„Es gab für mich immer nur Fußball“
Jean-Mattéo Bahoya hat stets ein Lächeln im Gesicht, gelegentlich wirkt es auch wie ein Grinsen, als würde er just in diesem Moment etwas aushecken – er ist eine Frohnatur. Positiv gestimmt geht er in Frankfurt, seit Januar 2024 seine neue sportliche Heimat, Schritt für Schritt – folgend auf einen sehr großen Schritt, nämlich aus der zweiten französischen Liga in die Bundesliga. Geboren in Montfermeil, einem Vorort von Paris, und groß geworden sowie zum Fußballprofi gereift in Angers im Westen Frankreichs, wagte er als 18-Jähriger den Schritt raus aus der Komfortzone und wolle, so kündigte er wenige Tage nach seiner Ankunft an, hier seine Geschichte fortschreiben. Der Tempodribbler ist dabei, das eine oder andere Kapitel ist bereits fertig.
Interview: Stephan Weidemeyer
Fotos: Max Galys, Bianca Jockel, Martin Ohnesorge, imago images, UEFA
Auf deiner ersten Pressekonferenz als Eintracht-Spieler hast du gesagt, dass du hier „deine eigene Geschichte“ schreiben möchtest. Wie sieht diese bisher aus?
Wir sind erst am Anfang. Ich habe mir vorgenommen, viele Spiele zu bestreiten, viele Tore zu machen, die Mannschaft allgemein so gut ich kann zu unterstützen und gemeinsam mit ihr viele Siege zu holen. Da bin ich aber noch nicht. Natürlich träumt man auch davon, mit der Eintracht Titel zu holen.
Du bist nun seit über neun Monaten in Frankfurt: Wie geht es dir?
Mir geht es sehr gut. Ich habe mich gut eingelebt, die Menschen in Frankfurt sind sehr nett und freundlich zu mir. Ungeachtet der Tatsache, dass ich in einem neuen Land lebe, fühle ich mich sehr wohl.
Deine Eltern und dein Bruder sind ebenfalls in Frankfurt. Ist es für dich eine große Stütze, vertraute Menschen an deiner Seite zu haben?
Ja, absolut, das war eine wichtige Entscheidung. Vor allem anfangs war es sehr gut, meine Eltern bei mir zu haben. Das ist es auch immer noch, inzwischen habe ich mich aber viel besser eingelebt. Dennoch ist es sehr schön und wichtig, meine Eltern sowie auch meinen Bruder an meiner Seite zu wissen.
Inzwischen spielt dein Bruder für die U17 der Eintracht. Macht dich das stolz?
Ja, ich bin sehr stolz auf meinen kleinen Bruder. Er ist sehr wichtig für mich. Ich wünsche ihm immer nur das Beste und dass er eines Tages vielleicht auch den Sprung in den Profifußball schafft.
Hast du früher schon mit ihm gemeinsam Fußball gespielt?
Früher in der Freizeit eher mit meinem älteren Bruder. Aber natürlich würde es mich riesig freuen, irgendwann vielleicht mal mit meinem kleinen Bruder gemeinsam aufzulaufen.
Du hast mal gesagt, Eintracht Frankfurt bedeutet für dich Familie. Beschreib doch mal genauer, was du damit meinst.
Wir verstehen uns alle super, die Stimmung ist sehr gut. Bei meiner Ankunft war ich etwas überrascht, dass mich die sehr erfahrenen Spieler wie Kevin oder Mario direkt so gut aufgenommen haben – ich habe schnell gemerkt, dass jeder gleichbehandelt wird und es keinen besonderen Status gibt. Wie ich allgemein von der gesamten Mannschaft empfangen und aufgenommen wurde, war großartig. Der Klub hat mich bei der Akklimatisierung toll unterstützt. Daher sehe ich die Eintracht rundum wie eine große Familie.
„Mir geht es sehr gut. Ich habe mich gut eingelebt, die Menschen in Frankfurt sind sehr nett und freundlich zu mir.“
Haben dich insbesondere deine Landsleute sowie die anderen französischsprechenden Spieler an die Hand genommen?
Ja, sie haben mir sehr geholfen. Niels, Junior oder Farès, aber auch Ellyes. Vieles war noch fremd, die Sprache war neu – und mein Englisch ist noch nicht so gut.
In der vergangenen Saison bist du in der Rückrunde auf acht Einsätze gekommen, in der laufenden Spielzeit sind es sieben, zwei davon in der Europa League. Wie fühlt sich die Saison für dich an?
