„Das Ballett-Training ist wie eine Therapiestunde für mich“
Letizia ist 20 Jahre alt, studiert Linguistik und möchte später entweder als Sprachtherapeutin arbeiten oder als Journalistin tätig sein. Ihre große Leidenschaft ist Ballett und ihr liebstes Stück ist die Schwanensee-Inszenierung, aber auch selbst tanzt sie mit großer Freude. Die „EvM“- Redaktion hat sie zum Interview getroffen.

Gude Letizia, fangen wir doch ganz von vorne an. Wann hast du mit dem Ballett angefangen und wie kam es dazu?
Ich habe gerade mal meine Mitgliedskarte rausgesucht. Fünf Tage nach meinem vierten Geburtstag habe ich mich bei der Eintracht angemeldet. Ich hatte damals eine Freundin, die bei der Eintracht Ballett angefangen hat und dann wollte ich auch. Also bin ich jetzt schon seit 16 Jahre dabei.

„Das Ballett-Training ist wie eine Therapiestunde für mich. Nach dem Training fühle ich mich immer besser.“

Erinnerst du dich an deine erste Ballettstunde?
An die erste Stunde leider nicht, da war ich noch zu jung. Aber ich weiß noch, dass meine Lehrerin früher deutlich strenger war als heute (lacht). Ich trainiere heute immer noch bei ihr und sie ist entspannter geworden. Sie ist eine super Trainerin und es macht Spaß, bei ihr zu trainieren. Ich könnte mir auch vorstellen,irgendwann mal einen Trainerschein zu machen und Kinder zu unterrichten.

Wie oft trainiert ihr denn die Woche?
Früher haben wir zwei Mal die Woche trainiert, jetzt aber nur noch ein Mal pro Woche. Wir sind eine Gruppe von ungefähr 20 Frauen und trainieren jeden Donnerstag zusammen. Wir bereiten uns im Training dann auch auf Aufführungen vor. Früher gab es immer eine Winteraufführung, die letzten Jahre ist es öfter um die Faschingszeit herum. Wir haben oft Märchen vertanzt. Ich erinnere mich zum Beispiel noch an Frau Holle, Schneewittchen oder Rapunzel.

Nimm uns mal mit. Wie ist es, kurz bevor man auf die Bühne geht?
Schlimm (lacht). Als ich noch jünger war, war das überhaupt kein Problem. Aber mittlerweile bin ich echt nervös und aufgeregt. Am heftigsten ist es, wenn ich ein Solo habe. Ich wusste teilweise nicht mehr, wie ich anfangen soll, aber sobald dann die Musik kommt, weiß man es automatisch wieder - wie muscle memory. Es ist ein komischer Zwiespalt. Ich bin super aufgeregt, aber ich liebe es auch. Ich mag es, mich darauf vorzubereiten, zu trainieren und an mir zu arbeiten und Fortschritte zu erkennen und später dann auf Video zu sehen, wie es auf der Bühne aussah. Aber die Momente davor sind die schlimmsten für mich.

Hast du auch schon einmal etwas vergessen auf der Bühne?
Ja, das passiert schon mal. Manchmal merke ich aber gar nicht, wenn ich etwas falsch mache. Ich habe auch letztens mit der vollen Überzeugung etwas falsch getanzt. Es ist aber niemanden aufgefallen. In so einer Situation ist es dann vor allem wichtig, dass man einfach weitermacht und es sich nicht anmerken lässt, dann fällt es im Publikum auch niemandem auf.

Was ist der schönste Moment für dich beim Tanzen?
Es gibt eigentlich zwei. Dieser Moment, wenn die Aufregung nachlässt und man einfach nur tanzt und dabei merkt, wie gut es läuft, und dann natürlich am Ende, wenn der Applaus kommt, die ganze Anspannung von einem abfällt. Ich suche dann immer den Blick von meiner Mama im Publikum und dann bin ich einfach erleichtert.

