„Du bist ein Teil der Seele des Vereins“
Rainer Falkenhain feiert am 1. April sein 40-jähriges Dienstjubiläum. Wie er zur Eintracht kam – und warum er heute noch da ist.
Es wäre etwas übertrieben zu sagen, dass die Liebe von Rainer Falkenhain zu Eintracht Frankfurt maßgeblich von einem Schutzmann am Ratsweg beeinflusst wurde. Aber diese, wie Falkenhain selbst sagt, „verrückte Geschichte“ gehört dazu, wenn man über die Leidenschaft des 63-Jährigen zu seinem Herzensverein spricht. Diese Story stammt aus den 1980er Jahren – und hatte ihren Anteil daran, dass Rainer Falkenhain am 1. April 1985 bei der Eintracht auf der Geschäftsstelle offiziell seinen ersten Arbeitstag antrat. 40 Jahre bei der Eintracht – und los ging’s, etwas überspitzt gesagt, an der Kreuzung Ratsweg/Am Riederbruch.
„Dort stand früher immer ein Schutzmann auf einer Holzkiste. Ich kam von der Mainbrücke. Wenn er geradeaus zugemacht hatte und rechts frei war, bin ich nicht zur Uni, sondern erstmal an den Riederwald gefahren“, erzählt Falkenhain im Podcast „Eintracht vom Main“. Natürlich habe er durch gute Kontakte immer gewusst, wann das Training angesetzt war. So gehörte er Anfang der 1980er Jahre neben einigen Rentnern und Journalisten zu den regelmäßigen Trainingskiebitzen am Riederwald, wo die Profis der Eintracht bis in die 2000er ihre Einheiten abhielten.
Falkenhain hatte mit der WM 1974 begonnen, den Fußball intensiver zu verfolgen. Als „gefühlter Frankfurter“, dessen Eltern sich ein Haus südlich der Mainmetropole gekauft hatten und er daher außerhalb lebte, fand er auch schnell den Weg zur Eintracht. Seit er im Besitz eines Führerscheins war, war er auch auswärts regelmäßig dabei. In Zeiten, in denen jede Trainingseinheit öffentlich stattfand, fuhr er öfter an den Riederwald, schaute sich die Einheiten an, sammelte Autogramme und baute freundschaftliche Verhältnisse zu Spielern wie Karl-Heinz Körbel, Cezary Tobollik und weiteren auf. Körbel erinnert sich noch gut an diese Zeit. „Rainer war immer da. Er hatte immer diese großen Brillengläser mit dem AOK-Gestell auf. Wir hatten Angst, dass er mal einen Ball an den Kopf bekommt und die Brille kaputtgeht, weil er gerne hinter dem Tor gestanden hat.“ Noch heute arbeiten beide eng zusammen, Schnittstelle Traditionsmannschaft der Eintracht.
Diese Nähe zu den Spielern aufzubauen, sei damals nicht so schwer gewesen. „Außer Rentnern und Journalisten war kaum jemand beim Training. Du hast einfach zwischen den Kabinen und dem Platz gestanden und die Spieler davor oder danach abgefangen. Bei Jürgen Grabowski war es immer erst nach dem Training, weil er meist sehr spät war und dann auf den Rasen gespurtet kam“, erinnert sich Falkenhain mit einem Lächeln an das große Eintracht-Idol, Kapitän der Mannschaft zu dieser Zeit.
Doch wie kam es nun dazu, dass aus dem Fan der Mitarbeiter wurde? Falkenhain erzählt auch hier detailgetreu, als wäre es gestern gewesen. „Irgendwann hat mich der damalige Geschäftsführer Peter Röder in sein Büro gerufen. Er dachte, ich sei ein Volontär einer Zeitung. Er suche jemanden, der auf der Geschäftsstelle helfen könne und ob ich jemand kennen würde.“ Dieses Gespräch sorgte bei „Falke“ für eine schlaflose Nacht. Das ist doch ein Job für den glühenden, studierenden Fan, dachte er sich.
„Einige Tage später habe ich um einen erneuten Gesprächstermin bei Peter Röder gebeten und ihm dann mitgeteilt, dass ich das gerne machen möchte“, erzählt Falkenhain. Röder habe das gar nicht verstehen wollen, weil Falkenhain doch mitten im Studium sei. Er war aber überzeugt, hier sein Hobby zum Beruf machen zu können. Röder habe einige Prozesse wie das Stadionmagazin und Marketingmaßnahmen professionalisieren und selber machen wollen, nachdem einige Aufgaben an die Agentur Birkholz und Schnell ausgelagert gewesen waren.
