Direkt nach Hause, Ranzen ablegen, auf den Platz

„Senkrechtstarter“, „Maschine“, „Vollathlet“, „… wie im Labor gezüchtet“. In den Medien gibt es einige Bezeichnungen für Nnamdi Collins, den 21 Jahre jungen Verteidiger. „Schnell wie ein Pfeil und im Zweikampf nicht zimperlich“, beschrieb es die Frankfurter Rundschau kürzlich – und das trifft es sehr gut. In dieser Saison, seiner zweiten als Adlerträger, ist Collins richtig angekommen bei der Eintracht, fühlt sich wohl, sammelt Spielminuten, ist eine feste Größe. Ganz nebenbei hat er sich nicht nur für die U21-Nationalmannschaft empfohlen, sondern ist auch dort gesetzt. Im Interview an einem sonnigen Nachmittag am Main mit der „Eintracht vom Main“ und EintrachtTV spricht Collins über seine Karriere, seine Zeit in Düsseldorf und Dortmund, den besonderen Teamgeist bei der Eintracht und darüber, welche Besonderheiten das Leben als Profifußballer mit sich bringt.
Interview: Michael Wiener
Bilder: Felix Leichum

Nnamdi, das Interview heute führen wir direkt am Main, die Skyline im Hintergrund. Wie gefällt dir Frankfurt als Stadt?
Sehr, sehr gut! Ich bin gebürtiger Düsseldorfer, und klar, auch Düsseldorf ist eine sehr schöne Stadt. Aber in Frankfurt habe ich mich direkt wohlgefühlt. Die Eingewöhnung war überhaupt kein Problem, es gefällt mir hiermega gut.

Was gefällt dir in Düsseldorf besser und was vielleicht in Frankfurt?
In Düsseldorf ist es definitiv die Nähe zu Familie und engen Freunden, das ist einfach meine Heimat. Aber was die Stadt selbst angeht, da sind sie beide schön. In Düsseldorf kann man entspannt am Rhein entlanglaufen, ein Eis essen, gerade jetzt zu dieser Jahreszeit. Aber hier am Main geht das genauso gut. Was das Essen betrifft, da ist Frankfurt für mich vielleicht sogar noch vielfältiger.

Zeil oder Kö?
Sehr schwierige Frage. Aber ich glaube, ich würde mich dann doch für die Kö entscheiden. 

Du hast deine Heimat Düsseldorf, wo du geboren bist, angesprochen. Lass uns mal ganz vorne anfangen und über deinen Namen sprechen. Dein voller Name ist Pharrell Nnamdi, Nnamdi heißt „König“. Ist dir die Bedeutung wichtig?
Ich habe mir darüber nie groß Gedanken gemacht. Das ist ja quasi mein Zweitname. Ich habe den Namen einfach ausgewählt, weil er mir vom Klang besser gefallen hat. Dass er „König“ bedeutet, ist ein schöner Zufall.

Also hast du bewusst entschieden, dass Nnamdi dein Rufname ist?
Genau. Schon seit meiner Kindheit nennen mich alle Nnamdi. Viele fragen mich: „Du heißt doch eigentlich Pharrell?“ Aber ich habe mich mit Nnamdi einfach wohler gefühlt. Und das wurde dann so übernommen.

Dein familiärer Hintergrund ist auch in Nigeria. Gibt es typische nigerianische Eigenschaften, die du in dir siehst?
Vielleicht, dass ich nie den Erfolgshunger verliere, immer am Ball bleiben will. Ich bin ehrgeizig, will mich immer verbessern. Das passt vielleicht ganz gut.

Wie waren deine Anfänge im Fußball in Düsseldorf? Direkt bei deinem ersten Verein, dem VfL Benrath? Oder auch auf der Straße, in einem Käfig, mit den Kumpels?
Mein erster Verein war tatsächlich der VfL Benrath, da war ich sechs oder sieben Jahre alt. Es war eine richtig schöne Zeit. Wenn ich nicht mit der Mannschaft trainiert habe, war ich auf dem Bolzplatz. An freien Tagen war ich dort eigentlich immer, manchmal auch alleine. Ich war wirklich schon als Kind total ballverrückt. Das hat mich bis heute geprägt.

