ALEXANDER RICHTER Ortsbesuch in Bochum, Stadtteil Hofstede, nörd- lich der Innenstadt gelegen. Der Straßenrand ist nahezu geschlossen mit drei-, teilweise vierstöcki- gen Häusern bebaut. Von der A40 waren es nur einige hundert Meter bis hierher. Neben der von Alexander Richter genannten Hausnummer befin- det sich eine Durchfahrt in den Hinterhof, in dem ein freistehendes Haus den Abschluss bildet. Un- ter dem Carport steht ein Auto mit einem Aufkle- ber des VfL Bochum, daneben einer mit Ein- tracht-Emblem. Links der Haustür hängt ein Schild: Werner und Ulli Richter. Es ist jenes Haus, in dem Alexander Richter aufgewachsen ist. Der Leiter des Nachwuchsleistungszentrums ist ein Kind des Ruhrpotts, hat in Bochum studiert und viele Jahre beim VfL Bochum gearbeitet. Richter genießt den letzten Urlaubstag und ist zu Besuch bei seinen Eltern, um den Zusehern von Eintracht- TV und den Lesern der „Eintracht vom Main“ ein Blick durchs Schlüsselloch zu gewähren. Die Atmosphäre ist herzlich, auch die Eltern freu- en sich über den Besuch aus der gar nicht mehr so neuen beruflichen Heimat des Sohnemanns. Mutter Ulli ist gebürtig ebenso aus Bochum, Vater Werner hat es einst aus Ostfriesland in den „Pott“ verschlagen. „Ich habe ihn eingedeutscht“, sagt die Mutter über den Vater, seit 56 Jahren sind sie verheiratet. Es wird viel gelacht, auch im weiteren Verlauf des Gesprächs im Wohnzimmer der Fami- lie. An den Wänden hängen allerlei Bilder von Kin- dern, Enkeln und Geschwistern – und den Eltern in jungen Jahren. Anekdoten werden von allen Seiten erzählt – und machen eines deutlich: Alexander Richter hatte hier eine unbeschwerte Kindheit, musste aber auch mit anpacken. Opa, Onkel und auch der Vater führten einst ein Fuhrunternehmen, zwei heutige Garagen neben dem Haus waren die Lagerhallen. „Da habe ich früher Kohle gescheppt“, erzählt Richter junior. Später, als die Eltern das Vereinsheim des örtli- chen Fußballklubs Phönix übernahmen, kellnerte er dort. Er reinigte riesige Industriekessel („das war im wahrsten Sinne des Wortes Drecksarbeit“) und fuhr Fleischwurst aus – Dienstbeginn um 3 Uhr morgens, Feierabend um 9 Uhr. „Dann Uni, dann schlafen, dann trainieren“, blickt Richter zurück. „Bis heute profitiere ich davon, wie ich großgezogen wurde“ Zurück zur unbeschwerten Kindheit. Alexander Richter erzählt von täglichen „Straßenspielen“ mit den Jungs aus der Nachbarschaft, „mit richtig Zunder. Heimspiele waren auf unserem Acker, auswärts ging’s auf der Hof- oder der Wengewiese heiß her. Wir haben in Jeans und Turnschuhen gespielt, die Mädels haben angefeuert.“ Nach der Schule und den Hausaufgaben wurde gestartet, erst Stunden später war Schluss. „Wenn die Kin- der nicht früh zu Hause waren, bist du durch die Straßen gelaufen. Wir haben sie immer gefun- den“, ergänzt Werner, der gerne die lange Leine ließ, aber auch durchgreifen konnte. Alexander Richter packt dazu eine Anekdote aus. „Ich hatte den Vespa-Führerschein gemacht, wollte die Freundin mitnehmen, hatte aber nur einen Helm. Gentleman-like habe ich diesen der Freundin ge- geben, prompt sind wir von der Polizei angehal- ten worden. Diese sprach bei meinem Vater vor, der das gar nicht lustig fand. Bei den Ordnungs- hütern bin ich davongekommen, ihre Begrün- dung: Aufgrund der Strenge des Vaters sehen wir von einer Strafe ab.“ Vater Werner ist auch eingeschritten, als der Fuß- balltrainer immer mit Bierflasche über dem klei- nen Finger das Training geleitet, seine Kippe auf den Kreidelinien ausgetreten und mit kaum mehr als den Worten „Macht mal, spielt Fußball“ seinen Job gemacht habe. So gehe das nicht, meinte Werner, worauf der Trainer erwiderte: „Dann mach es doch selbst.“ Werner, der nie Fußball ge- spielt hatte, ließ sich das nicht zweimal sagen. „Das war aber keine Dauerlösung. In der Regel hat er die Älteren trainiert, damit es nicht heißt: ‚Hey, der bevorzugt seinen Sohn‘.“ Die Geschichte trug sich beim SV Phönix Bochum zu. Dessen Heimspielstätte ist fußläufig zwei Minuten vom Elternhaus entfernt. Dort spielte Richter in der Jugend, fußballerisch blieb er eben- so in der Gegend. Die Kirche, in der er getauft wurde und die er zu Kommunionszeiten besuchte, ist in Sichtweite. Zivildienst im Bochumer Univer- sitätsklinikum Bergmannsheil, Studium an der Uni in Bochum, als Diplomsportlehrer später mit Lehrauftrag an der Uni in Bochum, Stützpunkt- koordinator für den DFB und schließlich 14 Jahre beim VfL im Talentwerk – Lebensmittelpunkt war immer die für Bergbau und Stahlproduktion be- kannte Ruhrpott-Metropole Bochum, auch wenn er heute mit seiner Familie (zwei Kinder) in Dat- teln etwa eine halbe Autostunde entfernt lebt. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er mal aus Bochum weggeht“, sagt Vater Werner, der dem VfL seit vielen Jahren als Fahrer für Jugendspieler treu ist. „200 Kilometer am Tag“, so Richter, sei er unterwegs. Dass ihn das jung hält, ist offensicht- lich – 77 Jahre alt scheint Richter senior nur auf dem Papier zu sein. Im Wohnzimmer des Elternhauses spricht Alex- ander Richter zunächst über seine ersten Lebensjahre in Bochum. Sprechen hier über die unbeschwerte Kindheit des heutigen NLZ-Leiters: Alexander Richter und seine Eltern Werner und Ulli. 39