Unser Wohnzimmer wird 100!
Serie, Teil 1 und 2
Drei Tage vor Heiligabend hat Eintracht Frankfurt das 940. Heimspiel seit Bundesligagründung bestritten. Gegen Ende 2027/28 wäre demnach der 1.000. Auftritt im Oberhaus fällig, eine Schallmauer sondergleichen. Gleichzeitig steht das einstmalige Waldstadion seit seiner Einweihung am 21. Mai 1925 für weit mehr als Fußballwunder und Adlerherzen. Bis zum 100-jährigen Bestehen betrachtet die „Eintracht vom Main“ die Sport- und Begegnungsstätte im Herzen von Europa aus zehn Blickwinkeln, jeweils zwei pro Ausgabe. Darunter sind die wichtigsten Entwicklungen eines Jahrhunderts sowie Parallelen zur Gegenwart und nahen Zukunft. In dieser Ausgabe: Teil 1 und 2.
1 Gedanken an ein Waldstadion
Hauptursächlich für die Idee, in der Nähe des Oberforsthauses auf dem Gelände einer ehemaligen Militärschießanlage einen Sportpark zu errichten, waren die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit, die 1896 in Athen stattgefunden hatten. In Frankfurt gab es 1897 erste Diskussionen, derlei Sportbegeisterung am Mainestrand eine Bühne zu bieten. Daraus wurde zwar nichts, aber der Sport hatte sich trotzdem mehr in den gesellschaftlichen Vordergrund gedrängt. Der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 beendete allerdings erst einmal alle Gedankenspiele wohlhabender Frankfurter Bürger abrupt.
„Stadtamt für Leibesübungen“ entwickelt die ersten Sportparkpläne
Dem Krieg folgte ein Sportboom, der die Mitgliederzahlen aller Vereine nach oben katapultierte. Die Stadt Frankfurt reagierte 1920 mit der Bildung eines „Stadtamtes für Leibesübungen“, welches sich um den neuen Trend kümmern sollte. Dort entstanden auch erste konkrete Planungen für einen neuen Sportpark, für den nach längerer Suche schließlich der Platz im Stadtwald auserkoren wurde. Am 25. August 1921 beschloss die Stadtverordnetenversammlung im Römer dessen Bau. Geplant wurden zunächst auf dem 42 Hektar großen Gelände das eigentliche Stadion mit 37.000 Zuschauerplätzen, ein Turn- und Festplatz, ein Radstadion sowie ein Schwimmbad. Doch Finanzkrisen, Inflation und Währungsreform brachten die Arbeiten zunächst ins Stocken. Die Bauarbeiten bekamen mit dem Beschluss neuen Schwung, die erste internationale Arbeiterolympiade 1925 in Frankfurt auszurichten.
2 Waldstadion im Wandel
Die Entwürfe stammten von Gartenbaudirektor Max Bromme für die Gesamtanlage und von Stadtbaurat Gustav Schaumann für das Tribünengebäude. Die Gesamtkosten betrugen 3,7 Millionen Mark. Die Tribünen bestanden überwiegend aus Erdaufschüttungen unter Miteinbeziehung des ehemaligen Kugelfangs für die Südtribüne. Lediglich die Haupttribüne an der Nordseite bestand aus Stahlbeton und hatte eine einem antiken griechischen Theater nachempfundene Fassade. Am 21. Mai 1925 wurde das Stadion, bestehend aus einem 120 Meter langen Tribünen- und Verwaltungsgebäude sowie dem von einer 500 Meter langen Laufbahn umgebenen Rasenplatz, offiziell eröffnet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmte die amerikanische Besatzungsmacht das gesamte Areal im Stadtwald, benannte es um in Victory Park und ließ nur selten Sportveranstaltungen zu, ehe die Radrennbahn, die Tennisanlagen und die Wintersporthalle im Jahr des Deutschen Turnfestes 1948 zurück in Frankfurter Hand ging. Am 7. Juni 1950 zog sich die Siegermacht komplett zurück, Frankfurt hatte seinen Sportpark namens Waldstadion wieder. Aus Kapazitätsgründen plante das Gartenamt 1953 eine deutliche Erweiterung, nachdem am 17. Mai beim Spiel der Eintracht gegen den 1. FC Kaiserslautern fast 70.000 Karten für die Arena mit ihren 55.000 Plätzen verkauft worden waren. Rund 200 verletzte Stadionbesucher waren die Folge. Das neue Stadion sollte laut Plan Platz für 87.200 Zuschauer bieten, davon 16.000 Sitzplätze und 71.200 Stehplätze. Am 14. Mai 1955 wurde das zweitgrößte Stadion Deutschlands mit einem großen Programm eingeweiht.
