„Ich glaube, dass ich in Frankfurt meinen besten Fußball spiele“

Vor 15 Jahren gibt Sara Doorsoun ihr Debüt in der Frauen-Bundesliga. Mit knapp 280 Partien gehört sie zu den 20 Spielerinnen mit den meisten Einsätzen in Deutschlands höchster Spielklasse, stemmt in ihrer Karriere sowohl DFB-Pokal als auch Meisterschale mehrfach in die Luft und befindet sich mit 33 Jahren aktuell in Frankfurt vielleicht in der Form ihres Lebens, hatte einzig nach dem Spiel gegen Wolfsburg mit einer Muskelverletzung zu kämpfen. Zum Jubiläum blickt die Abwehrchefin auf prägende Momente, Trainer und Mitspielerinnen zurück, macht aber auch deutlich, dass sie mit dem deutschen Frauenfußball noch einiges vorhat. 

Text: Marie Huhn, Paul Schönwetter
Fotos: imago images, Lucas Körner, Kevin Mattig 

 

„Es war brutal windig“, ist das Erste, woran sich Sara Doorsoun direkt erinnert. Ein windiger, kalter Tag Anfang März, genauer gesagt am 7. März, im Jahr 2010. „Ich war bei einem Lehrgang der deutschen U19- Nationalmannschaft, bin aber etwas früher abgereist, um beim Bundesligaspiel gegen Freiburg dabei zu sein. Ich weiß noch, dass ich irgendwo auf der Hälfte der Strecke an der Autobahnraststätte vom Papa einer Mitspielerin abgeholt wurde, der uns dann nach Freiburg gefahren hat“, beginnt die mittlerweile 33-Jährige an ihr 18-jähriges Ich zurückzudenken. Im Winter 2010 war sie vom Zweitligisten SG Wattenscheid zum damaligen Bundesliga-Aufsteiger SC Bad Neuenahr gewechselt, der Start ins neue Jahr lief alles andere als geplant – 0:4 lagen die Gäste zur Pause zurück im Möslestadion. Für eine auf der Bank sollte die Partie trotzdem – es blieb bei einer Niederlage (1:4) – für immer in positiver Erinnerung bleiben: „Zieh‘ dich mal um. Du kommst zur zweiten Halbzeit direkt hinten links rein. Genieß es, hab‘ Spaß und herzlich willkommen in der Bundesliga“ – die Worte ihres Trainers Thomas Obliers hat Sara noch genau im Kopf. 

 

„Mein Temperament ist immer gleich geblieben, nur dass ich es hier und da vielleicht ein bisschen besser zügeln kann“ 

 

15 Jahre, knapp 280 Bundesligaspiele, sechs Titel und vier Vereine später. Ein bisschen stolz blickt Doorsoun schon zurück, als man sie darauf anspricht, dass sie zu den Spielerinnen mit den meisten Einsätzen in Deutschlands höchster Spielklasse zählt. Mit der 300er-Marke, die bislang nur acht Spielerinnen knackten, im Blick. „Ist schon verrückt, wie meine Karriere bislang verlaufen ist“, gibt sie mit einem Schmunzeln zu. Von Bad Neuenahr ging es 2012 für ein Jahr nach Potsdam, in den fünf Jahren darauf spielte sich die Abwehrspielerin bei der SGS Essen in die deutsche A-Nationalmannschaft. Von 2018 bis 2021 folgten beim VfL Wolfsburg die erfolgreichsten Jahre – inklusive DFB-Pokalsiegen und Meisterschaften sowie dem Champions-League-Finale 2020. „Ich bin definitiv selbstbewusster geworden, trotzdem bin ich mir selbst immer treu geblieben“, sagt die gebürtige Kölnerin. „Ich war immer schon eine ehrliche Spielerin, die sagt, wenn ihr etwas nicht gefällt. Mein Temperament ist immer gleichgeblieben, nur dass ich es hier und da vielleicht ein bisschen besser zügeln kann. Stur bin ich immer noch, vielleicht nur nicht mehr ganz so schlimm.“ Sara Doorsoun lacht. 