Nimm uns mal kurz mit zurück in diese Zeit, bitte. Wie weit war der Bolzplatz von deinem Zuhause entfernt, wo haben deine Freunde gewohnt?
Der Bolzplatz war sehr nah. Ich habe damals in Eller, einem Stadtteil von Düsseldorf, gelebt. Meine Freunde wohnten alle in der Nähe. Der Bolzplatz war zentral gelegen, zwei, drei Minuten zu Fuß. Ich hatte den kürzesten Weg dorthin. Nach der Schule ging’s direkt nach Hause, Ranzen ablegen und ab auf den Platz. Das war eine richtig gute Zeit.

Wie kam es zum Wechsel zu Fortuna Düsseldorf ins Nachwuchsleistungszentrum?
Das lief über die Schule. Ich habe in einer AG mitgespielt, und da war zufällig ein Trainer von der Fortuna, Christoff Donath. Er hat mich direkt angesprochen und ein Probetraining vorgeschlagen. Er hat sein Wort gehalten, so kam der Kontakt zustande.

Dann ging es weiter zum BVB. Hat sich da auch deine Position auf dem Feld geändert?
Ja, bei der Fortuna war ich Stürmer. In einem Spiel gegen Dortmund habe ich dann als Innenverteidiger gespielt – und offenbar gut. Mein Trainer hat damals gescherzt: „Geh heute nicht ans Handy.“ Und tatsächlich hat Dortmund sich dann gemeldet. So kam eins zum anderen.

Marco Lehmann [seit über zehn Jahren Trainer im NLZ des BVB; Anm. d. Red.], dein Trainer bei den Dortmundern, hat dich beim BVB früh gefördert. War er ein wichtiger Wegbegleiter?

Definitiv. Ich habe bis heute Kontakt mit ihm. Er hat mir das Vertrauen geschenkt, mein Spiel zu entwickeln. Ich brauche dieses Vertrauen vom Trainer, und er hat es mir gegeben. Ich denke, ich konnte es mit guten Leistungen zurückgeben. Das hat einfach super gepasst.

Lass uns über die erfolgreiche Zeit in der Jugend vom BVB sprechen, zunächst aus internationaler Sicht. Du hast zwei Saisons in der Youth League gespielt. Im ersten Jahr war mit dem Viertelfinale im Heimspiel mit 0:1 gegen Atlético Madrid Endstation. Wie bitter war dieses Ausscheiden?
Sehr bitter. Wir hatten große Erwartungen, haben nach dem Gegentor gut gespielt. Es war unser erstes Spiel im Signal Iduna Park, vor 18.000 Fans. Umso schmerzhafter war das knappe 0:1. Das war alles in allem einesehr prägende Erfahrung.

Im Jahr danach war das Aus vom Ergebnis her noch schlimmer, denn gegen Hajduk Split hieß es 9:10 nach Elfmeterschießen, wobei du sogar zum 9:8 noch vorgelegt hattest. Wie hat sich diese Niederlage angefühlt?
Richtig, das war sogar noch schlimmer. Wir hatten wieder viel vor, kassieren früh ein Gegentor. Dann kommen wir zurück, müssen ins Elfmeterschießen. Da brauchst du auch Glück, das uns an dem Tag gefehlt hat. Sehr schade, dass es nicht weiterging.

