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Azra Mann: Dem Tennissport stets treu geblieben

Die Lebensgeschichte von Azra Mann ist bunt, beeindruckend und inspirierend. Denn Azra ist nicht nur Tennistrainerin bei Eintracht Frankfurt und ehemalige professionelle WTA-Tour-Spielerin, sie ist außerdem Sport-, Mental- und Entspannungscoachin, wofür sie 2021 unter anderem mit dem DTB-Trainer Award ausgezeichnet wurde. Was ein Mentaltraining alles beinhaltet und wie sich Azras aufregendes Leben gestaltete, lest selbst!

Der Tennissport zieht sich bis heute wie ein roter Faden durch Azras Leben. Geboren und aufgewachsen ist die heute 43-jährige in Bosnien-Herzegowina, wo sie gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem sechs Jahre älteren Bruder eine, wie sie sagt, „Bilderbuchkindheit“ lebte. Ihr Bruder war es auch, durch den sie als junges Mädchen zum Tennissport kam. Doch aus politischen Gründen mussten Eltern und Kinder 1992 Bosnien-Herzegowina verlassen und eine neue Heimat finden. So verschlug es die vierköpfige Familie nach Hanau, wo für alle ein neuer Lebensabschnitt begann. „Es war nicht leicht, sich von jetzt auf gleich in einem neuen Land zurechtzufinden, vor allem wegen der Sprachunterschiede. Ich konnte zwar etwas Deutsch aus der Schule, den größten Teil musste ich jedoch neu erlernen.“

Durch den Schulsport bzw. die Tennis AG und die Förderung ihres damaligen Sportlehrers, der früh Azras spielerisches Talent erkannte, fand Azra ihren Weg zum THC Hanau. Einen Schritt, den sie heute als wichtigen Schlüsselmoment bezeichnet. „Ich habe im Verein nicht nur die Sprache gelernt und Freundschaften geschlossen, sondern auch Möglichkeiten gefunden, mich zu integrieren und in die Gesellschaft einfinden zu können. Der Sport war für mich ein Identifikationspunkt und der Verein ein Ort, an dem ich Anerkennung bekam.“

Auch gab ihr der THC finanzielle Starthilfe, indem er Ausrüstung und tägliche Trainings- stunden stellte sowie die Kosten der Turnier-Startgebühren übernahm. So konnte Azra erfolgreich ihre ersten Jugendturniere bestreiten, dicht gefolgt von Turnieren im Bezirks- und Hessenkader.

Auch von Seiten der Schule erfuhr Azra große Unterstützung. Um an Turnieren teilnehmen zu können, gaben ihr die Lehrerinnen und Lehrer Freistellungen, Prüfungen musste sie entsprechend nachholen. Gegen Ende der Schulzeit kamen bei der Tennisspielerin dann erstmals Gedanken auf, dass ihr Talent auch für den Leistungs- bzw. Profisport ausreichen könnte. Heute sagt sie, dass Ehrgeiz, Leidenschaft, Freude und Spaß sie stets beflügelt und bekräftigt haben, den nächsten Schritt zu wagen. 

Nach dem Realschulabschluss sammelte die damals 18-Jährige erste internationale Tenniserfahrungen im Erwachsenenbereich. Durch ihr erspieltes Weltranglisten-Ranking der WTA-Tour folgten bis zu 25 Turniere pro Jahr, entsprechend viel war sie auf Reisen und selten zu Hause. Finanziell war es ihr durch Eltern und Sponsoren möglich, den teuren Tennissport weiter auszuüben. Von einem Team an ihrer Seite musste Azra dennoch absehen, weshalb sie ihre Turnierreisen meist allein bewältigte.

In den Folgejahren spielte Azra aktiv bei verschiedenen Vereinen in höheren Klassen bis hin zur 2. Bundesliga. Stationen waren unter anderem der Offenbacher Tennisclub, der FTC Palmengarten, der TC Bad Vilbel und der TC Bad Homburg. Außerdem wurde sie von ihrem Herkunftsland Bosnien-Herzegowina eingeladen, die bosnische Nationalmannschaft beim damaligen Fed Cup zu unterstützen. Doch mit den Jahren stellte sich ihr nicht nur die Frage, wie ihre sportliche Zukunft aussehen sollte, sondern es wuchs in ihr auch der Wunsch nach einem „normalen“ und alltagsfreundlicheren Leben. Also beschloss sie, den professionellen Tennis schrittweise zurückzufahren und mehr Trainertätigkeiten aufzunehmen. „Ich habe eine Leidenschaft für das Tennistraining entwickelt und wollte meine Erfahrungen und mein sportliches Knowhow unbedingt an andere weitergeben“, erinnert sich Azra heute.

