„Ich versuche, ein ehrlicher Spieler zu sein“
Dynamisch, wuchtig, immer mit viel Leidenschaft auf und neben dem Platz. Das ist Rasmus Kristensen, der 27-jährige Rechtsverteidiger. Seit Sommer dieses Jahres ist Kristensen ausgeliehen von Leeds United und läuft für die Adlerträger auf. Kristensen stammt aus Brande in der Nähe von Herning, dem Spielort bei Eintrachts Auswärtsspiel beim FC Midtjylland kürzlich in der Ligaphase der UEFA Europa League. Die „Eintracht vom Main“-Redaktion und EintrachtTV haben sich in Brande sowie bei seinem ersten Profiklub FC Midtjylland umgeschaut und sich mit alten Weggefährten getroffen. Dazu spricht Kristensen selbst über seine Kindheit, seine Heimat und seine fußballerischen Wurzeln.
Die Reportage aus Mitteljütland/Dänemark.
Reportage: Michael Wiener
Interviews: Lars Weingärtner, Michael Wiener
Fotos: Max Galys, Bianca Jockel, Martin Ohnesorge, Felix Leichum
26. September, die 67. Spielminute gegen Viktoria Plzeň, die Eintracht führt zum Auftakt der UEFA Europa League 2024/25 mit 2:1 gegen die Tschechen im Deutsche Bank Park. Nach einem Eckball und Tohuwabohu im Strafraum der Gäste fällt Rasmus Kristensen das Leder vor die Füße, aus zwölf Metern zieht er ab, der Ball geht durch Freund und Feind hindurch ins Netz. 3:1. Kristensen dreht ab, jubelt mit Omar Marmoush im Luca-Toni-Ohrschrauber-Stil, lässt sich feiern. Und feiert sich selbst. Stadionsprecher Daniel Wolf lässt seinen Nachnamen rufen, da steht der Däne auf dem Rasen, klatscht noch mit Junior Dina Ebimbe ab. Dann ballt er erst eine Faust, dann beide, wirft sie in alle Richtungen, schreit seine Freude heraus. Mit Blick nach unten, mit Blick nach vorne. Freude pur mit einer gehörigen Portion Aggressivität beim Mann mit der Nummer 13, der hier seinen ganzen Emotionen freien Lauf lässt. In 15 Sekunden, die als Video viral gehen sollen später, zeigt sich, warum schon mehrere Trainer sagten, dass seine Emotionen das ganze Team pushen.
Szenenwechsel. Brande in Dänemark. Ein verschlafenes 7.000-Einwohner-Städtchen in Mitteljütland. Ein grauer Herbsttag. Die Geschäfte auf der Hauptstraße sind kaum besucht, ein paar Menschen schlendern durch die Gassen. Es gibt eine Kirche, ein Museum, ein Hotel und eine Hochschule, mit der Bahnlinie vom schmucken Bahnhof kann man in rund drei Stunden nach mehreren Umstiegen die deutsche Grenze erreichen. An dem gleichnamigen Fluss Brande führen einige Spaziergänger ihre Hunde aus. Der Marktplatz ist schon weihnachtlich geschmückt, ebenso wie fast jeder Absperrpfosten. An der Ecke ist das Vagn’s, eine kleine Kneipe; weil Rasmus Kristensen hier mal seine Mannschaftskameraden ausführte, ist einer seiner Spitznamen nun Vagn’s. Für die Größe des Orts gibt es relativ viel Industrie. Die Windkraftanlagen werden mittlerweile unter dem Dach von Siemens her- gestellt, mit „Bestseller“ ist ein großes dänisches Modeunternehmen angesiedelt. Dennoch geht es gemütlich zu. Die Umgehungsstraße führt östlich um den Ort herum, nach einer knappen halben Stunde Autofahrt kann man mit Herning die nächstgrößere Stadt erreichen. Das ist Brande, der Geburtsort von Rasmus Kristensen, über den er selbst sagt: „Brande ist klein, aber schön, vielleicht auch ein bisschen langweilig.“
Legt man den emotionalen Jubel von Rasmus Kristensen und Bilder seiner Heimat übereinander, spürt man die Gegensätze. Hier der dynamische Wikinger, der vor Energie strotzt, der Torerfolge ebenso abfeiert wie eine gelungene Abwehraktion, eine erfolgreiche Grätsche oder einen wichtigen Ballgewinn. Dort der unspektakuläre Ort, in dem die Straßen immer frei zu sein scheinen und in dem so schnell niemand etwas aus der Ruhe bringt. Wer Action und Party möchte, fährt nicht nach Brande.