Das Bewerbungsgespräch verlief erfolgreich, zum 1. April 1985 sollte Falkenhain offiziell beginnen – das ist das Datum in seinem ersten Arbeitsvertrag. „Fang doch schon ein paar Tage früher an“, habe Röder zu ihm gesagt. Im Rückblick sagt Falkenhain: „Mit zwölf Jahren war ich das erste Mal mit meinem Vater im Stadion. Auf einmal sind es deine Kollegen und Vorgesetzten, du darfst mit oder für sie arbeiten. Das bereitet mir immer noch eine Gänsehaut.“
Vom Trainingskiebitz zum längsten amtierenden Mitarbeiter
Falkenhain war demnach zunächst inoffiziell, später auch auf dem Papier Leiter der Lizenzspielerabteilung, verpflichtete Trainer, organisierte Reisen, sorgte sich um das Team („Er war auch mal mein Motivator“ – Ex-Spieler Andreas Möller), transportierte einen Spieler im Kofferraum über die Grenze, kaufte den vielleicht berühmtesten Gartenstuhl der Bundesligageschichte für Horst Ehrmantraut – und stellte Franco Lionti ein. Der Materialwart, seit 1997 im Amt, sagt über Falkenhain: „Ich werde nie vergessen, wie du in meinem ersten Trainingslager zu mir gesagt hast: ‚Wenn du das gut machst, hast du einen sicheren Job.‘ Ich hoffe, dass unsere Freundschaft noch lange hält.“
Der damalige Eintracht-Präsident Peter Fischer betonte an Falkenhains 60. Geburtstag: „Du bist hochsympathisch und ein Computer über die Bundesliga. Ich wäre nicht so weit als Präsident ohne all die Dinge, die ich von dir gelernt habe“. Auf den Punkt bringt es Jan Åge Fjørtoft: „Du bist ein Teil der Seele des Vereins!“ Der Norweger ergänzt: „Eine super Organisation rund um die Mannschaft ist der Schlüssel, sich zu integrieren und so schnell wie möglich Leistung zu bringen. Das hast du ermöglicht.“ Lionti fügt hinzu: „Loyal, meistens sehr positiv, manchmal auch nicht einfach. Du bist ein Freund, wir sind noch mehr verbunden durch einen Autounfall, den wir gemeinsam überstanden haben.“ Die Loyalität Falkenhains erwähnt auch Ex-Vorstandsboss Heribert Bruchhagen, „das hat mir immer sehr geholfen.“ Die – vielleicht nicht ganz ernst gemeinten, aber trocken vorgetragenen – Wünsche aus Ostwestfalen: „Viel Arbeit, möglichst in der Champions League, und weniger Golf, denn da fehlt es dir an Talent.“ Viele Glückwünsche erreichten den Jubilar auch über die Whatsapp-Gruppe der Traditionsmannschaft, hier zollen Spieler wie Thomas Zampach und Alex Meier „größten Respekt vor dieser Leistung“.
Einen Namen hat sich Falkenhain freilich in ganz Fußball-Deutschland gemacht. Zu seinem vergangenen runden Geburtstag grüßte auch Uli Hoeneß per Videobotschaft. „Du warst immer der Fels in der Brandung im Verhältnis zwischen Eintracht Frankfurt und dem FC Bayern München“, sagte der Ehrenpräsident des Rekordmeisters vor drei Jahren.
Sein großes Netzwerk bringt er heute als Berater des Vorstands ein, in dieser Tätigkeit gibt es durchaus Parallelen zu seiner Anfangszeit. Kümmerte er sich auch damals um Vertreter der Gastvereine, so ist er auch heute noch wichtiger Ansprechpartner insbesondere bei den internationalen Reisen der Eintracht.
Hier kommen für den 63-Jährigen „hoffentlich noch einige hinzu. Es ist eine Riesenehre, für meinen Herzensklub zu arbeiten.“ Und auch über ihn zu erzählen. Bereits zum dritten Mal war Falkenhain Gast im Klubpodcast „Eintracht vom Main“, das Gespräch mit Marc Hindelang beendete er mit diesen Worten: „Ich komme auch gerne wieder.“ Anekdoten aus über 40 Arbeitsjahren bei der Eintracht und noch mehr Lebensjahren gibt es genug. Dazu müssen heute, am ProfiCamp der Eintracht „Im Herzen von Europa 1“, keine Schutzmänner mehr den Weg weisen.