Der zweite große Umbau des Waldstadions wurde zur Fußballweltmeisterschaft 1974 erforderlich. Nach der erfolgreichen Bewerbung als Ausrichterstadt 1968 verging ein Jahr, um die notwendig gewordenen Modernisierungsmaßnahmen am letztmals bis 1955 sanierten Waldstadion auszuarbeiten. Der Startschuss des Ausbaus erfolgte nach diversen Zwistigkeiten 1972. Dann aber gab es kein Zurück mehr. Oder wie aus dem Programmheft „Das Frankfurter Waldstadion“ anlässlich der offiziellen Eröffnung am 27. März 1974 zu entnehmen ist: „Das Wörtchen Umbau, unter dem die Arbeiten [...] firmierten, ist vornehmes Understatement angesichts dessen, was tatsächlich geschah. Der Begriff Neubau würde den Kern der Dinge eher treffen.“
Das Gemeinschaftswerk des Dezernats Soziales und Freizeit, des Sport- und Badeamts und der Stadion GmbH hoben ihrerzeit hervor: „Hier ist nicht eine 60.000-Mann-Arena beziehungslos in die Landschaft gesetzt worden, sondern hier ordnet sie sich in einen ganzen Sportkomplex ein, der allen offensteht und der alle ansprechen soll.“
Bis zu 87.200 Zuschauer, drei große Umbauten und viele optische Anpassungen seit 2020
Anlass für die nächste Modernisierung, die rückblickend einmal mehr eher einem Neu- als einem Umbau gleichkam, war die Fußballweltmeisterschaft 2006. Stück für Stück, Seite für Seite, wurden die alten Ränge und Tribünen abgerissen und durch neue ersetzt. Das Waldstadion wurde ein reines Fußballstadion, die alte Laufbahn entfiel, die Zuschauer rückten dadurch ein ganzes Stück ans Spielfeld. In die Haupttribüne wurden 76 Logen, 2.200 lederne Business-Seats und große VIP-Räume eingebaut. Der Komfort für zahlungskräftige Besucher erhöhte sich enorm, zumal unter der Arena eine riesige Tiefgarage rund 1.800 Autos Platz bot.
Ein weiteres bis heute erhaltenes Merkmal war das riesige Zeltdach, das in knapp 20 Minuten über dem Spielfeld geschlossen werden kann. Die Rede war allenthalben vom „größten Cabrio der Welt“, das am 15. Juni 2005 mit dem Confed-Cup-Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und Australien das Licht der Fußballwelt erblickte.
Als Eintracht Frankfurt 1. Juli 2020 Hauptmieter des nun Deutsche Bank Park heißenden Stadions wurde, war dies zugleich der Startschuss, die Spielstätte Schritt für Schritt für aktuell 58.000 Besucher zugänglich zu machen, in der Nordwestkurve aus drei Rängen zwei und daraus die zweitgrößte Stehplatztribüne der Bundesliga zu machen sowie das sportliche Zuhause in den Vereinsfarben zu gestalten. Bis zu 38.000 Sitzplätze erstrahlen im neuen, schwarzen Design, die Treppen sind weiß gestrichen. Eines der visuellen Prunkstücke ist der neue Look der Jürgen-Grabowski- Tribüne, wo die auf dem Unter- und Oberrang in Weiß gehaltenen Plätze den Schriftzug „Eintracht vom Main“ erzeugen.