Freilich verhindert der Ort an sich es auch nicht, dass hier Profikarrieren starten. Rasmus Kristensen ist nicht der erste Fußballer, der es bis in die höchste dänische Liga und andere europäische Topligen schafft.
Heute ist Rasmus Kristensen 27 Jahre alt und spielt seit Sommer in der Mainmetropole. Er ist ausgeliehen von Leeds United, die im vergangenen Jahr aus der Premier League abgestiegen waren. Eine Oberschenkelverletzung bremste Kristensen im November aus, ansonsten ist der Rechtsverteidiger bei Cheftrainer Dino Toppmöller immer gesetzt. Bis zum Redaktionsschluss gelangen ihm ein Tor und ein Assist, beide gegen Pilsen in der UEFA Europa League. In der dänischen Nationalmannschaft zählt er seit drei Jahren regelmäßig zum Kader, den er auch bei der Europameisterschaft in Deutschland in diesem Jahr verstärkte. Die Eintracht ist seit seinem Weggang aus der Heimat der fünfte Klub im fünften Land.
Es ist Herbst in Brande, in wenigen Tagen spielt die Eintracht gegen den FC Midtjylland. Eine lange Straße führt in Richtung des Sportgeländes Brande Idrætsforening. Links Wohnhäuser des dänischen Mittelstands, rechts zunächst ein Kindergarten. Dann erstreckt sich parallel zur Straße, geschützt von einer langen Baumreihe, der Hauptplatz des Sportgeländes. Muggi Laugesen zeigt den Besuchern aus Frankfurt die Heimat des Brande IF. Laugesen war hier der erste Trainer von Rasmus Kristensen. Er ist nicht mehr im Verein tätig, hat hier nur ein paar Jahre als Trainer gewirkt, als seine Söhne hier spielten. Einer von ihnen ist in Rasmus‘ Alter, daher trainierten Laugesen und Rasmus’ Vater gemeinsam die Mannschaft der Söhne. Laugesen schließt das Vereinsheim auf, ein für einen Dorfverein riesiges Gebäude.
Der Brande IF wurde 1906 gegründet und hatte unter seinem Dach einst auch Turner, Leichtathleten, Handballer sowie Ski- und Orientierungsläufer. Heute ist es ausschließlich ein Fußballverein, der sich mit seinen zahlreichen Mannschaften – allein 15 in der Jugend, drei bei den Männern und die Old Boys – zumeist in den Niederungen des dänischen Amateurfußballs aufhält. Die eigene Sportanlage liegt am Ortsrand, seit über 70 Jahren am heutigen Standort. Die letzte größere Baumaßnahme am Vereinsheim liegt über ein Vierteljahrhundert zurück, als Tagungsräume und ein großer Bankettsaal das Portfolio erweiterten.
Dass es im Vereinsheim nicht nach Amateurfußball riecht, kann nur der Tatsache geschuldet sein, dass die Winterpause im dänischen Spätherbst schon Einzug gehalten hat. Im Eingangsbereich hängt eine Tafel mit den Werten des Vereins, dazu ein Fernseher, der anzeigt, welche Mannschaft in welcher Kabine untergebracht ist. Zehn Umkleideräume stehen zur Verfügung. „Hier sieht‘s noch genauso aus wie vor 20 Jahren“, sagt Laugesen, als er einen der Räume betritt und sich Heizung, Kleiderständer und Duschköpfe ansieht. Auf dem Gang steht ein Tischkicker, an der Wand hängen Ta- feln mit den erfolgreichsten Spielern, Torschützen und Newcomern der vergangenen
Jahre. Im Obergeschoss hat der Vorstand sein Büro, hinter dem Bankettsaal lädt eine Terrasse zum Blick auf die zahlreichen Trainingsplätze ein.