Ich bin ein sehr positiver Mensch. Natürlich würde ich gerne noch öfter spielen und hoffe, dass ich in der Zukunft mehr zum Zug komme, aber bis hierher habe ich eine gute Entwicklung genommen. Ich werde weiter arbeiten und mich dem Trainer anbieten.
Du wirkst immer sehr happy und fröhlich. Bist du eine echte Frohnatur?
Ich bin einfach ein lebensfroher Mensch. Das Leben ist sehr wertvoll, also versuche ich immer, jeden Augenblick zu genießen. Ich habe eine sehr positive Einstellung.
Du hast in dieser Saison deinen ersten Scorerpunkt mit dem Adler auf der Brust gesammelt. Erinnerst du dich?
Na klar erinnere ich mich, es war die Vorlage für Omar im Bundesligaheimspiel gegen Gladbach. Bislang habe ich diesen einen Scorerpunkt auf dem Konto, für mich ist das aber zu wenig und ich hoffe, dass bald weitere hinzukommen.
Bis zum vierten Spieltag der Saison 2024/25, etwa acht Monate nach seiner Ankunft im Herzen von Europa, arbeitete Frankfurts Nummer 19 auf seinen ersten Scorerpunkt mit dem Adler auf der Brust hin – nach seinem ersten Pflichtspiel im Februar 2024 sowie seinem Startelfdebüt im April dieses Jahres der nächste große Schritt für den jungen Franzosen. Es lief die 80. Spielminute in der Bundesligapartie gegen Mönchengladbach, als der Ball über Igor Matanovic zu Bahoya kam und dieser gedankenschnell Marmoush in Szene setzte.
PS: Wenige Tage, nachdem sich Bahoya mit der EvM-Redaktion zum Gespräch zusammengesetzt hatte, kam er beim 7:2 gegen Bochum zum ersten Startelfeinsatz in der laufenden Saison.
In welchen Bereichen hast du dich seit deiner Ankunft bei der Eintracht fußballerisch entwickelt?
Allgemein habe ich mich als Spieler verbessert. Zum einen mit Blick auf meine Physis, ich bin robuster geworden und damit einhergehend auch stärker im Zweikampf. Die Intensität in der Bundesliga ist sehr hoch, entsprechend habe ich mehr Läufe in meinem Spiel.
Apropos Läufe: Kennst du deinen Topspeed aus der vergangenen sowie dieser Saison?
Ich würde 36 km/h sagen.
Fast. Vergangene Saison waren es offiziell 34,04 km/h, in der laufenden Runde sind es bisher 35,51 km/h. Arbeitest du im Training auch gezielt an deiner Geschwindigkeit?
Ja, daran arbeite ich mit unseren Athletiktrainern. Es ist auf jeden Fall eine meiner Stärken, umso wichtiger ist es, mich dort immer weiter zu verbessern.
Vor deinem Wechsel nach Frankfurt hast du mehrere Mannschaften von Angers SCO durchlaufen, bist dort zum Profi geworden. Dein ganzes Leben warst du dort. Wie beschreibst du diese Zeit rückblickend?
Ich bin dort aufgewachsen und habe sehr viele Erinnerungen. Ich habe dort angefangen, Fußball zu spielen, und habe meinen ersten Profivertrag unterschrieben. Meine besten Freunde leben in Angers. Verein und Stadt sind ein sehr wichtiger Teil meines Lebens. Aber dennoch hat sich der Moment absolut richtig angefühlt, um den nächsten Schritt zu machen und zu einem europäischen Topklub zu wechseln. Ich war von Beginn an von Eintracht Frankfurt sehr begeistert.
Sein Profidebüt für Angers feierte Bahoya im jungen Alter von 17: fünfte Runde im Coupe de France gegen Straßburg. Eingewechselt in der 79. Minute, am Ende feierten die Schwarz- Weißen einen Sieg im Elfmeterschießen. Wenige Wochen später folgte für den Youngster das Debüt in der Ligue 1 gegen Lyon. Zum Zeitpunkt seines Wechsels standen 32 Partien, fünf Tore, zwei Vorlagen und zusammengenommen über 1000 Profiminuten zu Buche.
„Es ist schwierig, meine ganze Verbundenheit und Dankbarkeit für diesen Verein in ein paar Zeilen auszudrücken. Von ganzem Herzen möchte ich allen meinen Trainern, dem professionellen Personal, den Managern und meinen Teamkollegen danken, die zu meiner Entwicklung beigetragen und mir die besten Bedingungen ermöglicht haben“, schrieb Bahoya nach seinem Abschied aus dem Westen Frankreichs in die Bundesliga.
Was haben Familie und Freunde gesagt, als du ihnen erzählt hast, dass du als 18-Jähriger aus der zweiten Liga in Frankreich zu einem Europapokalteam in die Bundesliga wechseln willst?
