„Ich mache genau das, was ich mir als Kind gewünscht habe“
In der vergangenen Saison erreicht Erëleta Memeti mit der TSG Hoffenheim das Halbfinale des DFB-Pokals (2:3-Niederlage gegen den FC Bayern). Beim ersten Pokalspiel der aktuellen Saison, dem 3:1-Achtelfinaleinzug gegen den Zweitligaaufsteiger Viktoria Berlin, sitzt die 26-jährige gebürtige Schwäbin aus Gründen der Belastungssteuerung auf der Bank. Zuvor hatte sie für die Eintracht im September innerhalb von 20 Tagen bereits sechs Pflichtspiele absolviert. Am Abend vor der Partie spricht die Offensivspielerin über die ersten Wochen am Main, ihre Kindheit, ein ganz besonderes Trikot und wieso sich ihre Rolle in der kosovarischen Nationalmannschaft von der in Frankfurt deutlich unterscheidet.
Interview: Linus Kieser
Fotos: Chenoa da Silva Canton, Manuel Bahmer

Erëleta, wie geht es dir in Frankfurt? Würdest du sagen, dass du angekommen bist?
Mir geht es sehr gut, danke! Ich bin sehr gut angekommen hier. Ich fühle mich sehr wohl – in der Mannschaft und in der Stadt. Es ist für mich mal etwas anderes, in einer Großstadt zu wohnen, das macht mir schon Spaß. Ich habe in Wiesloch [rund 15 Kilometer südlich von Heidelberg; Anm. d. Red.] gewohnt. Da hatte ich Glück, dass ein Supermarkt bei mir um die Ecke bis 0 Uhr offen hatte. Im Vergleich dazu ist Frankfurt ein anderes Level. Generell glaube ich, dass ich einfach gut reinpasse, von der Persönlichkeit her, aber auch vom Spielstil. Ich habe mich superschnell eingefunden, ich mag alle Mädels und sie haben mich auch super aufgenommen. Deswegen kann ich mich nicht beklagen.

Hast du auch schon eine Bleibe gefunden?
Ja, ich konnte das mit der Wohnsituation schon sehr früh klären, bereits nach dem letzten Spiel der vergangenen Saison. Ich wollte diesbezüglich meine Ruhe haben, wenn es hier losgeht, und das hat zum Glück auch funktioniert.

Wir fangen einmal ganz von vorne an. Welches war dein erstes Fußballtrikot?
Das ist eine schwierige Frage. Wir hatten früher nicht so viel Geld. Aber immer, wenn ich bolzen gegangen bin, hatten die Kids alle Trikots an. Viele mit Bayern-Trikot, aber auch die Trikots vom VfB Stuttgart waren bei uns in der Region um Schwäbisch Hall stark vertreten. Irgendwann habe ich dann zu meinem Vater gesagt, dass ich auch gerne ein Trikot haben wollte. Er hat dann mir und meinen Brüdern jedem ein weißes T-Shirt ge- kauft – und hat dann gefragt, welche Nummer wir haben wollen. Ich kann nicht sagen, warum, aber ich wollte unbedingt die Fünf haben. Dann habe ich mit Filzstift die Nummer Fünf draufgemalt und „Erëleta“ darübergeschrieben – das war mein erstes Trikot.

Heute laufen Fans mit einem Memeti-Trikot durchs Stadion am Brentanobad. Wie fühlt sich das an?
Ich komme mir vor wie in einem Traum, weil ich noch genau weiß, wie es war, nicht so viel zu haben. Ich versuche mir dann, vor allem vor großen Spielen, klar- zumachen, dass ich genau das mache, was ich mir als Kind gewünscht habe. Dieses kleine Mädchen hat sich einfach nur gewünscht, Fußball in der Bundesliga zu spielen. Das war damals Welten entfernt. Jetzt stehst du auf dem Bundesliga-Rasen, spielst Champions-League-Qualifikation gegen Real Madrid und Nationalmannschaft – das ist krass.

„Die Fans hier sind wirklich unglaublich. Ich wurde in der Stadt schon sehr häufig erkannt und es kommen so viele Menschen immer zu uns ins Stadion am Brentanobad.“

Wann war der Moment, als du gemerkt hast, dass beim Fußball für dich mehr drin sein könnte?
Der kam sehr spät. Ich weiß noch, dass ich beim Württembergischen Fußballverband einmal zu einem Lehrgang eingeladen wurde – das war in der E-Jugend, glaube ich. Da hat der Trainer in die Runde gefragt, was unser Ziel sei. Das Mädel neben mir hat gesagt, sie würde gerne in die deutsche Nationalmannschaft kommen. Da habe ich fast angefangen zu lachen und dachte mir: „Von was träumt die? Nationalmannschaft? Das ist doch nicht möglich“, dachte ich mir damals. Irgendwann kam dann die Mail, dass ich zur deutschen U16-Nationalmannschaft eingeladen wurde. Da hat es angefangen, dass ich gemerkt habe, dass ich Fußballerin werden will.

