„Unten wurde gefeiert, oben der Motor der Mannschaft verkauft“ Wie sehr Karl-Heinz Feldkamp sein Leben genießt und wieviel Freude er daran hat, merkt man bei seiner Antwort auf die Frage, was er denn an seinem 90. Geburtstag machen werde. „Wir feiern im kleinen Kreis in Braunschweig, ein paar Tage später dann etwas größer bei meinem Sohn in Aachen. Meine Kinder wollen für mich die Feier ausrichten. Aber bei meinem 95. bestimme ich alles selbst, ich habe das Restau- rant schon im Auge“, lächelt der Jubilar, den die Eintracht-vom-Main- Redaktion kürzlich in Berlin getroffen hat. Die Ärmel seines weißen Sommerhemds sind hochgekrempelt, seine Erinnerungen an Ereignisse vor fast 40 Jahren total präsent, es wird viel gelacht und gescherzt. Kalli Feldkamp ist gut drauf, erfreut sich bester Gesundheit und hat – wie seine Antwort in Richtung seines 95. Geburtstages beweist – noch viel vor. Tennis („nur noch Doppel“) und Schwimmen („in meinem Pool“) halten ihn fit, dazu seine Frau Helma, die „mich im- mer antreibt“, sagt er augenzwinkernd. Der 1. FC Kaiserslautern hat ihn zum DFB- Pokalfinale eingeladen, in den Tagen rund um das Endspiel standen Treffen mit vielen ehemaligen Weggefährten an. Denn nicht nur mit der Eintracht hat Feldkamp den DFB-Pokal gewonnen, auch mit den Roten Teufeln reckte er die Tro- phäe 1990 in die Höhe. Und auch 1985, als das DFB-Pokalfinale erst- mals nach Berlin kam, mit Bayer 05 Uerdingen. Einer seiner Schlüssel- spieler damals: Ex-Eintracht-Coach Friedhelm Funkel, als Trainer mit dem 1. FCK zurück in Berlin – und dem neuen Doublesieger Bayer 04 Leverkusen knapp unterlegen. Im kicker sagt Funkel über Feldkamp anlässlich dessen Geburtstages: „Er ist eine herausragende Persön- lichkeit mit der unglaublichen Fähigkeit, auf Menschen einzugehen. Wie er Spieler behandelt, motiviert und heiß gemacht hat sowie Emo- tionen zeigte, dabei aber nie die Menschlichkeit vergessen hat – das war wirklich bewundernswert. Da habe ich in den fünf Jahren, die ich mit ihm zusammenarbeiten durfte, wirklich viel von ihm gelernt. Er war für mich ein wegweisender Trainer. Egal in welcher Situation wir wa- ren, er hat immer die Kontenance behalten. Er hat immer versucht, positiv voranzugehen.“ Mit den Pfälzern hatte Feldkamp schon 1981 das Endspiel erreicht, da- mals in Stuttgart gegen die Eintracht (1:3). Seit 1985 werden die End- spiele stets in der Hauptstadt ausgetragen. „Ich habe die Atmosphäre in Berlin immer gemocht. Die Entscheidung, Berlin als festen Standort für das DFB-Pokalfinale zu installieren, hat dieses auf ein neues Ni- veau gehoben. Auch wenn es vor der Wende natürlich nicht so einfach war, dorthin zu kommen. Insbesondere für die Fans“, berichtet er. Sei- ne Berlin-Pokal-Bilanz: drei Endspiele, drei Siege, mit Uerdingen (2:1 gegen Udo Latteks Bayern 1985) und Kaiserslautern (3:2 gegen Reh- hagels Bremer 1990) sicherlich in der Außenseiterrolle. Favoritenstatus genoss die Eintracht unterdessen 1988 gegen den VfL Bochum. „Wir haben zwar keine starke Bundesligasaison gespielt, aber dennoch haben viele einen Sieg erwartet“, erzählt der 90-Jähri- ge. Es sollte die Sternstunde von Lajos Detari werden, der in der 81. Minute einen Freistoß ins VfL-Tor zirkelte und der Eintracht DFB- Pokalsieg Nummer vier bescherte. „Lajos war eine Bereicherung für die Mannschaft, hat die Fehler der anderen verdeckt. Seine Technik und seine Genauigkeit im Passspiel waren überragend, seine Aus- strahlung in der Kabine beispiellos.