Wie kann man sich ein klassisches Balletttraining vorstellen?
Man fängt meisten mit einem lockeren Warm-up an, Dehnübungen für Beine, Füße, Rücken. Dann gehts an die Stange, so ungefähr 45 Minuten. Da gibt es auch eine feste Reihenfolge. Danach kommt dann eher ein freier Teil, wo man vor allem an Dingen arbeitet, die man noch nicht so gut kann. Sprünge, Drehungen oder Balanceübungen gehören dazu. Wir tanzen bei der Eintracht Waganowa, ein russischer Stil. Die Unterschiede zu anderen Stilen sind z.B. an der Stellung der Füße zu erkennen, für Laien ist das aber nicht so ersichtlich.

Hast du auch eine Lieblingsübung?
Alle Formen von Drehungen und Pirouetten, auch wenn es sehr frustrierend sein kann. Das macht mir aber am meisten Spaß, daran zu arbeiten und dann Verbesserungen zu sehen. An der Stange mag ich vor allem Fondu und das Passé Développé. Bei Letzterem geht es darum, das Bein hoch in die Luft zu entwickeln. Also das Bein zu heben und immer mehr zu strecken, bis es ganz gestreckt ist. Dabei gibt es dann genau vorgeschriebene Abschnitte, wie sich das Bein nach oben entwickeln soll.

Ballett ist auch sehr anstrengend und benötigt viel Fleiß sowie Disziplin. Hast du irgendwann auch schon einmal ans Aufhören gedacht?
Nicht wirklich. Also es gab schon mal Zeiten, da habe ich es etwas schleifen lassen. In der Jugend oder um die Abiturzeit herum, weil ich da auch viel mit Freunden gemacht oder gelernt habe. Aufgehört habe ich aber nie, das kann ich auch nicht, weil es mir einfach viel zu guttut. Das Ballett-Training ist wie eine Therapiestunde für mich. Nach dem Training fühle ich mich immer besser.

„Ich möchte noch als Omi Ballett tanzen“

Du hast es gerade angesprochen, dass Ballett wie Therapie für dich ist. Wie fühlst du dich beim Tanzen?
Ich vergesse beim Tanzen alles. Ballett ist sehr anspruchsvoll und man muss sich immer hundertprozentig konzentrieren, da die Bewegungen so fein und genau sein müssen. Unsere Lehrerin zeigt uns im Training die Übungen vor, und sobald dann die Musik angeht und es an das Nachtanzen der Übung geht, denke ich an nichts anderes mehr. Dabei kann ich einfach abschalten und das passiert einfach von allein.

Wir haben anfangs drüber gesprochen. Du bist schon 16 Jahre bei der Eintracht. Was macht Eintracht Frankfurt für dich aus?
Die Leute finden es immer super cool, wenn ich erzähle, dass ich bei der Eintracht Ballett tanze. Weil viele halt vor allem den Fußball kennen und gar nicht auf dem Schirm haben, was es noch alles gibt. Dieses Zugehörigkeitsgefühl und die Gemeinschaft ist einfach schön.

Was würdest du jungen Menschen sagen, warum sie unbedingt mit Ballett anfangen sollen?
Weil es einfach Spaß macht! Es ist so eine schöne und künstlerische Art, Sport zu treiben. Man wächst über sich hinaus und man findet dabei auch seine Ruhe. Ballett ist anstrengend, aber man kann daraus super viel Kraft ziehen. Ich habe zudem auch tolle Freundschaften geschlossen. 

Hast du dir Ziele gesetzt, die du im Ballett noch erreichen möchtest?
Also für professionelles Ballett bin ich fast zu alt. Dafür habe ich auch zu wenig trainiert. Mein Traum ist aber, dass ich Ballett mein Leben lang machen kann und niemals die Lust daran verliere. Deswegen ist es gar nichtschlimm, dass ich es nicht professionell tanze. Da hätte ich auch Angst, dass die Leidenschaft verloren geht, weil es dann ein Job ist. Das möchte ich nicht. Am liebsten soll es bei mir so sein wie bei meiner Trainerin. Sie ist schon etwas älter, ihr Alter verrät sie uns aber nicht (lacht) und sie kann immer noch einen Spagat und ist echt fit. Das ist mein Ziel. Ich möchte noch als Omi Ballett tanzen.