Einer von
uns – Erdal Yilmaz
Vom
Weltmeister zum Vorbild-Sportler
Eine bewegte
Karriere liegt hinter Eintracht-Ringer Erdal Yilmaz. Eine Karriere, in der der
zweifache Kickbox-Weltmeister große Erfolge feierte, aber ebenso bittere
Rückschläge hat einstecken müssen. Heute kann der 55-Jährige sagen, dass ihn
all das zu einem Vorbild-Sportler gemacht hat, der trotz Prothese niemals
aufgegeben hat und sich für andere Menschen mit Behinderung einsetzt.
Der sportliche
Weg von Erdal Yilmaz begann vor rund 40 Jahren. Als 14-jähriger Junge kam der
gebürtige Türke aus seinem Heimatort Konya nach Deutschland zu seinem Vater.
„Ich war ein einsamer und schwacher Junge“, erinnert sich Yilmaz an die
schwierige Anfangszeit in seiner neuen Heimat Offenbach zurück. Also begann er
Sport zu treiben – jeden Tag Taekwondo, Boxen und Ringen mit dem Ziel, sich
nach oben zu kämpfen. „Für mich gab es nur noch Sport, ich habe außer dem
Training kaum etwas gemacht“, erzählt er. Und das hat sich gelohnt: 1999
feierte er für Deutschland seinen ersten Kickbox-Weltmeistertitel, 2004 folgte
der zweite. Vier Mal wurde er Europameister im Kickboxen, zwölf Mal stieg er
als Deutscher Meister aus dem Ring.
Neben diesen
großen Erfolgen hatte Yilmaz aber auch zunehmend „andere Kämpfe“ auszutragen,
wie er beschreibt. Solche, die er weniger erfolgreich absolvieren konnte und
die sein Leben komplett auf den Kopf stellten. Zum einen waren da die Jahre,
die er im Gefängnis verbringen musste und damit das Leben verlor, das er sich
bis dahin aufgebaut hatte. Zum anderen drohte seiner sportlichen Karriere das
Ende, als sein durch eine Schussverletzung geschwächtes Bein amputiert werden
musste. „Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken und Erkennen, was wirklich gut ist
und worauf es ankommt“, resümiert er heute diese turbulenten Jahre, die ihn
letztlich dazu gebracht haben, sein Leben vollkommen neu zu gestalten –
ehrlicher – und ihm gleichzeitig den Mut gaben, sich trotz Behinderung nicht
aufzugeben. „Wenn du weiterkommen willst, musst du stark sein und kämpfen.
Andere können dich unterstützen, aber im Endeffekt musst du dir selbst helfen“,
habe er sich gesagt. Und so stieg Yilmaz
nur fünf Wochen nach seiner Operation mit der Prothese ins Training ein und
kämpfte sich, zwar nicht bis an die Spitze, aber in den Ring zurück.
Neben dem
Kickboxen hat Yilmaz nach deren Gründung 2013 durch einen Freund sein zweites
Zuhause in der Ringerabteilung der Eintracht gefunden. Dort lernte er nicht nur
den Kampfsport, sondern auch den Verein kennen und lieben. „Ich habe mich von
Anfang an zuhause gefühlt und wurde von den Menschen in der Abteilung
aufgenommen wie in einer Familie“, sagt er. Zwei Mal pro Woche geht Yilmaz
seitdem zum Training zu den Eintracht-Ringern. Dieses Mal nicht wie in seiner
Jugend, um sich ganz nach oben zu kämpfen, sondern aus Freude am Sport. „Egal,
wie es mir geht, wenn ich zum Ringen gehe, bekomme ich immer gute Laune“, meint
er mit einem Lachen. Vor allem wisse er die Unterstützung der anderen Sportler
zu schätzen, allen voran Abteilungsleiter Lutz Hahn. „Er ist nicht nur ein
guter Trainer, sondern vor allem ein guter Mensch“, so Yilmaz. „Für die Kinder
ist er wie ein Vater und für alle Sportler ist er ein guter Freund, egal woher
man kommt oder welche Vergangenheit man hat.“
Deshalb ist der
ehemalige Weltmeister auch trotz aller Rückschläge voller Dankbarkeit und
möchte etwas zurückgeben. „Meine größte Stärke war immer meine mentale, deshalb
kann ich – denke ich – ein Vorbild für andere Sportler mit Behinderung sein“,
sagt er. Er wolle Menschen mit Handicap Mut machen, sich nicht aufzugeben und
an sich zu glauben. „Es ist letztlich egal, ob man ein Bein hat oder zwei, ob
einem ein Arm fehlt oder nicht. Ich kenne Sportler, die haben keine Haare, das
ist auch nichts anderes. Letztlich sind wir alle gleich“, findet er und hat
deshalb begonnen, kostenloses Kickbox-Training für Sportler mit Handicap
anzubieten. Zusätzlich arbeitet er mit verschiedenen Stiftungen zusammen und
stellt eigen-ständig Veranstaltungen auf die Beine, um Geld für den guten Zweck
zu sammeln. All das habe er geschafft, so der 55-Jährige, weil er gelernt habe,
nach vorne zu blicken. „Ich stehe zu allem, was ich gemacht habe, dem Guten und
dem Schlechten. Aber es bringt nichts, darüber nachzudenken, wie athletisch und
schnell ich mal war. Man kann nur weiterkommen, wenn man nach vorne schaut.“
Und genau deshalb möchte er auch die Zukunft anderer mitgestalten, ihnen
helfen, an die Spitze zu kommen, an der er selbst war, oder auch einfach Spaß
am Sport zu haben – ganz egal ob mit oder ohne Prothese.
Text: Marie
Huhn
Fotos: Lucas Körner