„Legende der Eintracht und der Stadt“

Im Kaisersaal feiert Frankfurt den 70. Geburtstag von Karl-Heinz Körbel. Mike Josef, Axel Hellmann und Christoph Schickhardt würdigten ein „Vorbild über den Fußball hinaus“. Der Abend in sieben Punkten.

Text: Michael Wiener Fotos: Martin Ohnesorge 

 

1 Eintracht und Emotionen

An diesem Abend im Frankfurter Römer gab es einige sehr emotionale Momente. Als Karl-Heinz Körbel den prall gefüllten Kaisersaal betritt und die rund 200 Gäste stehend klatschen. Als Timothy Chandler ein Fahrrad mit den Initialen „602“ durch den Raum nach vorne zu Körbel schiebt und es ihm als Geschenk der Eintracht überreicht. Als Körbel erstmals öffentlich seiner Frau Margarethe für ihre Unterstützung in 47 Ehejahren dankt. Als Vorstandssprecher Axel Hellmann die Geschichte erzählt, wie ein Polizist verhinderte, dass er als junger Fan nach dem Relegationsspiel in Saarbrücken 1989 das heiß ersehnte Trikot von Körbel ergattern konnte. Als der mit Körbel seit vielen Jahren befreundete Sportrechtsanwalt Christoph Schickhardt vom 19. Juni 2002 berichtet, als Körbel ihn anrief, von „weinenden Mitarbeitern“ und einer „Stadt in Schockstarre“ erzählte, weil der Eintracht zunächst die Lizenz entzogen worden war. Als Oberbürgermeister Mike Josef nach seiner kurzweiligen Rede herzlich Körbel umarmt, Geschenke überreicht und dem sichtlich gerührten Jubilar noch einmal alles Gute wünscht. 

 

2 Prominenz und Pokale

Mike Josef hatte es schon zu Beginn seiner Rede mit einem Augenzwinkern auf dem Punkt gebracht, wo der Abend hinführen sollte. Mit Blick auf Karl-Heinz Körbel meinte er: „Du hast zu uns gesagt: Haltet den Ball flach. Ich verspreche: Das machen wir nicht.“ So bildete die Feier der Stadt Frankfurt und Eintracht Frankfurt mit rund 200 geladenen Gästen im und vor dem Kaisersaal einen würdigen Rahmen anlässlich des 70. Geburtstages von Körbel am 1. Dezember vergangenen Jahres. Prominenz aus Sport, Politik, Wirtschaft, Verbänden und dem Vereinsleben waren gekommen, dazu Familie und Freunde Körbels. Am Abend vor dem Abflug nach Rom hatten auch Timothy Chandler, Kevin Trapp, Robin Koch und Rasmus Kristensen Platz genommen am „Ort des Feierns und der Wertschätzung“ (O-Ton Mike Josef). Sie hatten ebenso wie alle anderen Gäste den besten Blick auf fünf Pokale, die unweit des Rednerpults nebeneinander aufgereiht waren – vier DFB-Pokale und ein UEFA-Pokal, die Körbel in seiner aktiven Zeit als Spieler gewann. 

 

3 Spielen und (Vor-)stoppen

Freilich gingen die Redner Josef, Hellmann und Schickhardt auch auf eben diese Erfolge und die sportliche Vita des technisch versierten Verteidigers ein. 602 Bundesligaspiele, das Debüt gegen Gerd Müller, 600 Startelfeinsätze, Körbel als Persönlichkeit in einer begnadeten Mannschaft mit Grabowski, Hölzenbein und Nickel in den 1970ern sowie als Idol eines Klubs in den wirtschaftlich wie sportlich schwierigen 1980er Jahren, sein Karriereende mit Beginn des Fußball 2000 und seine Rolle im Saisonfinale 1992, seine Qualitäten als Vorstopper, keine Rote Karte in Pflichtspielen, nie abgestiegen, nie für einen anderen Klub gespielt nach seinem Wechsel für 39.150 DM von seinem Heimatverein FC Dossenheim zur Eintracht – um nur die wichtigsten Eckpfeiler zu nennen. Jenen Transfervertrag von 1972 hatte Axel Hellmann während seiner Rede zur Hand. 

 

4 Mike Josef: „Bescheidenheit und Bodenständigkeit“

Mehr noch stellten die Redner die Rolle von Karl-Heinz Körbel als Mensch, insbesondere in Verbindung mit der Eintracht und der Stadt Frankfurt, in den Vordergrund und sparten nicht mit Superlativen – so wie Josef es versprochen hatte. Der Oberbürgermeister sagte: „Karl-Heinz Körbel hat in der Geschichte der Stadt einen unverwechselbaren Platz eingenommen. Er hat tiefes Verständnis für die Werte der Eintracht, ist eine Identifikationsfigur der Stadt und des Vereins, schafft ein verbindendes Element vom Fußball zur Gesellschaft. Sein Engagement, seine Loyalität, seine Bescheidenheit, seine Bodenständigkeit, sein Einsatz, sein Wirken, um die Tradition zu bewahren und lebendig zu halten, die tiefe Verbundenheit zur Eintracht auch bei den Spielern zu wecken, seinen Humor zu behalten – all das ist einmalig. Danke für das, was du für den Fußball, die Eintracht, die Stadt und die Gemeinschaft getan hast.“