Dass die junge Kölnerin von Bad Neuenahr zur heutigen Führungsspielerin werden konnte, habe sie dem Vertrauen, aber auch manch mahnenden Worten ihrer Trainer zu verdanken. „Mit 15 habe ich in Köln beim SC Fortuna für Furore gesorgt. Als ich in die Zweite Liga nach Wattenscheid kam, dachte ich, ich wäre auch da mit 16 ein Superstar. Thomas Obliers hat mir als junger Spielerin dann mal gezeigt, wie der Hase läuft.“ Zum Beispiel, indem er sie als einzige Spielerin nach dem Training noch Läufe machen ließ, als das Flutlicht schon ausging, „als ich erstmal beleidigt am Pfosten saß“, oder nach einer guten Wintervorbereitung auf die Bank setzte – „weil ihm eine Trainingswoche nicht so gefallen hatte und er wollte, dass ich in jeder Woche Gas gebe“. Auch Colin Bell, der 2011/12 in Bad Neuenahr ein Riesenpotenzial in ihr gesehen habe, aber auch gemahnt habe, dass man im Leben nichts geschenkt bekomme. „Am Anfang dachte ich, das sei der schlimmste Trainer, den ich je hatte, bis wir dann mal verstanden haben, miteinander umzugehen.“ 

 

„Als ich meinen ersten Profivertrag bekommen habe, dachte ich, mir gehört die Welt“ 

 

„Unter Bernd Schröder in Potsdam habe ich gelernt, wozu mein Körper überhaupt in der Lage ist“ – 97 Trainingseinheiten in neun Wochen und der Begriff „Willensschulung“ fallen Sara Doorsoun ein. Doch auch mit 30 Jahren und ihrem Wechsel nach Frankfurt sei noch Platz für neue Erfahrungen und Schritte gewesen. „Ich glaube, dass ich in Frankfurt meinen besten Fußball spiele. Niko ist der Beweis dafür, was eine Spielerin kann, wenn man ihr enormes Vertrauen entgegenbringt und sie so lässt, wie sie ist.“ 

Gefragt nach besonderen Momenten, antwortet Dorsoun: „Natürlich mein erstes Bundesligaspiel, meine erste Nominierung für die A-Nationalmannschaft, die erste Meisterschaft, mit Frankfurt gegen Barcelona zu spielen“ – die Liste solcher Momente in 15 Jahren Bundesliga ist lang. Auf die Frage nach ihren prägendsten Momenten hat Doorsoun aber auch noch eine weitere Antwort: das verlorene Champions-League-Finale 2020 mit Wolfsburg gegen Olympique Lyon. „Wie viele Spielerinnen stehen in einem Champions-League-Finale? Wie viele Spielerinnen stehen in einem Champions-League-Finale in der Startelf? Aber wie viele Spielerinnen müssen nach 30 Minuten verletzungsbedingt den Platz verlassen? Das ist für mich eine meiner schmerzhaftesten Erinnerungen und einer der traurigsten Momente in meiner Karriere.“ Und trotzdem: „Auch wenn ich wahrscheinlich nie wieder in so einem Finale stehen werde, denke ich mit enorm viel Stolz an den Moment zurück.“ 

Dass sie seit mittlerweile 15 Jahren der deutschen Liga treu geblieben ist, statt den Weg ins Ausland zu gehen, sei übrigens kein Zufall, bestätigt die Vize-Kapitänin der SGE. Denn stolz blicke sie nicht nur auf ihre eigene Entwicklung, sondern auch auf die der Bundesliga. „Wir hatten in Bad Neuenahr keine festen Kabinen, mussten alles selbst waschen, auf dem Trainingsplatz war regelmäßig ein Zirkus, dementsprechend sah er auch aus.“ Trotzdem sei sie froh, diese Zeit miterlebt zu haben und Teil der Generation zu sein, die für bessere Bedingungen gekämpft hat und kämpft. „Selbst wenn ich nur fünf oder sechs Jahre zurückdenke – wenn Bayern am Anfang der Saison gepatzt hat, haben wir in Wolfsburg gesagt: Die Meisterschaft gehört uns.“ Dass Spiele und Ergebnisse mittlerweile deutlich enger seien, „ist total cool und macht es sehr attraktiv“. 

Vor allem in Sachen Aufmerksamkeit und Verdienstmöglichkeiten habe sich schon viel getan. „Als ich meinen ersten Profivertrag bekommen habe, dachte ich, mir gehört die Welt. Wenn ich das damit vergleiche, was junge Spielerinnen heute verdienen können, ist es schön zu sehen, wie viel sich getan hat.“ Trotzdem: „Es darf nicht stagnieren und muss weitergehen. Jede Spielerin in der Frauen-Bundesliga muss sagen können: Das ist mein Beruf. Denn es ist ein sehr ernstzunehmender Beruf.“ Dafür sei sie auch in Zukunft gewohnt stur und bereit zu sagen, was ihr nicht passt. 

 

Sara Doorsoun

·      Geburtstag: 17. November 1991 in Köln 

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