Muggi Laugesen ist früher als Lkw-Fahrer viel rumgekommen, Deutschland und die Schweiz waren oft Zielorte. Er kann zu jedem Rastplatz in Hessen eine Geschichte erzählen – auf Deutsch, denn „das habe ich bei den Pausen und beim Abladen gelernt“. 1997 ist er nach Brande gekommen, mittlerweile führt er dort die Firma seines Schwiegervaters weiter. Zwischenzeitlich war er Fußballtrainer, coachte mit Jens Kristensen einen „starken Jahrgang 1996/97“, in dem deren Söhne – unter anderem Rasmus – für Furore sorgten. „Wir haben den BIF-Cup gewonnen, ein Turnier, das wir jedes Jahr in Brande ausrichten. Ein toller Erfolg für die Mannschaft“, erzählt Laugesen.
Der 57-Jährige sitzt mittlerweile auf der kleinen Tribüne am Hauptplatz. Die Leichtathletikbahn ist zugewachsen, die mobilen Sitzplätze für die Auswechselspieler stehen umgekippt an der Balustrade. Alle Plätze sehen gepflegt aus. Laugesen spricht hier über die Zeit, als Kristensen zehn, elf Jahre alt war. „Rasmus war natürlich besser als die anderen. Aber man hat es ihm nicht angemerkt. Er war und ist immer bodenständig. Er hat auf vielen Positionen gespielt, auch im Tor. Nur als Verteidiger habe ich ihn nicht gesehen“, lacht Laugesen, der auch betont: „Seine Eltern waren immer dabei, sie haben ihn immer unterstützt. Nicht nur sein Vater als Trainer, sondern immer.“
Fußballverein, Schule, Elternhaus – all das liegt nicht mal 200 Meter auseinander. Hier verbringt Rasmus Kristensen seine Kindheit, hier kickt er täglich mit den Jungs, hier legt er den Grundstein für seine Karriere. Der Profi sagt heute darüber: „Meine Kindheit war perfekt. Ich hatte alles, was ich gebraucht habe, und noch ein bisschen mehr. Ich kann sehr dankbar sein, auch meinen Eltern. Sie haben mich immer unterstützt.“ Sie haben sicherlich Anteil daran, dass Kristensen kein Handballer geworden ist. „Wir haben im Winter auch viel Handball gespielt, meine Schwester macht es heute noch. Für mich gab es aber irgendwann nur noch Fußball.“
Fußball spielt Kristensen vereinsmäßig irgendwann nicht mehr in Brande, um sein Talent voll auszuschöpfen. Der Weg ist vorgezeichnet, denn der Brande IF ist Kooperationspartner vom FC Midtjylland. Die Zusammenarbeit mit diesen kleineren Vereinen ist dem FCM sehr wichtig, sagt Søren Bjerg. „Das ist unser Fundament, darauf basiert unsere Akademie. Wir wollen möglichst vielen Kindern ermöglichen, für den FC Midtjylland zu spielen. Andersherum wollen wir den Vereinen auch etwas zurückgeben, haben damals beispielsweise ein Sommerspiel in Brande gemacht“, erzählt der 40-Jährige, der seit sieben Jahren Chefanalytiker des FCM ist. Davor war Berg Jugendtrainer in der Akademie und damit auch erster Coach von Rasmus Kristensen beim FC Midtjylland.
