„Er hat
uns machen lassen“
Dreimal heuert Jörg Berger bei der Eintracht an, 1999 ist
es seine schwerste Mission. Auch wenn es bei weitem nicht die diffizilste in
seinem Leben war.
„Die krasse Geschichte des Jörg B.“ betitelt SPORT1 einen
Artikel über Jörg Berger im vergangenen Jahr. Darin wird der bewegende
Lebensweg des Sachsen dargestellt, den der Protagonist auch in seiner Biografie
einst selbst nacherzählte. Geboren in Polen, aufgewachsen in Leipzig, frühes
Karriereende wegen einer Muskelverletzung, mit 26 Start als Trainer, die
schweißtreibende DDR-Flucht, Opfer von Mordanschlägen und -drohungen, bei acht
Bundesligavereinen auf der Bank, das lange Krebsleiden, dem er schließlich 2010
erlag. Im kommenden Oktober wäre Jörg Berger 80 Jahre alt geworden.
„Jörg
Berger hätte auch die Titanic gerettet“ -- Jan Aage Fjörtoft
1999 –
Mittendrin: Dreimal Eintracht Frankfurt. 1979, kurz nach
seiner Flucht in den Westen, ist er Trainerhospitant am Riederwald. Zehn Jahre
später übernimmt er die Profis der Eintracht und führt sie zunächst über die
Relegation zum Klassenerhalt und dann bis auf Rang drei in der Bundesliga –
besser platziert waren die Adlerträger zu Bundesligazeiten nie. Der Zehnerrhythmus
bleibt. 1999 ist es am Main wieder Zeit für den mittlerweile als Feuerwehrmann
bekannten Berger. Unter Reinhold Fanz hatte die Eintracht in der Rückrunde nur
ein Spiel gewonnen, taumelte Richtung Liga zwei. Berger war zur Stelle, und Jan
Aage Fjörtoft sagte später: „Jörg Berger hätte auch die Titanic gerettet.“
Seine 99er-Spieler sprechen in höchsten Tönen von Jörg
Berger, den die Fans 2013 zur „Säule der Eintracht“ und damit quasi inoffiziell
zum Jahrhunderttrainer machten. Ein Quintett erinnert sich.
„Jörg war sehr glaubwürdig und ein sehr guter Mensch. Ich
erinnere mich daran, als er auf mich zukam und mit mir über die
Startaufstellung gesprochen hat. Ich war sehr verwundert, dass ich diese
Verantwortung erhielt. Jörg hat mich später an jedem meiner Geburtstage
angerufen, wir sind nach meiner Fußballerkarriere gute Freunde geworden. An
meine letzte Begegnung mit ihm erinnere ich mich besonders. Norwegen hatte
gegen Deutschland in Düsseldorf gespielt und ich habe mich nach der Partie bei
ihm gemeldet. Er sagte, er sei schon außerhalb der Stadt, komme aber zurück.
Daraufhin haben wir den ganzen Abend zusammen verbracht und hatten ein tolles
Gespräch.“ -- Jan Aage Fjörtoft --
„Ein ganz wichtiger Punkt für den Klassenerhalt war das
Thema Eigenverantwortung. Jörg Berger hat uns machen lassen, hat nicht in die
Strukturen der Mannschaft eingegriffen und auf Eigenverantwortung gesetzt. Wir
Spieler hatten immer vor Augen, dass wir dafür verantwortlich sind, was am Ende
dabei herauskommt. Das hat uns angestachelt!“ -- Olaf Janssen --
„Wir hatten nach dem Trainerwechsel wieder richtig Bock zu
kicken. Jörg hat es geschafft, dass die Truppe ihn mochte und Respekt vor ihm
hatte. Wir waren durch ihn wieder eine Einheit [auf die Frage, wie er es
geschafft hat, in jedem der vier letzten Spiele zu treffen – und damit öfter
als in der gesamten Saison zuvor; Anm. d. Red.]. Jörgs klarer Spielansatz hat
zu meinem sehr gut gepasst. Ich habe selten so befreit Fußball gespielt und
hatte so viel Spass wie in dieser Zeit.“ -- Thomas Sobotzik --
„Nach dem Trainerwechsel zu Jörg Berger haben wir zwar
zunächst verloren, danach aber super Spiele abgeliefert, mit dem vorläufigen
Höhepunkt auf Schalke. Bei diesem Schlüsselerlebnis haben alle gesehen, dass
mit uns zu rechnen war und Jörg Bewegung in die Mannschaft gebracht hatte. Es
war einfach bemerkenswert, was er aus jedem Einzelnen herausgekitzelt hat.
Umgekehrt hat er über eine Truppe vieler überragender Charaktere verfügt, die
ihm bedingungslos gefolgt sind. Ich weiß noch, wie Jörg am Abend vor dem Spiel
seine fünf, sechs Führungsspieler im Hotel versammelt und auf den
darauffolgenden Tag eingeschworen hat.“ -- Uwe Bindewald --
„Besonders in Erinnerung habe ich die ruhige Art und Weise,
wie Jörg Berger das alles hingekriegt hat. Er war auch vor dem letzten Spiel
ganz ruhig, besonnen, überhaupt nicht hektisch. Er hat keine besondere
Motivationsrede gehalten, er hat einfach gesagt: Glaubt dran! Und von Minute zu
Minute haben wir mehr daran geglaubt.“ -- Bernd Schneider --