Ein Verein
lebt Vielfalt
Präsident
Peter Fischer positioniert sich klar gegen die AfD und rechte Strömungen und
wird trotzdem mit einer überwältigenden Mehrheit von 99 Prozent der
Vereinsmitglieder wiedergewählt. Hauptsponsor Indeed stellt bereits zum
wiederholten Male die Trikotbrust zur Verfügung, um Kampagnen der Eintracht
gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu unterstützen. Das Konterfei von
Anthony Yeboah ziert auf 18 mal 10 Metern eine Hauswand an der S-Bahn-Station
Niederrad. 2018 brachten die Fans der Eintracht nach 1992 und 2008 zum dritten
Mal mit der Initiative „United Colors of Frankfurt" ihre geschlossene
Haltung zum Ausdruck, die sie seit jeher prägend auszeichnet. Und auch einzelne
Eintracht-Fans wie Sebastian Braun werben mit Aufklebern für Toleranz und Vielfalt
– weit über die Landesgrenzen hinaus. Die Eintracht positioniert sich
geschlossen gegen Rassismus und Rechtsextremismus.
Texte: Nina
Bickel, Matthias Thoma
Fotos: Nina Bickel, Eintracht Frankfurt, Rafael Herlich, Jan Hübner,
privat, Franziska Rappl, Andreas Wolf
In der Stadt Frankfurt
leben Menschen aus rund 180 verschiedenen Nationen. Genauso multikulturell wie
die Stadt ist, so bunt geht es auch bei Eintracht Frankfurt mit über 90.000
Mitgliedern zu. Allein im Kader der Profis kommen Spieler aus über einem
Dutzend Nationen zusammen. Der Verein und die Kurve stehen kaum wie ein anderer
Klub in Deutschland für Weltoffenheit, Vielfalt und Toleranz. Ausgrenzung und
Fremdenhass haben hier keinen Platz.
Peter
Fischer zeigt klare Kante
Präsident Peter
Fischer ist für seine kompromisslose Haltung gegen rechts bekannt und nutzt
immer wieder seine Popularität, um seine Botschaft unters Volk zu bringen. So
auch Ende August dieses Jahres als er in Hanau als Gastredner bei einer
Kundgebung auftrat, um der Opfer des rechtsterroristischen Anschlags vom 19.
Februar, bei dem zehn Menschen ihr Leben verloren, zu gedenken. Auch wenn
aufgrund der Corona-Pandemie die Veranstaltung von einer bundesweiten
Demonstration zu einer Kundgebung mit der maximal zugelassenen Zahl von 250
Personen geschrumpft war, tat dies dem engagierten und emotionalen Auftreten
von Peter Fischer keinen Abbruch. „Wir wollen klare Kante zeigen, wir wollen
keine Nazis, wir wollen keinen braunen Sumpf, wir sind ein Land, das bunt ist“,
so Fischer in seiner flammenden Rede und forderte: „Alle müssen zusammenstehen
– egal welcher Hautfarbe, egal welcher Religion, egal welcher Herkunft. Wir
alle, die vielen Millionen, müssen lauter werden und klarmachen ‚Ihr habt hier
nichts zu suchen, wir wollen euch nicht, keiner will euch‘.“ Es war einer der
zahlreichen Auftritte, zu denen Peter Fischer ohne lange zu überlegen zusagte.
Es ist für ihn eine Herzensangelegenheit.
Als in der
Bevölkerung vermehrt Stimmen in Richtung der Rechtspopulisten in Deutschland
aufkamen, äußerte sich Peter Fischer Ende 2017 in einem Interview mit der FAZ:
„Wer die AfD wählt, kann bei uns kein Mitglied sein.“ Wenige Wochen später
verdeutlichte er im Rahmen der Mitgliederversammlung, dass die Vereinssatzung
jedem Mitglied ein ganz bestimmtes Wertesystem zugrunde lege, welches von
Weltoffenheit und Toleranz geprägt ist. Keiner werde gezwungen, Mitglied von
Eintracht Frankfurt zu werden, wenn er dieses Wertesystem für sich nicht
akzeptieren kann. Wenn jemand allerdings dem Verein beitrete, gebe man auch die
Selbstverpflichtung ab, diese Werte zu beachten. Vor dem Hintergrund seiner
klaren Aussagen sah sich Peter Fischer zum Teil massiven, anonymen Anfeindungen
ausgesetzt; viel mehr überwogen allerdings Zustimmung und Anerkennung aus der
gesamten Republik. Viele Anhänger, aber auch zahlreiche Fans anderer
Bundesligisten standen Fischer bei und entschlossen sich in den kommenden
Wochen und Monaten zu einer Mitgliedschaft bei der Eintracht – aus Solidarität
zu einem Präsidenten, der sich persönlich und im Namen von Eintracht Frankfurt
entschieden für demokratische Werte, Vielfalt und Toleranz einsetzt.
