Mit dem Adler auf der Brust durch die ganze Welt

Durch das australische Outback, die größte Salzwüste der Welt in Bolivien und den Dschungel auf der westafrikanischen Insel São Tomé. An diesen und noch vielen weiteren Orten auf der Welt war Sascha Gramm schon unterwegs – und das zu Fuß.

Der Ultra- und Etappenläufer aus dem osthessischen Hainzell im Landkreis Fulda hat in diesem Jahr als erster Deutsche und als einer von acht Läufern weltweit die Continental Challenge absolviert. Das sind fünf Ultramarathons auf fünf Kontinenten und jeder einzelne Lauf ist dabei von individuellen und extremen Bedingungen geprägt.

Seit August 2022 startet der zweifache Familienvater und Betriebswirt für Eintracht Frankfurt, seine ersten Erfahrungen mit dem Extremsport machte er aber bereits viel früher, denn schon seit 30 Jahren ist Sascha Gramm leidenschaftlicher Läufer. Er bestritt im Laufe der Jahre zahlreiche Marathonläufe, versuchte sich im Triathlon und wagte sich 2018 dann an seinen ersten Etappenlauf in der Mongolei. 250 Kilometer lief er durch die Wüste und kam schließlich als bester deutscher Läufer ins Ziel: „Dadurch habe ich Blut geleckt und mich immer weiter herangetastet und so hat sich alles im Laufe der Zeit entwickelt“, berichtet der Lauftrainer, der heute auch Impulsvorträge über seinen Sport für Unternehmen anbietet.

Langsam, aber sicher nimmt daraufhin sein Traum Gestalt an, die Continental Challenge zu bewältigen. Den Start macht er im Jahr 2019 mit dem längsten Etappenlauf der Welt als Selbstversorger: 522 Kilometer durch das australische Outback, allein die letzte Etappe besteht aus 140 Kilometern am Stück – und das bei Temperaturen von bis zu 50 Grad. Er kommt als Zehnter ins Ziel. Es folgen weitere Extremläufe der Rennserie und Sascha Gramm wird unter anderem Zweiter beim „Ultra Africa“ in Mosambik, Zweiter beim „Ultra Bolivia“ durch die höchstgelegene Salzwüste der Welt und Dritter beim „Ultra Asia“ in Vietnam. Dazwischen bestreitet er immer wieder auch andere Etappenläufe und Ultramarathons rund um den Globus. Es ist eine Leidenschaft, die Unmengen an Ehrgeiz, Verzicht, Motivation und Durchhaltevermögen benötigt. Und vor allem eine Familie und ein Umfeld, die ihn unterstützen, denn die Vorbereitung auf die Läufe beginnt für den Eintrachtler in den eigenen vier Wänden. Mit beispielsweise einem Höhengenerator, entsprechenden Höhentrainings und Medizinchecks bereitet er sich auf das extreme Klima in den Destinationen vor. Vor seinem Lauf in Bolivien schlief er zum Beispiel bereits im Vorfeld in einem Höhenzelt in seinem Sportkeller, um seinen Körper darauf einzustimmen. „Meine beiden Töchter wollten mich nicht allein lassen und haben abwechselnd ihr Nachtquartier neben dem Zelt bezogen“, berichtet Sascha Gramm, für den die Unterstützung und das Mitfiebern der Familie elementar wichtig sind. „Die Mädels basteln mir immer Armbändchen oder statten mich mit anderen Glücksbringern aus. Für die finde ich immer Platz im Rucksack, auch wenn da ja einiges für die Selbstversorgung rein muss.“ Vom Schlafsack bis zum Essen für den gesamten Zeitraum – alles trägt Sascha Gramm bei den Etappenläufen bei sich. Das meiste ist komprimiert, damit es in den Rucksack passt. Die Mahlzeiten bestehen überwiegend aus Haferflocken und Kaffee zum Frühstück, Nüssen und Datteln für unterwegs sowie einer einfachen Outdoor-Nahrung am Abend. Übernachtet wird in Zelten an den Etappenzielen der Strecke.

