„Eine
grosse Persönlichkeit“
Kurz nach Ende seiner beeindruckenden Spielerkarriere reist
der Adlerträger in seine Heimat. Zahlreiche Termine warten, Aufmerksamkeit wie
auch Wertschätzung sind riesig. Die Reisereportage, verknüpft mit den
Meilensteinen seiner Laufbahn.
Das Saitama Stadium. Gelegen nördlich von Tokio. Vom
Zentrum der pulsierenden und hektischen Hauptstadt Japans mit ihren knapp 14
Millionen Einwohnern ist es gut eine Stunde Fahrt zur sportlichen Heimat der
Urawa Red Diamonds. Der Klub, bei dem für Makoto Hasebe, zehn Jahre für
Eintracht Frankfurt am Ball, am 12. Mai 2002 das Abenteuer Profifußball begann.
Im J League Cup. Beinahe auf den Tag genau 22 Jahre später, am 26. Mai 2024,
steht Hasebe auf der Tribüne der anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft 2002
errichteten Arena. Sein ehemaliger Verein, für den der 40-Jährige insgesamt 215
Pflichtspiele bestritt, trifft an diesem Sonntag auf Spitzenreiter Machida
Zelvia. Lange dauert es nicht, bis die Fans ihn entdecken – sie winken ihm zu,
lautstarker Jubel, die Begeisterung ist zu spüren.
Begeisterung. Eines der passenden Stichworte, um zu
umschreiben, wie der ewig junge Adlerträger die Rückkehr in seine Heimat im
Anschluss an die jüngst abgelaufene Saison 2023/24 erlebt. Wenige Tage zuvor
hatte er seine beeindruckende Profikarriere mit dem 2:2 gegen Leipzig am 34.
Spieltag beendet. Mit einer Delegation von Eintracht Frankfurt flog er ins Land
der aufgehenden Sonne, gab gemeinsam mit Sportvorstand Markus Krösche eine
große Abschlusspressekonferenz und spulte ein Programm voller Medien- und
Marketingtermine ab. „Wenig schlafen, aber es ist mir eine Ehre“, sagt er –
selbstverständlich, wie gewohnt, verbunden mit aller Höflichkeit Makoto
überall. Big in Japan.
„Er ist eine große Persönlichkeit. Nicht nur des Fußballs,
sondern eine große Persönlichkeit Japans. Es ist unglaublich, welche
Wertschätzung ihm entgegengebracht wird“, unterstreicht Markus Krösche.
Präfektur Saitama. Einige Stunden vor dem J-League-Spiel
der Reds sitzt Hasebe mit Vertretern seines einstigen Klubs zusammen, mit dem
er sechs Titel holte. Zwischen der Eintracht und dem japanischen Erstligisten
besteht im Übrigen seit 2022 eine Vereinspartnerschaft. Gemeinsames Mittagessen
in acht kleinen Gängen, Netzwerken und Gespräche über große japanische wie auch
Frankfurter Fußballer. Hasebe darf sich beides nennen. Mit der 17 und 20 auf
dem Rücken, die beim anschließenden Trikottausch vorstechen, hinterließ er bei
den Reds und der Eintracht seine Spuren – und große Fußstapfen.
„Man
hat früh gesehen, dass er sich abhebt von anderen, mit seiner Disziplin und
seinem Können“ -- „Entdecker“ Guido Buchwald –
„Ich habe Makoto als sensationellen Profi kennengelernt und
habe ihn sehr geschätzt. Man hat früh gesehen, dass er sich abhebt von anderen,
mit seiner Disziplin und seinem Können. Er hat sich stetig weiterentwickelt und
sich immer professionell verhalten – Extraschichten und Dehnübungen nach dem
Training, als alle anderen schon in der Kabine waren“, erinnert sich Guido
Buchwald, drei Jahre lang Hasebes Vereinstrainer in Japan: „Es war klar, dass
er seinen Weg geht, und das ist auch der Grund, warum er mit 40 Jahren noch in
der Bundesliga gespielt hat. Das kannst du nur machen, wenn du nach dem Fußball
lebst“, so der Weltmeister von 1990, der einst Felix Magath, damals Trainer des
VfL Wolfsburg, den Ratschlag gab, Hasebe in die Bundesliga zu holen. So kam es.
Eine wunderbare Karriere folgte, davon ein Jahrzehnt im Herzen von Europa
inklusive DFB-Pokal- und Europa-League-Triumph.
Eine Karriere, auf die der 114-malige Nationalspieler
Japans Ende Mai bei zahlreichen Terminen zurückblickt. Am Tag nach der Ankunft
am Flughafen Tokio-Narita, 13 Stunden Flug liegen hinter ihm, sitzt Hasebe
schlicht und elegant ganz in Schwarz gekleidet bei der DWS Group, Strategischer
Partner der Eintracht. Beim „DWS Japan Meet & Greet“, bei dem auch Tamio
Honma, Chief Country Officer der Deutsche Bank Group in Japan, mit dabei ist,
lauschen etwa 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Ausführungen Hasebes.
Gegenseitige Geschenke, Autogramme, Gruppen- und Einzelfotos – viele glückliche
Gesichter. So auch später am Tag in der Zentrale der Japanese Football
Association (JFA), als Asiens internationaler Fußballer des Jahres 2018 durch
die Gänge geführt wird und einen ehemaligen Mitspieler aus der Nationalelf
trifft: Tsuneyasu Miyamoto, 47, seit März diesen Jahres JFA-Präsident. Die
Stimmung ist locker, alles wirkt sehr vertraut. Man kennt sich.