Im Januar 2020
hatte sich Peter Fischer einmal mehr klar gegen rechts abgegrenzt und Rudolf
Gramlich, einem ehemaligen Vereinspräsidenten, gemeinsam mit seinen
Präsidiumskollegen und dem Ehrenrat des Vereins wegen dessen Nazi-Vergangenheit
den Titel „Ehrenpräsident“ aberkannt. „Ein Ehrenpräsident muss, egal, was er
sportlich Positives erreicht hat, auch moralisch und ethisch ein Vorbild sein“,
begründete Peter Fischer den Entschluss. Mehr dazu auf den Seiten 63 bis 65.
Für seinen
eisernen Kampf gegen Antisemitismus und seine klare Haltung wurde Peter Fischer
seither mehrfach ausgezeichnet. So erhielt er Ende November 2018 auf dem
Deutschen Israelkongress den Arno-Lustiger-Ehrenpreis. Der Preis wird in
Erinnerung an den Historiker Arno Lustiger vergeben. Lustiger überlebte den
Holocaust und setzte sich für die Erforschung des jüdischen Widerstands während
der nationalsozialistischen Herrschaft ein. Im Dezember 2018 erhielt Präsident
Peter Fischer für sein Engagement gegen Gewalt und Rassismus den „Makkabäer“
von Makkabi Deutschland sowie den Ehrenpreis „Im Gedächtnis bleiben",
gestiftet vom Frankfurter Fanprojekt e.V. Ebenfalls im Jahr 2018 bekam er die
Auszeichnung „Marburger Leuchtfeuer“. Mit dieser würdigen die Humanistische
Union (HU) und die Universitätsstadt Marburg Fischers entschiedenes Eintreten
für Vielfalt und Respekt vor der Würde aller Menschen. Und vor wenigen Wochen
schlug der Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) den
Eintracht-Präsidenten wegen seines gesellschaftlichen Engagements und seiner
klaren Haltung gegen rechts für das Bundesverdienstkreuz vor.
SGE-Fans
setzen Zeichen gegen Rassismus
Vor allem auch
die Fans der Eintracht haben sich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder
gegen Rassismus engagiert.
In den 1980er
Jahren war Rassismus in den bundesdeutschen Stadien ein großes Problem. Auch
hier in Frankfurt wurden farbige Spieler der gegnerischen Mannschaft immer
wieder beschimpft. Und es brauchte tatsächlich den Wechsel von Tony Yeboah vom
FC Saarbrücken zur Eintracht, um ein Umdenken zu bewirken. Beim
Relegationsspiel 1989 noch massiv angefeindet, wurde Tony Yeboah in Frankfurt
ab 1990 zum Publikumsliebling. Und wir Eintrachtler bekamen vom Comedy-Duo
Badesalz den Spiegel vorgehalten. Im Track „Anthony Sabini“, der 1991 auf der
CD „Nicht ohne meinen Papa“ veröffentlicht wurde, spielen Henni Nachtsheim und
Gerd Knebel eine typische Frankfurter Stadionszene nach, wie sie sich Ende der
1980er Jahre hätte zutragen können.
Als es 1992
wiederholt zu Angriffen auf Asylbewerberheime kam, startete der DFB einen
Spieltag unter dem Titel „Mein Freund ist Ausländer“. Die Mannschaften liefen
an einem Spieltag mit dem Slogan auf dem Trikot auf, in Frankfurt immer
unterstützt von der Ghana-Union, die im Stadion kräftig mittrommelte. Die
Eintracht-Fans organisierten zu dieser Zeit schon eine eigene Aktion, die bis
heute nachwirkt. An die Fanclubs wurde ein T-Shirt mit dem Slogan „United
Colors of Bembeltown – Eintrachtfans offen für alle Farben“ verteilt. Das Shirt
kam so gut an, dass der Fanclubdachverband 2008 und 2018 jeweils eine
Neuauflage startete. Und sogar die Eintracht-Profis spielten 2008 gegen Berlin
mit dem leicht veränderten Slogan „United Colors of Frankfurt“ und 2018 gegen
Hoffenheim mit dem Slogan „Platz für Vielfalt“ auf dem Trikot.
Seit 2013
verleiht das Fanprojekt den Preis „Im Gedächtnis bleiben“, mit dem Fanclubs und
Initiativen ausgezeichnet werden, die sich gegen Rassismus und Antisemitismus
engagieren. Neben der oben erwähnten Auszeichnung für Peter Fischer mit dem
Ehrenpreis erinnert auf dem Stadiongelände mittlerweile das Denkmal „Im
Gedächtnis bleiben“ an während des Nationalsozialismus ausgegrenzte Fans der
SGE.
