Sportbeirat, Tradi, Kaffee
„Diese zweieinhalb Jahre haben mich wahnsinnig geprägt, so viel mit mir gemacht“, sagt Maurizio Gaudino. Es macht ihn stolz, dass er auch nach vielen Jahren noch seine Fans bei der Eintracht hat, er sogar kürzlich Teil einer Choreo war. Die „Eintracht vom Main“ hat Gaudino getroffen.
Sauerlach, ein paar S-Bahn-Stationen südlich von München. Hier ist das Tor zum Bayerischen Oberland, zwischen der Hauptstadt des Freistaats und den Bergen, bis an den Tegernsee sind es auch nur 20 Autominuten. Maurizio Gaudino spricht italienisch mit dem Kellner in der örtlichen Pizzeria, einem Anhänger des FC Internazionale. Man frotzelt über den italienischen Fußball, denn der Klub aus Mailand ist freilich großer Rivale des Klubs, mit dem Gaudino aufgewachsen ist, der SSC Napoli. Seine Heimat bleibt für immer Neapel, heute ist sie auch Sauerlach. „Hier bin ich zu Hause. Wenn die A8 zu ist, fahren die Leute durch den Ort, essen in dieser Pizzeria zu Mittag. Trotzdem ist es recht ruhig. Ich bin gerne hier“, erzählt Gaudino.
Der 58-Jährige lebt in der 9.000-Einwohner-Gemeinde mit seiner Frau und seinem Sohn (14). „Ich hole ihn nachher wieder aus Unterhaching vom Fußballtraining ab“, erzählt Gaudino, der sich schon viele Jahre heimisch fühlt im Süden der Republik. Sein Sohn aus erster Ehe, Gianluca (28), ist in Hanau geboren; er kickte einst in der Jugend des FC Bayern, kam dann viel rum, seit seinem Wechsel zu Drittligist Alemannia Aachen im Sommer 2024 ist er dort Stammspieler.
Als Gianluca das Licht der Welt erblickt, spielt Maurizio Gaudino sein viertes und letztes Jahr bei der Eintracht. Nach der zunächst kompletten Saison 1993/94 und dem ersten Halbjahr 1994/95 wird er zweimal verliehen, zu Manchester City und nach Mexiko zum CF América. Die Eintracht steigt in dieser Zeit erstmals aus der Bundesliga ab, Gaudino kommt zurück und absolviert 32 Zweitligaspiele (9 Tore).
Der Mittelfeldspieler erlebt eine intensive Zeit am Main, auch wenn sie unterbrochen ist durch die Leihen. „Diese zweieinhalb Jahre haben mich wahnsinnig geprägt, so viel mit mir gemacht“, erzählt er heute. Der Höhenflug in der ersten Saison mit Klaus Toppmöller, in der „am Ende die Geschlossenheit“ fehlte und trotz Tabellenführung im Herbst am Ende gerade so der UEFA-Cup erreicht wird. Die Geschichte mit Jupp Heynckes, als er mit Yeboah und Okocha ausgemustert wird. Die Rückkehr in die zweite Liga, die eigentlich nicht sein Anspruch ist im Jahr 1996. Ein „Kampf ums Überleben“, Trainer Dragoslav Stepanovic habe das „super gemacht“, letztlich sei er auch auf die Zeit stolz. Apropos: Es sei „falscher Stolz“ gewesen, den Verein 1997 wieder verlassen zu haben. Oder, anders ausgedrückt: „Es war ein Fehler“. Viele dieser und auch andere Geschichten sind nachzulesen in „Stimmen der Eintracht“ (siehe Seite 17).
„Diese zweieinhalb Jahre haben mich wahnsinnig geprägt, so viel mit mir gemacht.“
Gaudino hat viel erlebt, nicht nur bei der Eintracht. Noch heute ist er umtriebig, viel auf der Autobahn unterwegs, an vielen Stellen mit dem Fußball verbunden. „Ich habe eine kleine Agentur, mit der ich versuche, junge Spieler zu unterstützen“, spricht er über eine seiner Tätigkeiten. Seit dem Saisonbeginn hat er eine Aufgabe im Sportbeirat des ambitionierten Württemberg-Oberligisten VfR Aalen (bei Redaktionsschluss auf Rang eins) übernommen, private Verbindungen haben dies ermöglicht. „Es macht mir sehr viel Spaß, dort mein Knowhow und Netzwerk im Sport- und Marketingbereich einzubringen“, sagt Gaudino. Dazu produziert er seinen eigenen Kaffee, den er hierzulande vertreibt. „Ich habe also immer noch genug zu tun“, sagt Gaudino, der vor rund 20 Jahren seine Karriere dort beendete, wo sie in der Jugend Fahrt aufgenommen hatte – bei Waldhof Mannheim.
In der Quadratestadt ist er auf der Rheinau aufgewachsen, seine Eltern reisten aus Neapel 1959 (Vater) und 1962 (Mutter) ein. 1966 wird Gaudino als jüngster und einziger von fünf Brüdern in Deutschland geboren. Er lernt, sich durchzusetzen, spielt schon früh U-Nationalmannschaft und Bundesliga, wechselt dann zum VfB Stuttgart, wird mit den Schwaben 1992 Meister und spielt Europapokal, unter anderem gegen Neapel – wie einige Jahre später mit der Eintracht auch; gegen die Stadt, aus der seine Eltern kommen, wo er jeden Sommer verbrachte.
Die Zeit, die er heute in Frankfurt verbringen kann, ist unterdessen begrenzt. Vor rund einem Jahr gab er dennoch sein Debüt in der Traditionsmannschaft, als er im Odenwald dabei war. „Das hat Spaß gemacht. Ich hoffe, dass es bald mal wieder klappt“, meint Gaudino.
Text: Michael Wiener
Foto: Andreas Wolf