“ Doch schon in Berlin passieren Dinge, die dem Trainer nicht schme- cken. „Im Hotel wurde unten gefeiert und oben der Motor der Mann- schaft verkauft“, sagt Feldkamp über den bevorstehenden Wechsel des Ungarn. Problem an der Geschichte: „Ich habe davon erst im Trai- ningslager vor der nächsten Saison erfahren, als er binnen 48 Stunden griechischen Boden betreten sollte.“ Detari verließ das Camp in Nord- deutschland über Nacht. Von dort an passte es nicht mehr zwischen Feldkamp und der Ein- tracht. „Ich hätte sofort aufhören müssen, das habe ich versäumt. Die Rücksichtslosigkeit der Verantwortlichen hat mich tief getroffen. Denn natürlich wollte ich nicht, dass er geht. Diese Situation hat zu einer Lustlosigkeit bei mir geführt.“ Die Eintracht startete schlecht in die Saison 1988/89, Mitte August waren die Tage von Feldkamp nach nicht mal 14 Monaten gezählt. Dabei hatte es ihm in Frankfurt sehr gefal- len. „Wir haben in Neu-Isenburg gewohnt. Wir hatten selten so viel Besuch, weil Frank- furt so zentral liegt und attraktiv ist. Die Wege waren kurz, auch zum nächsten Ten- nisklub. Unsere Tochter ging hier zur Schule. Wir wären gerne länger geblieben.“ Zumal er sich zugetraut hätte, aus der Mannschaft noch mehr rauszuholen. „Uli Stein war der beste Torwart, den ich jemals in meiner Mannschaft hatte. Und ich hatte auch Keeper wie Hellström und Immel. Manni Binz war der perfekte Sechser, ein toller Spieler. Andy Möller hatte ein Rie- sentalent“, spricht er stellvertretend über drei Akteure der damaligen Mannschaft, wobei Möller bereits im Winter der Saison 1987/88 zum BVB gewechselt war. Als er 2018 von der Eintracht ebenso wie die 1988er-Helden zum DFB-Pokalfinale eingeladen war, habe er sich mit Binz ausgetauscht. „Du hättest mehr aus dir machen können“, habe Feldkamp zu ihm ge- sagt, und Binz habe entgegnet: „Du hast recht“. Feldkamp holte im letzten Drittel seiner Trainerkarriere dafür mehr aus anderen Mannschaften und Spielern raus. Nach kuriosen Jahren in Kairo, wohin ihn ein ägyptischer Schönheitschirurg aus Frankfurt ver- mittelt hatte, gewinnt er noch Meisterschaften und nationale Pokal- siege mit Kaiserslautern und Galatasaray Istanbul. Vor seinem Enga- gement in Frankfurt hatte er neben Kaiserslautern und Uerdingen auch Wattenscheid 09, Gütersloh, zweimal Bielefeld und den BVB an- geleitet. Spieler von der Jugend bis zum letzten Aktiventag bei Rot-Weiß Ober- hausen, Trainer und Sportdirektor, in den 1990ern dann TV-Experte bei Nationalmannschaftsspielen: Über 60 Jahre spielte der Fußball eine sehr große Rolle in seinem Leben. Heute verfolge er die Bundes- liga nur noch gelegentlich, hat aber freilich seine Freude an Stadion- besuchen und Treffen mit alten Weggefährten, wenn er in Deutsch- land ist. Sein Lebensmittelpunkt befindet sich zumindest abseits der Tourismushochzeiten in Marbella, wo er schon vor 40 Jahren ein Haus gekauft hat. Und sich in diesem Sommer dort mit Friedhelm Funkel zum Tennis verabredet hat. Marbella, Berlin, Braunschweig. Karl-Heinz Feldkamp ist gerne unter- wegs und gibt seine Lebensfreude weiter. Alles Gute zum 90. Ge- burtstag, lieber Kalli! Eintracht vom Main 9393