2003 begann sie eine dreijährige Ausbildung zur staatlich geprüften und anerkannten Trainerin im „Verband Deutscher Tennislehrer e.V.“. Als selbstständige Tennistrainerin arbeitete Azra fortan für mehrere Vereine, darunter auch für den Hessischen Tennisverband. Außerdem erwarb sie zwischenzeitlich den C- und B-Lizenz-Trainerschein und bestritt erfolgreich nationale Turniere, verzichtete aber auf internationale Reisen und Turnierteilnahmen. Nachdem sie ihr Tennisprofi-Dasein beendet hatte, holte sie zudem das Abitur nach. 2016 erreichte sie dann das Angebot von Eintracht Frankfurt, als festangestellte Trainerin im Leistungsbereich zu arbeiten.

Durch ihre Erfahrung im Tennissport merkte Azra über die Jahre, dass viele Sportlerinnen und Sportler zwar intensiv trainieren, aber dennoch immer über die gleichen Probleme und Sorgen klagen. Eine Entwicklung, die sie für bedenklich hielt und dazu veranlasste, den mentalen Aspekt des Sports mit dem spielerisch-sportlichen zu verknüpfen, woraufhin sie eine Ausbildung zur Mental- und Entspannungscoachin machte. Ihr Credo: „Erfolg wird meist im Kopf entschieden und das Spiel besteht aus zwei wesentlichen Teilen – einem äußeren und inneren Spiel.“

Vor allem im jüngeren Bereich würden sich die Sportlerinnen und Sportler zunehmend unter Druck setzen. Es ginge um Leistung und Anerkennung sowie die Identifikation durch Sieg oder Niederlage. An diesem Knackpunkt setzt Azra mit ihrem Sport-Mentalcoaching an: „Ich möchte an den Potenzialen der Sportlerinnen und Sportler arbeiten und positives Denken bei diesen langfristig festigen – egal ob in kniffligen sportlichen oder alltäglichen Situationen. Es geht um eine Persönlichkeitsentwicklung. Aber ebenso möchte ich, dass meine Klientinnen und Klienten an sich selbst und ihre Fähigkeiten glauben und sich selbst beantworten können, was sie an der jeweiligen Sportart überhaupt begeistert. Jeder soll seinen eigenen, passgenauen sportlichen Weg finden.“

„Erfolg wird meist im Kopf entschieden und das Spiel besteht aus zwei wesentlichen Teilen – einem äußeren und einem inneren Spiel“ – Azra Mann –

Die Klientinnen und Klienten sollen einerseits ihre persönliche Wahrnehmungen verbessern sowie die eigene Selbst- und Körperempfindung steigern. Andererseits soll das Mindset trainiert und der Frage nachgegangen werden, was ihnen guttut und in welche Richtung es sportlich wie persönlich gehen soll. Dabei komme es vor allem auf die Art und Weise der Kommunikation an: „Eine Begegnung auf Augenhöhe schafft das nötige Vertrauensverhältnis zwischen Trainer und Sportler, egal ob Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Hobby- oder Profisportler. Das ist ein elementarer Baustein meiner Arbeit.“ Um ihre Coachingarbeit wissenschaftlich vertiefen zu können, studiert Azra seit 2020 zusätzlich Psychologie an einer Fernuni. Das ließe sich perfekt mit ihrer vollgepackten Woche vereinbaren.

Azras besondere und wertvolle Arbeit als Tennis- und Mentaltrainerin stößt mittlerweile deutschlandweit auf hohe Nachfrage. So wurde sie 2022 sogar mit dem DTB-Trainer Award des Deutschen Tennis Bundes ausgezeichnet: „Die Auszeichnung erfüllt mich mit großem Stolz. Es beweist mir, dass meine Arbeit nicht nur gesehen, sondern auch geschätzt wird. Dass ich bei einem vielfältigem Sportverein wie Eintracht Frankfurt arbeite, kommt mir natürlich entgegen. Ich darf bei den verschiedenen Sportarten reinschnuppern und lerne dabei, mich unvoreingenommen auf neue Dinge einzulassen.“

Abseits ihrer Tätigkeit als Tennis- und Mentaltrainerin ist Azra selbst noch aktive Spielerin in der Damen-30-Mannschaft bei Eintracht Frankfurt. Gemeinsam bestreiten sie Medenspiele in der Regionalliga. Auch ihr jugendlicher Sohn ist begeisterter und talentierter Tennisspieler. Ihm gab sie mit an die Hand, dass es wichtig sei, eine Ausgewogenheit zwischen Sport, Freunden, Schule, Erfolg und Misserfolg zu finden und darüber zu sprechen, sobald dieses Gleichgewicht aus der Balance gerät. Egal welche Rolle Azra einnimmt, ob Tennistrainerin oder -Spielerin, Sport-Mentalcoachin oder Mutter, sie bleibt ihrem Motto „Liebe, was du tust, und habe Freude dabei“ stets treu und geht unvoreingenommen und offen durchs Leben.