Der FC Midtjylland ist ein Zusammenschluss aus zwei Vereinen, die heute noch eigenständig Jugendarbeit betreiben: Herning Fremad und Ikast FS aus den zwei rund zehn Kilometer entfernten Städten. In Herning steht heute die etwa 12.000 Zuschauer fassende MCH Arena, in der der FCM vor wenigen Jahren auch mal Champions League gegen den Liverpool FC spielte. Dagegen befindet sich die frisch renovierte Akademie des FCM in Ikast. Der 1999 erfolgte Zusammenschluss führte zum Fußballclub Midtjylland und ist damit nach der in Dänemark zentral gelegenen Region benannt, in der rund 1,4 Millionen Menschen auf einer Fläche der Größe Schleswig-Holsteins leben – mit nicht mal halb so vielen Einwohnern.
20 Jahre besteht die Akademie des FCM, und fast genauso lang arbeitet Søren Bjerg schon dort. „Der Verein ist meine zweite Familie, es ist ein Familienverein in einer Kleinstadt. Hier kennt man sich, man kennt die Klassenkameraden seiner Kinder, es ist sehr persönlich. Das halte ich für einen großen Vorteil im Jugendfußball“, erzählt er im Gespräch in der MCH Arena und bezeichnet die Akademie als „Prunkstück des FCM“. Man lege viel Wert darauf, dass die Spieler nicht nur sportlich, sondern auch menschlich wachsen. Das betont auch Rasmus Kristensen: „Auch wenn du das höchste Niveau nicht schaffst, machst du trotzdem eine tolle Karriere im Leben.“ Über Brande und den Fußballverein sagt Berg: „Sie haben dort sehr gute Leute, gute Werte wie harte Arbeit und Bescheidenheit. Wir schätzen die Arbeit dort sehr.“
Es sind genau die Werte, mit denen Kristensen auch in Frankfurt auftritt. Als harter Ar- beiter, leidenschaftlicher (Zwei-)Kämpfer, immer freundlich, bescheiden bei Sieg und Niederlage. Beispiele außerhalb der 90 Minuten gefällig? Bei der Pressekonferenz einen Tag vor dem Spiel beim FC Midtjylland begrüßt Kristensen alle Journalisten per Hand- schlag, flachst hier und da, freut sich über seine Rückkehr. Nach dem 0:3 in Leipzig sieht man den Dänen mit seinen Teamkollegen in Richtung Frankfurter Kurve laufend, beide Arme als Zeichen der Entschuldigung für die Leistung der gesamten Mannschaft langsam nach oben und unten bewegend, den Kopf gesenkt; die Enttäuschung steht dem 27-Jährigen ins Gesicht geschrieben.
Berg hat Kristensen als Teenager kennengelernt, als er noch Lehrer war. „Plötzlich war da dieser neun- oder zehnjährige Junge, der herumrannte und schrie. Ich sagte: ‚Beruhige dich, Kumpel‘. Ein Jahr später kam er zum Probetraining zu uns. Er war eine klare Wahl für uns.“ Auf dem Platz habe man früh „seine Kraft, seinen Charakter und seine Persönlichkeit“ gesehen. „Es ist selten, dass man Spieler in diesem jungen Alter mit einem solchen Charakter sieht. Es gab Leute, die waren skeptisch, sagten: Dieser Typ schreit nur herum, er grätscht hart, er ist sehr körperbetont. Aber wo sind seine fußballerischen Fähigkeiten?“
Genau das bauten sie beim FC Midtjylland mit einem kleinen Trick aus. „Wir hatten viele Diskussionen um seine Position. Er war früher inspiriert von seinem Cousin Leon, der zu dieser Zeit als linker Verteidiger in Midtjylland spielte [2010 wechselte Leon Jessen zum 1. FC Kaiserslautern; Anm. d. Red.]. Wir wussten, dass er seine Technik und seine Beweglichkeit entwickeln musste. Wir entschieden, als er etwa 14 oder 15 Jahre alt war, dass er im zentralen Mittelfeld spielen sollte. In diesem 360-Grad-Bereich würde er seine Fähigkeiten verbessern.“
Auch später wurde er vielseitig eingesetzt, und das aus Bergs Sicht beste Spiel in der Jugend machte Kristensen am 10. Februar 2016. UEFA Youth League, Zwischenrunden-Entscheidungsspiel gegen Atlético, Kristensen läuft als Kapitän im zentralen Mittelfeld auf. „Er spielte als Sechser oder Achter, er dominierte den Platz. Wie er tackelte, wie er seine Mitspieler anfeuerte und wie er den Druck kontrollierte – niemand hatte den geringsten Zweifel, wer der Chef auf dem Platz war“, schwärmt Berg. Kristensen bereitet zwei Tore vor, Midtjylland kommt im Elfmeterschießen weiter. Der damals 18-Jährige, vorher schon im Profikader, spielt nur noch einmal in der U19 – ansonsten wird er fortan bei den Senioren gebraucht.
