Zeit geben, weiter zu reifen.“
18 Spiele für den DFB von der U15 bis zur U17 stehen derweil zu Buche. Und auch
ihre aktuelle Entwicklung wurde vom DFB genauestens beobachtet. Denn jüngst
wurde die Defensivspielerin aus Liederbach von Trainerin Kathrin Peter in die
U20-Nationalmannschaft berufen. Und auch wenn aufgrund der Corona-Pandemie die
beiden Länderspiele gegen Frankreich abgesagt wurden, empfand Camilla Küver die
Trainingseinheiten positiv: „Ich war ziemlich überrascht. Als ich die E-Mail
mit der Einladung bekommen habe, dachte ich erst, es sei ein Versehen“, erzählt
die Defensivakteurin: „Das Training war noch einmal etwas ganz anderes. Mich
mit den 2000er und 2001er Jahrgängen auf diesem Niveau zu messen und weitere
Erfahrungen sammeln zu können, bringt mich weiter.“ Dabei hätte die
zweisprachig aufgewachsene Tochter einer Norwegerin sich durchaus auch für den
norwegischen Verband entscheiden können – wenn dieser angefragt hätte: „Total
abwegig wäre es nicht, es gab aber gar keinen Kontakt. Ich bin froh, beim DFB
die Chance zu bekommen, und fühle mich hauptsächlich als Deutsche“, sagt die im
Taunus aufgewachsene Adlerträgerin und ergänzt ganz diplomatisch: „Wenn ich es
in den deutschen U-Teams nicht geschafft hätte, hätte es mich gefreut, für
Norwegen zu spielen.“ Beim Gewinn des Nordic Cups mit den U16-DFB-Juniorinnen
spielte sie sogar gegen das Geburtsland ihrer Mutter und wurde beim 7:1-Sieg
zur Pause eingewechselt. Und auch optisch steht außer der Frage: Der Adler auf
dem Trikot – egal ob beim DFB oder der Eintracht – steht Camilla Küver ganz
ausgezeichnet und scheint sie zu beflügeln.
Text: Paul
Schönwetter
Fotos: Eintracht Frankfurt, imago images, privat