Ein ganz
massives Zeichen gegen Rassismus haben einige engagierte SGE-Fans 2013 gesetzt.
In Niederrad wurde ein Haus mit dem Konterfei von Tony Yeboah bemalt, darauf zu
lesen ist das Yeboah-Zitat „Wir schämen uns für alle, die gegen uns schreien“.
Bei der feierlichen Übergabe des Wandbildes an die Öffentlichkeit kam sogar
Yeboah selbst und sprühte sein Autogramm unter das Graffiti.
„Eine Stadt,
ein Verein. Gegen Rassismus, Faschismus, Homophobie.“ – wer hat diese Aufkleber
nicht schon in der gesamten Stadt gesehen?! Inzwischen sind die Sticker weit
über die Landesgrenzen hinaus zu finden – sogar in China oder Budapest. Hinter
dieser Idee steckt Eintracht-Anhänger Sebastian Braun, der zunächst 1.000
Aufkleber produzierte und diese im Stadion und an Freunde verteilte. Die
Resonanz und die Nachfrage waren und sind riesig. „Mittlerweile verschicke ich
die Aufkleber in ganz Deutschland. Ich gebe sie natürlich nur zum
Selbstkostenpreis ab, weil ich daran kein Geld verdienen möchte. Ich möchte
eine Botschaft übermitteln“, sagt Sebastian Braun. Die Botschaft ist klar. In
einer Stadt, in der fast jede Nation der Welt vertreten ist, und in einem
Verein wie Eintracht Frankfurt, in der Spieler aus über einem Dutzend Nationen
spielen, ist kein Platz für Ausgrenzung und Fremdenhass – weder auf den Straßen
der Stadt noch in der Fankurve der Eintracht. Sein Aufkleber soll in Zukunft
Gebäude in unserer schönen Stadt Frankfurt zieren, so wie bereits das Amt für
multikulturelle Angelegenheiten im Gallus. Und auch die ersten Banner mit dem
Slogan sind bereits produziert – eines wurde im Rahmen der Kundgebung für die
Opfer des rechtsterroristischen Anschlags vom 19. Februar in Hanau übergeben,
ein weiteres hängt auf dem Gelände des Sportleistungszentrums am Riederwald, der
Heimat der Eintracht.
Hauptsponsor
Indeed und Eintracht zeigen gemeinsam Flagge
Doch nicht nur
der Verein und die Fanszene engagieren sich stark für Vielfalt, auch die
Eintracht und Hauptsponsor Indeed kooperieren eng miteinander und zeigen
gemeinsam Flagge. So stellte das US-amerikanische Unternehmen Indeed Mitte Juni
2020 für das DFB-Pokal-Halbfinale beim FC Bayern bereits zum wiederholten Male
die Trikotbrust zur Verfügung. Dieses Mal, um gemeinsam mit Eintracht Frankfurt
auf die Bewegung #blacklivesmatter aufmerksam zu machen. Black Lives Matter
(BLM), ins Deutsche übersetzt „Schwarze Leben zählen“, ist eine in den
Vereinigten Staaten von Amerika innerhalb der Black Community entstandene
Bewegung. Dabei geht es darum, sich gegen rassistisch motivierte Gewalt gegen
People of Colour einzusetzen. Bereits 2019 verzichtete der Hauptsponsor auf
seine Werbung auf der Trikotbrust der Profis für die Partie gegen Hoffenheim,
um die Initiative „United Colors of Frankfurt“ zu unterstützen. Für Frank
Hensgens, Geschäftsführer bei Indeed, eine Selbstverständlichkeit, denn das
Thema sei für alle relevant. „Nicht nur im Sport, auch im Wirtschafts- und
Arbeitsleben gewinnt Vielfalt stark an Bedeutung und wir sind überzeugt, dass
sie Teams stärker macht“, so Hensgens. „Wir müssen immer wieder darauf
hinweisen und auch die Kraft und die Reichweite des Fußballs nutzen, um diese
wichtige Botschaft mit Wucht in die Welt zu bringen“, betont Vorstandsmitglied
Axel Hellmann die Wichtigkeit solcher Aktionen. „Die Geschichte von Eintracht
Frankfurt ist geprägt von Weltoffenheit und Völkerverständigung. Diese Attribute
sind stark in der Eintracht-DNA verankert. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit,
Antisemitismus und Homophobie haben keinen Platz innerhalb der
Eintracht-Familie und dürfen auch keinen Platz in einer liberalen Gesellschaft
haben.“ Eintracht Frankfurt ist stolz auf seinen Hauptsponsor Indeed und das
vielfältige Engagement aus der Fanszene und die bunte Kurve. In Eintracht
werden wir auch in Zukunft aufstehen, klare Kante zeigen und dem Rassismus
keinen Millimeter Platz geben!