Heute spiele Kristensen die Position, „die am besten zu ihm passt: Rechtsverteidiger“, sagt Berg. Man tausche sich regelmäßig aus, ehrlich und professionell. „Manchmal scherze ich mit ihm, dass er in der Dreierkette als rechter Innenverteidiger noch besser wäre. Manchmal stimmt er zu, manchmal nicht“, schmunzelt Berg.
Im EintrachtTV-Format „Game Vision“ hat Kristensten kürzlich erklärt, wie er seine Rolle auf dem Platz sieht und welche Stärken er reinwirft. „Die Position ist sehr komplex. Du hast es im Eins-gegen-eins schwer, weil der Gegner die meiste Qualität auf dem Flügel hat, schnell und dribbelstark ist. Du musst viel laufen, hast viele lange Sprints.“ Er wünsche sich immer, dass „ich nah dran bin. Dann kann ich meinen Körper und meine Kraft nutzen. Antizipieren, eng dran sein, aggressiv, mit dem Körper reingehen, den Ball immer im Blick haben“, beschreibt Kristensen, der in der Sendung auch eine Szene gezeigt bekommt, als er kurz vor Schluss noch einen Sprint über das halbe Feld absolviert, um einen gegnerischen Angriff zu stoppen. „Das ist nur mental. Das ist meine Arbeit“, sagt er bescheiden. Als den besten Spieler der Welt auf seiner Position nennt er Kyle Walker von Manchester City, ihm imponiert insbesondere dessen Schnelligkeit.
Zwischen dem FC Midtjylland und Eintracht Frankfurt lagen für Rasmus Kristensen einige Stationen im Ausland. Mit Ajax Amsterdam und Salzburg holte er jeweils das Double und spielte in der Champions League, danach ging es zu Leeds United. Die Engländer stiegen 2023 ab und gingen dieses Jahr in das zweite Jahr Championship. Einer Leihe zur AS Roma folgte eine ebensolche zur Eintracht. Bei der Roma trainierte er unter José Mourinho. „Einer der besten Trainer, die ich kenne. Immer ehrlich und fair“, sagt Kristensen. Sein erster Proficoach in Dänemark ist übrigens der heutige Augsburger Jess Thorup.
Mit der Eintracht kehrte Rasmus Kristensen kürzlich nach Mitteljyland zurück, bei seinem Comeback im Kader nach seiner Oberschenkelverletzung. Neben den Erlebnissen auf der Pressekonferenz bleiben freilich zwei Momente in besonderer Erinnerung: der herzliche Empfang beim Warmmachen und bei seiner Einwechslung. „Ich habe diese Reaktionen nicht erwartet. Ich bin sehr dankbar dafür. Das zeigt, dass ich hier etwas richtig gemacht habe. Ich habe immer alles gegeben. Diese Momente werde ich nie vergessen. Insbesondere für meine Eltern war das sehr emotional“, erzählt Kristensen, der den FCM „immer in meinem Herzen“ trägt.