 

5 Axel Hellmann: „Metaphysik und Momente“

Axel Hellmann spannte immer wieder den Bogen zwischen unvergesslichen Körbel-Momenten und dem einzigartigen Wirken. „Diese Metaphysik, dieses Selbstverständnis, als du 2018 den Pokal ins Olympiastadion gebracht und ihn vor unseren Fans in die Höhe gereckt hast nach dem Motto: Das Ding ist uns! Du bist als Spieler zur Führungspersönlichkeit gereift, das fing direkt im ersten Bundesligaspiel gegen den Weltklassespieler Gerd Müller an; und zwar auf und neben dem Platz. Das hat dich geprägt bis heute, du hast viele Beziehungen aufgebaut, die bis heute halten und sich in der Traditionsmannschaft widerspiegeln. Du lebst hier ganz stark die Eintracht-Familie, das ist die größte und bedeutendste Tradi der Bundesliga, eine unglaubliche Leistung. Über 50.000 Kids in der Fußballschule, dein großer Coup mit ‚Eintracht in der Region‘ – dass wir das alles etabliert haben, ist großartig“, bilanzierte Hellmann, der auch betonte: „Eine Biografie braucht ebenso Momente, in denen man eher unten ist und sich allein gelassen fühlt.“ Das sei nach seiner Entlassung als Trainer 1996 der Fall gewesen, „eine Zeit der Distanz begann“. Doch Körbel habe in einer schwierigen Eintracht-Zeit den Weg zurückgefunden, „alles ging gut aus“. Hellmann fasste schließlich zusammen: „Du bist eine Legende der Stadt und der Eintracht. Die Eintracht verdankt dir unendlich viel. Ich kann mir die Eintracht ohne Karl-Heinz Körbel nicht vorstellen.“ 

 

6 Christoph Schickhardt: „Lizenz und Lebensleistung“

Wie wichtig für Karl-Heinz Körbel neben der Eintracht auch die private Familie ist, machte nicht nur er mit seinem Dank an Frau Margarethe deutlich, sondern zeigte außer Hellmann („Deine Familie ist mit Abstand das Wichtigste in deinem Leben. Du bist unglaublich stolz darauf, was deine Tochter Carla leistet. Das ist ein Beweis dafür“) auch die Tatsache, dass Christoph Schickhardt im Kaisersaal zu Wort kam. Er hob Körbels „Menschlichkeit, Verlässlichkeit, Treue, Zähigkeit, Charakterstärke und Entscheidungskraft“ hervor, sprach von einer „guten Freundschaft über Jahrzehnte“, stellte heraus, dass der vielfach ausgezeichnete Körbel (u.a. Säule der Eintracht, Ehrenplakette der Stadt Frankfurt) „Werte verteidigt und sich dankbar zeigt, dass er die besten 70 Jahre Deutschlands“ erleben durfte, und nannte ihn „eine eigene Marke, die entstanden und in dicken Felsen gemeißelt ist“. 

Die Geschichte rund um den drohenden Lizenzentzug für die Eintracht 2002 – das DFL-Präsidium hatte bereits mit 8:0 dafür gestimmt – durfte hier von Schickhardt, damals in größter Not von Körbel und Lizenzspielleiter Rainer Falkenhain telefonisch kontaktiert,
nicht fehlen. „Du hast dir als Retter der Eintracht ein Denkmal gesetzt, als die ganze Stadt in Schockstarre war, du Mitarbeiter auf dem Weg zum Insolvenzgericht zurückgehalten hast und ihr mich angerufen habt. Vier Wochen später hatten wir die Lizenz wieder“, erzählte der 69-Jährige: „Du hast dich für ewig unsterblich gemacht. Ohne diesen Erfolg wäre die Eintracht nicht da, wo sie heute ist. Wohl dem, der solche Protagonisten hat. Du bist ein Vorbild über den Fußball hinaus.“ 

 

7 Rahmen und Region

Die Feier im Kaisersaal endete für alle Beteiligten, wie sie begonnen hatte: Mit stehenden Ovationen für einen Mann, der auch mit 70 Jahren weiter seine Werte vertreten, die „Schleichwege, um an seine Ziele zu kommen“ (Hellmann), nutzen, nachdenklich und gläubig sein sowie in der Traditionsmannschaft auflaufen wird: „‚Eintracht in der Region‘ ist unser Flaggschiff. Es liegt mir am Herzen, in unserer Tradi weiterhin mitzuspielen“, sagte Körbel. Musikalisch hatten Andreas Fischer am Klavier und Jürgen Sommerfeld am Saxophon den Abend untermalt, der im gemütlichen Beisammensein – ganz im Sinne des Jubilars – vor dem Kaisersaal ausklang. „Das war der einzig würdige Rahmen für einen herausragenden Menschen wie Karl-Heinz Körbel“, fasste es Axel Hellmann zusammen.