Nach den bereits absolvierten Rennen in Australien, Mosambik und Bolivien wartete 2022 dann schließlich das Europa-Rennen in Norwegen auf Sascha Gramm. Dort erlebt er jedoch einen großen Rückschlag. Er verliert in den Lyngenalpen bei sehr schlechten Witterungsbedingungen sein GPS-Signal und somit die vorgegebene Route. Da inmitten der hohen Felsen auch kein Handynetz vorhanden ist, beschließt er in Richtung Tal abzusteigen, um ein Telefonat tätigen zu können. Hierbei hat er mit permanenter Nässe und damit verbundener Kälte, Orientierungslosigkeit und schließlich auch Halluzinationen zu kämpfen. Nach über 41 Stunden kann er einen Notruf absetzen und wird schließlich mit einem norwegischen Militärhubschrauber geborgen. Trotz dieser extremen Erfahrungen bleibt seine mentale Stärke stets bemerkenswert: „Es ist wie der Reiter, der vom Pferd fällt. Da ist mir etwas passiert und entweder ich steige danach wieder auf oder ich verkaufe mein Pferd.“ Sascha Gramm entschied sich für das Weitermachen und meldete sich für den nächsten Lauf am Nordrand des Grand Canyon an. 2023 schlossen sich die Rennen in Vietnam und Bhutan an.

Dieses Jahr wagte er dann einen nächsten Anlauf in Norwegen – mit Erfolg: Im Juli erreichte er das Ziel an der berühmten Brücke von Tromsø: „Das war ein ganz besonderer Zieleinlauf. Nicht nur von dem Lauf in Norwegen, sondern von der ganze Continental Challenge. Ich hatte Gänsehaut am ganzen Körper. Die Tränen liefen einfach die Wangen runter“, erinnert sich der Extremsportler. Aber was motiviert einen Menschen, derart an seine Grenzen zu gehen und tagelang auf sich allein gestellt an abgeschiedenen Orten unterwegs zu sein? „Es ist das scheinbar Unmögliche, das durch detaillierte Planung und hartes Training doch möglich wird“, erklärt er. Der Gedanke, dass der Mensch körperlich und mental mehr schaffen kann, als er oft glaubt, treibe ihn an. Außerdem seien die Begegnungen mit den Menschen vor Ort, das Erleben der Natur und der Austausch zwischen den Kulturen etwas ganz Besonderes. In Mosambik hat Sascha Gramm zum Beispiel mit einer Gruppe Kindern das Fliegerlied gesungen, im Himalaya bestritt er mit seinen Laufkollegen ein Fußballspiel gegen Jungmönche. „Das sind Momente, die machen es einfach aus.“ Und gleichzeitig bringen sie den Adlerträger auch ein Stück weit wieder auf den Boden der Tatsachen zurück: „Du änderst dein Verhalten auch nach dem Lauf langfristig und entwickelst wieder eine ganz andere Wertschätzung für Dinge wie beispielsweise Wasser und Nahrung.“

Seit zwei Jahren startet Sascha Gramm bei seinen Ultramarathons nun für die Leichtathletik-Abteilung von Eintracht Frankfurt. „Sein“ Verein begleitet ihn aber schon sein ganzes Leben lang: „Ich habe noch eine selbst genähte Eintracht-Fahne von meiner Mutter. Die habe ich zum siebten Geburtstag bekommen. Darauf haben bei einem Benefizspiel in den 1980er Jahren in Fulda Eintracht-Legenden wie Andy Möller und Uli Stein unterschrieben.“ Solche Dinge werden ihm immer im Gedächtnis bleiben. Heute trägt Sascha Gramm den Adler nicht nur im Herzen, sondern auch auf dem Trikot durch die ganze Welt – als bisher einziger Deutsche im „Continental Challenge Club“.

Continental Challenge

   fünf Ultra-Läufe auf fünf Kontinenten

   erst acht Menschen weltweit haben diese Challenge absolviert

   jeder der Läufe zeichnet sich durch individuelle und besondere Bedingungen aus (Hitze, Kälte, Höhe, gewaltige Landschaft)

Sascha Gramm bei der Continental Challenge

   2019: „The Track Australia” im australischen Outback (522 Kilometer): 10. Platz, bester Deutscher

   2019: „Ultra Africa Race” in Mosambik (230 Kilometer): 2. Platz

   2021: „Ultra Bolivia Race” durch die größte Salzwüste der Welt (220 Kilometer auf 4.000 Höhenmetern): 2. Platz

   2023: „Ultra Asia Race“ in Vietnam (160 Kilometer): 3. Platz

   2024: „Ultra Norway” in Norwegen (140 Kilometer, bis zu 9.000 Höhenmeter): 4. Platz