Einer, der diese Momente – und viele andere tolle Momente mit Kristensen – erlebt hat, ist Kristian Bach Bak. Der 42-Jährige hat über 300 Spiele für den FCM absolviert, wurde Meister mit dem Klub, war später Co-Trainer in Midtjylland und ist seit zwei Jahren Vizedirektor Fußball bei den Dänen. Bis auf eine kurze Unterbrechung beim SC Heerenveen in den Niederlanden ist er seit einem Vierteljahrhundert in Mitteljütland. Er sagt Sätze wie „wir wollen unsere Gegner besiegen, indem wir anders denken und ein bisschen härter arbeiten“ und „einer unserer wichtigsten Werte ist, immer größer zu denken“. Als Ex-Nationalspieler und Kapitän weiß er um die Wichtigkeit von Führungsspielern – und er kennt freilich Rasmus Kristensen sehr gut.
Bach Bak lernt Kristensen kennen, als dieser „mit 17 oder 18 Jahren zu den Profis kam“. Viele junge Spieler brauchen Zeit, um sich anzupassen. „Das war bei Rasmus anders. Er wusste genau, worin er gut war, und war auch außerhalb des Platzes sehr kommunikativ.“ Seine Energie und sein Kampfgeist „haben Rasmus dahingebracht, wo er jetzt ist. Das war auch schon damals so. Er ist Kämpfer, Teamplayer. Er stellt immer das Team an erster Stelle, jubelt mit den Fans und feiert mit dem Torschützen. Wenn jemand in der Kabine alleine in der Ecke sitzt, geht er zu ihm und spricht mit ihm. Er mag es, mit allen Menschen zusammen zu sein. Er gibt seine Energie an andere weiter.“
Das ist exakt Kristensens Zielsetzung als Fußballer. „Ich bin kein spektakulärer Spieler. Aber alle sollen sehen, dass ich alles für den Verein gebe und wir als Team erfolgreich sind. Ich versuche, ein ehrlicher Spieler zu sein.“ Die Fans nehmen es Kristensen ab, geben ihm das zurück, was er gibt. Dann fühlen sich alle wohl dabei. „Das ist wichtig für mich, für meine Familie. Das ist in Frankfurt absolut gegeben, es ist richtig, richtig gut hier. Alle sind supernett und hilfsbereit.“
Doch woher kommt diese Energie, vor der Kristensen nur so strotzt? Kristian Bach Bak beschreibt es so: „Ich zweifle nicht eine Sekunde daran, dass das von seinen Eltern und seiner Familie kommt. Er stammt aus einer ganz besonderen Familie. Sie haben ihm die richtigen Werte vermittelt, sie halten ihn auf dem Boden. Sie haben immer auf Augenhöhe mit uns gesprochen, denn wir sind alle Bauern. Wir nennen das hier so, in dieser Gegend, auch wenn wir keine Landwirtschaft betreiben. Sie vergessen nie, wo man herkommt.“
Rasmus Kristensen kommt aus einer fußballbegeisterten Familie. Vater Jens war ebenso Profi wie Onkel Sigurd (unter anderem Sturm Graz), Rasmus‘ Neffe spielt in der FCM-Akademie in der U17. Cousin Leon Jessen war fünf Jahre für Kaiserslautern und Ingolstadt am Ball. „Alle haben diese Werte von harter Arbeit und vielem mehr“, sagt Bach Bak. Alle kommen aus Brande.
Rasmus Kristensens Spielweise, seine Art, seinen Impact auf das Spiel – „all das passt perfekt zur Eintracht, und umgekehrt genauso“, ist sich Bach Bak sicher. In Midtjylland war und ist Kristensen Publikumsliebling. „Er hat vielleicht nicht so viele Spiele gemacht. Aber sein Einfluss war enorm. Er war der Typ Spieler, der nur fünf Spiele absolvieren musste, und das gesamte Stadion war außer sich, sobald er den Platz betrat. Als er sein erstes Tor erzielte, rannte er um das ganze Stadion, und die Fans haben ihn einfach geliebt.“
Das erste Tor von Rasmus Kristensen bleibt den Eintracht-Fans ebenso gerne in Erinnerung. Zumindest seine Reaktion, denn ein Kurzclip dazu ist weiterhin sehr schnell auffindbar im Internet.