Wie ging dein Weg in den Profifußball dann weiter?
Ich hatte mit einigen Verletzungen zu kämpfen. Während ich noch bei den Jungs mitgespielt habe, hatte ich mir den Knöchel gebrochen. Mein damaliger Trainer in Sindelfingen hat allerdings an mich geglaubt und mich wieder aufgebaut. 2017 bin ich nach Wolfsburg gewechselt. Dort konnte ich im ersten Jahr gute Leistungen zeigen und habe auch bei der Ersten mittrainiert. Dann habe ich einen Meniskusriss erlitten und es war offen, ob ich es überhaupt in die Bundesliga schaffen würde. Aber das Feedback der Trainer war immer, dass sie mich in der Bundesliga sehen. Da war für mich auch die Erkenntnis da, dass ich das schaffen kann. Ich habe mein Abi in Wolfsburg abgeschlossen und bin nach Freiburg gewechselt. Nach zwei Jahren hat die TSG Hoffenheim auf dem linken Flügel eine Spielerin gesucht – und da habe ich jetzt die vergangenen drei Jahre gespielt.

Jetzt bist du bei Eintracht Frankfurt. Wie nimmst du den Verein bisher wahr?
Die Trainingsbedingungen sind super. Ich habe noch keinen schlechten Trainingsplatz hier gesehen, wir werden hier super betreut und haben einen hohen Standard. Den Verein an sich und die Fans muss ich noch besser kennenlernen. Ich konnte noch kein Spiel der Männer verfolgen, weil wir im Moment so einen engen Rhythmus haben. Eintracht Frankfurt steht für Selbstbewussten, intensiven Fußball und ist immer schwer zu schlagen.

Wie nimmst du die Fans wahr?
Die Fans hier sind wirklich unglaublich. Ich wurde in der Stadt schon sehr häufig erkannt und es kommen so viele Menschen immer zu uns ins Stadion am Brentanobad. Ich habe das Gefühl, dass Eintracht Frankfurt ohne die Fans nur die halbe Eintracht wäre. Die Fans machen unglaublich viel aus. Das hat man bei uns in der Champions-League-Qualifikation gegen Real Madrid am Brentanobad genauso gemerkt wie bei den Männern gegen Galatasaray. Wenn man weiß, dass die Leute im Stadion alle für dich sind – das gibt schon nochmal viel Energie.

Was gibt dir die Rolle in der Nationalmannschaft des Kosovo?
Das ist eine völlig andere Rolle als bei der Eintracht. Ich versuche, häufig die Spielerinnen zu überzeugen, die sich vielleicht noch nicht so sicher sind, ob sie in der Nationalmannschaft des Kosovo spielen wollen oder nicht. Außerdem kann ich die Erfahrungen aus der deutschen Bundesliga mit den anderen teilen und versuche weiterzuhelfen, auch in Bezug auf die Professionalisierung. Immer, wenn ich bei der Nationalmannschaft bin, habe ich unglaublich viel Spaß mit allen. Manchmal komme ich aus der Länderspielpause zurück und spiele viel befreiter auf, weil ich Selbstbewusstsein getankt habe. Die Nationalmannschaft gibt mir deutlich mehr, als dass sie mir Druck macht.

„Es ist vollkommen egal, wie klein du bist, du kannst dich trotzdem gegen Größere durchsetzen.“

Wie würde dich deine Familie in drei Worten beschreiben?
Wahrscheinlich „verrückt“, also mit viel Energie. Mein Name bedeutet auf Albanisch „leichter Wind“, aber mir wurde als Kind immer gesagt, ich sei viel mehr ein Wirbelwind. Ich glaube, das trifft es ganz gut. „Familienmensch“, weil mir meine Familie schon sehr viel bedeutet und die das alle auch wissen. Und wahrscheinlich auch „lustig“, weil ich im Familienkreis immer gerne viel Quatsch mache.

Nur im Familienkreis?
Naja, die anderen in der Mannschaft wissen schon, dass ich auch in der Kabine eine sehr humorvolle Person sein kann. Ich komme eher mit einem Spruch um die Ecke, wenn es niemand erwartet (lacht).

Hast du ein Vorbild?
Meine Mama ist mein Vorbild. Sie hat lange in der Küche gearbeitet und hat, trotz ihrer fehlenden Sprachkenntnisse, noch den Busführerschein gemacht. Und sie spielt immer noch Fußball. Trotz ihres Alters ist sie bei mir in der Heimat zu einem Verein gegangen und hat einfach mittrainiert. Sie wollte mir das gar nicht erzählen, aber ich habe es über eine Kollegin herausgefunden. Jetzt besuche ich sie bei ihren Spielen und sehe, wie sie sich in einer Mannschaft wohlfühlt. Das macht mich sehr stolz.

Wenn du sie jetzt treffen würdest, was würdest du der kleinen Erëleta mitgeben?
Das, was meine Mama mir mitgegeben hat: „Bei Tom und Jerry gewinnt immer die Maus.“ Das heißt, es ist vollkommen egal, wie klein du bist, du kannst dich trotzdem gegen Größere durchsetzen und bist besser, als du denkst. Manchmal macht man sich kleiner, als man ist. Ich denke, wenn man mit einem gesunden Selbstbewusstsein auftritt, kann man jeden besiegen. Also, keine Angst haben!