Es war keine einfache Entscheidung, die Möglichkeit bot sich sehr früh in meiner Karriere. Rückblickend bereue ich sie überhaupt nicht. Auf der einen Seite haben sich alle für mich gefreut, auf der anderen waren sie aber auch traurig, weil sie mich fortan nicht mehr so häufig sehen würden. Aber die Freude überwiegt, ganz klar.
Verfolgst du weiterhin die Spiele des SCO?
Ja, ich bin mit dem Verein immer noch stark verbunden. Viele meiner Freunde spielen für Angers, wir haben einen engen Draht. Auch mit dem Trainer stehe ich noch in Kontakt.
Gab es für dich als Kind noch andere Sportarten oder war es direkt der Fußball?
Es gab für mich immer nur Fußball. Mein älterer Bruder hat schon früh Fußball gespielt, da bin ich dann schnell mit reingerutscht. Als Kind gab es für mich nur Fußball, Fußball, Fußball. Inzwischen interessiere ich mich auch für andere Sportarten, im Fernsehen schaue ich zum Beispiel gerne Tennis oder Basketball.
Stichwort Basketball: Schaust du NBA? Da kommt einem mit Blick auf Frankreich sofort Victor Wembanyama von den Spurs in den Sinn.
Er ist ein sehr guter Spieler! Aufgrund der Zeitverschiebung schaue ich die Spiele nicht live, aber morgens ziehe ich mir sehr gerne Highlight-Clips rein und will wissen, was in der Nacht passiert ist.
„Das Stadion ist immer voll, der Support immer riesig. Wir wollen die
Fans stolz machen.“
Wie bei Angers sind die Klubfarben auch in Frankfurt Schwarz und Weiß.
Ich hatte keinerlei Probleme, mich an die Farben und das Trikot zu gewöhnen (lacht).
Ob der junge Franzose sich schon die Textzeile „Schwarz-weiß wie Schnee“ aus dem Tankard-Song, der vor Heimspielen im Deutsche Bank Park immer läuft, hat übersetzen lassen, ist nicht überliefert.
Was spürst du, wenn du an Spieltagen in den Deutsche Bank Park kommst? Wie fühlt es sich auf dem Platz an?
Es ist unfassbar und fühlt sich unglaublich an, hier spielen zu dürfen. Egal, gegen wen wir spielen: Das Stadion ist immer voll, der Support immer riesig. Wir wollen die Fans stolz machen.
Hast du Rituale vor einem Spiel?
Nein, eigentlich nicht. Ich höre einfach Musik.
Eine bestimmte Musikrichtung?
Meistens französische Musik.
Musik läuft sicherlich auch öfter in deiner Freizeit. Was machst du, wenn du gerade nicht im ProfiCamp, im Stadion oder mit der Eintracht auf Reisen bist?
Generell bin ich jemand, der sich zu Hause sehr wohlfühlt – ich gehe nicht allzu häufig in die Stadt, und wenn dann meistens nur, um mit der Familie essen zu gehen. Ich spiele PlayStation, zudem schaue und lese ich gerne Mangas und Animes. Die Geschichten dieser Comics gefallen mir, die Figuren sind sehr cool – wie zum Beispiel bei „One Piece“.
Aufgrund der U19-EM hast du das Trainingslager in den USA verpasst. Inzwischen wissen wir, dass du deinen Weg trotz allem gegangen bist, aber hattest du anfangs dennoch Sorge, dass dies ein Nachteil für dich sein könnte?
Diese Frage kann man sich schon stellen. Ich meine, man ist in dem Moment nicht bei der Mannschaft und weiß nicht, was alles passiert. Aber ich stand in dieser Zeit viel in Kontakt mit Dino Toppmöller, er hat mich ermutigt und zudem auch meine Spiele verfolgt. Das hat mir gutgetan, ich habe mich dadurch sicherer gefühlt.
Neunmal trug Bahoya inzwischen das Trikot der U19-Auswahl, sechsmal das der U18. „Auch wenn wir das Finale leider verloren haben und natürlich enttäuscht darüber waren, war das Turnier für mich ein tolles Erlebnis“, blickt der Adlerträger auf die Europameisterschaft im vergangenen Sommer zurück, bei der schließlich nach einem 0:2 gegen Spanien die Silbermedaille zu Buche stand.
Welche Ziele hast du dir gesetzt?
Ich möchte der Mannschaft einfach so gut wie möglich helfen und mit ihr gemeinsam so viele Siege wie möglich feiern – bestenfalls mit Toren und Assists. Ich schaue von Spiel zu Spiel.