„War immer mein Traum, in Europa zu spielen“

Text: Marie Huhn, Paul Schönwetter / Fotos: Kimberly Schäfer, privat, JFA, Lucas Körner

Ohne ein Wort Deutsch oder Englisch zu sprechen, wechselt die Japanerin Remina Chiba im Winter nach Frankfurt. Mittlerweile hat die 25-jährige Stürmerin nicht nur auf dem Rasen mit ihren Toren einen Platz im Team gefunden, so manches Neues – vom Essen mit Messer und Gabel bis zum Handkäse – ist auch schon probiert.

Ihren eigenen Fangesang hat sie schon. „Chiba, Chiba, Chiba!“ ertönte zum ersten Mal ein Heimspiel gegen den SC Freiburg zum Ende der vergangenen Saison von den Rängen im Stadion am Brentanobad. Mit ihrem sehenswerten Volleyschuss beim 4:2-Sieg sicherte sich Remina Chiba nicht nur mit ihrem Team Platz drei in der Liga, sondern offensichtlich auch einen Platz in den Herzen der Fans. Nach Abpfiff gab es im Interview bei EintrachtTV auch die ersten Worte auf Deutsch: „Ich bin glücklich, dass ich getroffen habe.“ Seitdem lässt die athletische Offensivspielerin ihr Potenzial immer häufiger aufblitzen. Zuletzt traf sie beim Champions-League-Miniturnier doppelt gegen Minsk (6:0) und reihte sich auch bei ihrem Startelfeinsatz im DFB-Pokal gegen Erfurt (10:0) sowie als Jokerin in der Liga bei Bayer 04 Leverkusen (2:2) in die Torschützinnenliste ein.

Dabei war der Start in Frankfurt gar nicht so einfach für die junge Japanerin. Ohne ein Wort Englisch oder Deutsch zu sprechen, flog die damals 24-Jährige im Januar an den Main, um ihren ersten Vertrag in Europa zu unterschreiben. Neues Land, neue Sprache und neue Kultur – auch in den vermeintlich kleinen Dingen. „In Japan nutzen wir Stäbchen zum Essen, es ist immer noch ganz schön ungewohnt mit Messer und Gabel. Aber ich lerne, probiere und beobachte viel, wie die anderen es so machen“, erklärt die japanische Nationalspielerin mit einem Lächeln. Denn sie hat Lust, sich zu integrieren und auf Neues einzulassen. „Beim Mannschaftsabend im Sommer habe ich schon Handkäs‘ und Brezel mit Spundekäs‘ probiert, das war alles sehr lecker. Nur an den Apfelwein muss ich mich noch gewöhnen“, gibt sie lachend zu. Jetzt aber die Chance zu haben, in Deutschland zu spielen, sei schon immer ihr großer Traum gewesen.

Von Spundekäs, und Apfelwein bis Elektroherd und Deutschunterricht

In Fukushima geboren wuchs sie mit einer jüngeren Schwester und einem älteren Bruder auf – Letzterer war es auch, dem sie nacheiferte und mit dem Fußballspielen begann. Schnell wurde klar: Remina hat Talent. Mit 14 wurde sie zu ihrem ersten Lehrgang der japanischen U-Nationalmannschaft eingeladen. Mit 15 zog sie in ein Fußballinternat, ein Jahr darauf feierte sie ihren ersten großen Erfolg. Vor acht Jahren bei der U17-Weltmeisterschaft wurde Chiba als Jokerin Vize-Weltmeisterin in Jordanien – bei Deutschland verteidigten damals Tanja Pawollek und Sophia Kleinherne –, erst im Elfmeterschießen verlor der japanische Nachwuchs gegen Nordkorea. Zu der Zeit war Chiba auf der Highschool und spielte für Fujieda Junshin. Im dritten Jahr dort war die Angreiferin sogar Mannschaftskapitänin und trug dazu bei, dass die Schule bei der 26. Schulmeisterschaft zum ersten Mal ohne Gegentreffer die Meisterschaft gewann.

Es folgte das Traumdebüt in der höchsten japanischen Liga mit vier Toren in drei Spielen. Nach Abschluss des Studiums an der Universität Tsukuba, für die Chiba vier Jahre lang aufgelaufen war und mit einem Zweitspielrecht bereits Erfahrung bei den JEF United Chiba Ladies sammelte, folgte der komplette Wechsel zu dem japanischen Erstligisten, mit dem sie sich den Namen teilt. Im Frühjahr 2022 erzielte die Stürmerin in drei aufeinanderfolgenden Spielen vier Tore. Am 24. September desselben Jahres riss sie sich allerdings im Training das Kreuzband, schaffte ein Jahr später trotzdem den Sprung in den japanischen WM-Kader 2023. Im Herbst desselben Jahres hatte sie mit sieben Treffern entscheidenden Anteil an der Goldmedaille der Asienspiele, darunter auch das letzte Tor im Finale gegen Nordkorea (4:1).

Und so wurde man auch in Frankfurt auf das japanische Talent aufmerksam. „Als im Winter das Angebot von der Eintracht kam, habe ich mich sehr gefreut. Es war immer mein Traum, in Europa zu spielen“, erklärt sie stolz. Über Frankfurt habe sie schon damals einiges gewusst. „Ich wusste natürlich, dass Hasebe und Kamada dort spielen beziehungsweise gespielt haben und dass die Männer Europapokalsieger wurden. Aber auch bei den Frauen gab es in Frankfurt immer wieder sehr erfolgreiche Japanerinnen wie Kozue Ando oder Saki Kumagai. Ich wusste also, dass mich eine starke Mannschaft erwartet, mit der ich viel erreichen kann.“

In Frankfurt gab es dann sogar bei der Vertragsunterschrift die persönliche Begrüßung von Landsmann Makoto Hasebe. Beim Übersetzen konnte von Beginn an auch „Toshi“ Omagari aus dem medizinischen Team helfen, der – sei es im Training, bei Spielen oder auch abseits des Platzes – mit der Sprache unterstützt. „Ich habe aber von jedem im Team vom ersten Tag an gespürt, dass die Menschen hier auf mich zukommen und alle versuchen, mit mir zu kommunizieren und mich einzubeziehen, sei es mit Händen und Füßen oder Google Translator.“ Um sich aber wirklich integrieren zu können, nimmt Remina seit ihrem Wechsel Deutschunterricht bei einem Privatlehrer. An ihr erstes Wort erinnert sie sich noch genau: „Dankeschön“.

Sie vermisse neben Familie und Freunden vor allem ihren Hund (Foto), mit dem sie in Japan viel Zeit verbracht habe und um den sich nun die Familie kümmert. Und auch ein bisschen das japanische Essen: „Es gibt zwar viele gute Restaurants in Frankfurt, aber ich koche sehr gerne. In Japan kochen wir fast nur mit Gas, an den Elektroherd in meiner Wohnung muss ich mich noch etwas gewöhnen.“ All das sei aber ein kleiner Preis dafür, nun die Chance zu haben, sich in der deutschen Bundesliga beweisen zu können.

Ihr Wille, sich so schnell und gut wie möglich zu integrieren, passt zum Ehrgeiz, den sie sportlich mitbringt – national wie international. „Als ich klein war, habe ich 2011 im Fernsehen gesehen, wie mein Land Weltmeister wurde. In Deutschland. Das hat mich sehr beeindruckt und ich wusste: Ich möchte das irgendwann auch schaffen.“ Auch bei der Eintracht hat sie klare Ziele: „Stammspielerin werden und mit meinen Toren Spiele entscheiden.“