Jeder in Japan – gefühlt – kennt Makoto Hasebe.
Sinnbildlich dafür ist die offizielle Abschiedspressekonferenz am Folgetag im
Palace Hotel Tokyo. Liveübertragungen, rund 150 akkreditierte Journalisten,
darunter 40 Fotografen und 15 Kamerateams. „Ein großer Spieler ist abgetreten
und hat den großen Bahnhof bekommen, den er verdient hat. Das war beeindruckend
zu sehen, welchen Stellenwert Makoto in Japan hat“, sagte
Eintracht-Sportvorstand Markus Krösche, ebenfalls während der PK auf dem
Podium, im Nachgang.
Hasebe, vor Spielen in den seltensten Fällen nervös –
Vorbereitung sei der Schlüssel –, spürt das Ausmaß dieser Medienrunde. Er sei
„etwas aufgeregt“. Beinahe zwei Stunden dauert die Pressekonferenz. Wahnsinn.
„Ich bin unheimlich stolz, dass so viele Medien gekommen sind und wir über 100
Minuten miteinander gesprochen haben“, freut sich der zweifache Familienvater.
Eine außergewöhnliche Bühne für einen außergewöhnlichen Menschen und Fußballer.
Und zweifelsohne auch ein wichtiger Tag für die Bundesliga, extrem gut für die
Präsenz in Japan.
Die Präsenz in den japanischen Medien dieser Tage ist
fortlaufend hoch. Die außergewöhnliche Pressekonferenz in Tokios
Geschäftsviertel Marunouchi war an diesem Freitag erst der Anfang. Hasebe, im
Januar 1984 in Fujieda, etwa zweieinhalb Autostunden von Tokio entfernt,
geboren, muss weiter. Zuerst geht es zu TV Nippon, „News every“ als
Livesendung. Im Anschluss daran sitzt er bei Nippon Hōsō Kyōkai (NHK) im
Studiosessel. Studiowechsel, der nächste Stopp ist bei TV Asahi, live on air.
Die Garderobe ist mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Fotos, die an große
Momente in Hasebes Karriere erinnern, sind aufgehängt und aufgestellt. Eines
davon ist von der Wand gefallen. Hasebe hängt es akkurat wieder hin. Natürlich.
Im TV-Studio liegen sechs Trikots aus seiner langen
Laufbahn vor dem geschwungenen Moderatorentisch, dahinter die Karriere mit all
ihren Titeln in Bildern. Makoto Hasebe überall. Als Moderator an seiner Seite
in der News-Show „hodo station“ ist ein einstiger Weggefährte aus der Zeit bei
den Samurai Blue, Japans Nationalmannschaft: Atsuto Uchida, 36, sieben Jahre
bei Schalke und eine Saison bei Union Berlin in der Ersten und Zweiten
Bundesliga aktiv.
Die Bundesliga ist in Fernost während der Reise natürlich
großes Thema. Auch beim Interview mit FujiTV sowie auch, und dort ganz
besonders, bei Hasebes Gastauftritt bei Sky Perfect, Broadcast-Partner der DFL
Deutsche Fußball Liga in Japan. Themen sind unter anderem die besten Spieler
und Trainer während seiner Zeit in der Beletage, die aktuelle Lage in der
Bundesliga, seine Karriere sowie Zeit im Oberhaus und natürlich seine Zeit nach
der Spielerlaufbahn. Seine Zukunft.
Diese führt Hasebe zurück nach Frankfurt, seine „zweite
Heimat“, wie er sagt: „Die Eintracht bedeutet für mich alles“, hob er kurz nach
seinem letzten Spiel im Trikot mit dem Adler auf der Brust hervor. Und sie führt
ihn an die Seitenlinie, Hasebe wird Trainer. „Er bringt alle Voraussetzungen
mit, als Trainer erfolgreich zu sein. Er ist ein intelligenter Fußballer, hat
das Spiel sehr gut verstanden und war immer der verlängerte Arm eines Trainers
auf dem Platz. Er hat eine große Karriere als Trainer vor sich“, so Markus
Krösche. Als Co-Trainer im Nachwuchsbereich der Eintracht, so dass er in Ruhe
seine Trainerlizenzen machen kann. „Mein Traum ist es natürlich, mal Trainer
der Eintracht zu sein. Aber über Träume und Ziele will ich jetzt nicht reden,
ich gehe Schritt für Schritt und sammle so viele Erfahrungen als Trainer wie
möglich“, sagt der 40-Jährige. Schritt für Schritt, besonnen und überlegt.
Für den passionierten Teetrinker, am liebsten Grüner Tee
aus seiner Heimat, folgen zahlreiche weitere Termine in Japan. Darunter
selbstverständlich ein Besuch der Eintracht Frankfurt Academy Japan in seiner
Geburtsstadt Fujieda – diese führt er unter dem Label „Makoto Hasebe Sports
Club“ gemeinsam mit den Hessen. Die Schritte danach: Urlaub machen, Zeit mit
der Familie genießen, etwas Abstand vom Fußball bekommen – und dann im Herzen
von Europa frisch durchstarten. In neuer Rolle. Ein neues Kapitel.