2022 wurdest du Deutscher Meister mit den A-Junioren. Unter den im Finale eingesetzten 14 Spielern wartet die Hälfte bis heute auf ihr erstes Erstligaspiel, von der anderen Hälfte kommen 2024/25 nur drei auf mindestens 30 Profieinsätze: Jamie Gittens beim BVB, Göktan Gürpüz in der Türkei und du. Hättest du das so eingeschätzt?
Wir hatten eine sehr gute Mannschaft. Aber der Sprung in den Profibereich ist hart. Damals hat man das nicht geglaubt, aber wenn man ihn selbst geschafft hat, merkt man erst, was alles dazugehört. Mich überrascht es dennoch, dass es bis jetzt so wenige aus dieser Mannschaft bisher in einen Profikader geschafft haben. Das zeigt, dass der Weg zum Profifußballer ein Marathon ist. Kein Sprint. Manche brauchen einfach länger und das ist völlig normal.

Wann war für dich klar: Ich will Profifußballer werden?
Schon als kleiner Junge auf dem Bolzplatz. Wenn ich in der Schule gefragt wurde, was ich werden will, habe ich zwar etwas anderes gesagt, aber in Wahrheit war das Ziel immer klar: Profifußballer. Ich habe mich immer selbst motiviert, diesen Weg zu gehen. Ich brauchte keine außenstehende Inspiration dafür. Bisher hat das alles gut geklappt.

Du hast mal gesagt: Profifußball ist nicht nur Spaß. Was meinst du damit?
Es geht um vieles, natürlich auch im gesamten Fußballkosmos um viel Geld. Wir spielen nicht nur für uns, sondern für ganz Frankfurt, für die Fans. Da ist Druck normal. Das unterscheidet den Profibereich deutlich von der Jugend.

Dein U17-Trainer nannte dich mal „Nnamdi van Dijk“. Warum ist Virgil van Dijk ein Vorbild für dich, das hast du ja schon mehrfach betont?
Ein unfassbarer Spieler, von dem man viel lernen kann, selbst wenn man ihn nur im Fernsehen sieht. Er ist definitiv ein großes Vorbild.

Timmo Hardung hat im November über dich gesagt: „Nnamdi war sich nicht zu schade, in der U21 zu spielen, und hat von Tag eins an signalisiert, dass er Bock hat auf unseren Weg. Solange wir beim Spieler den Elan sehen, den er bei der Verpflichtung hatte, bekommt er immer die volle Unterstützung.“ Welche Rolle spielt für dich Glaubwürdigkeit mit Blick auf einen gemeinsamen Entwicklungsplan?
Ich hatte immer das Vertrauen darin, dass die Eintracht mich unterstützt und wir einen klaren Plan verfolgen. Es war meine feste Überzeugung, dass dieser Plan auch aufgehen wird. Ich habe meinen Teil beigetragen, und die Eintracht hat ihren auch gehalten. Ich habe Gas gegeben im Training und die Eintracht hat mich voll und ganz supported. So konnte das alles klappen.

Wie sah der Plan genau aus?
Ursprünglich sollte ich verliehen werden, aber das hatte sich zerschlagen. Die U21 war dann nicht Plan A, aber im Nachhinein sehr hilfreich. Ich konnte Spielpraxis sammeln und mich beim Profitraining über gute Leistungen für mein Bundesliga-Debüt empfehlen.

Das verlief dann gegen Bremen in einer Viererkette mit Philipp Max, Robin Koch und Willian Pacho.
Unfassbar. Alles starke Spieler. Auch wenn es nur eineinhalb Spiele [in der vergangenen Saison; Anm. d. Red.] waren, war es ein riesiger Schritt. 60.000 Fans, das ist eine andere Welt als Jugendspiele. Diese Erfahrung war extrem wertvoll. Danach wollte ich noch mehr davon.

Dann hat diese Saison begonnen, in der du von Anfang an nah dran warst an der Mannschaft. War das DFB-Pokalspiel gegen Gladbach, in dem du erstmals von Beginn an randurftest, so etwas wie dein persönlicher Booster?
Ja, definitiv. Das war so ein bisschen der Dosenöffner für mich. Ich musste lange auf meine Chance warten, aber das ist normal im Profibereich. Beim Gladbach-Spiel konnte ich mich zeigen und habe meine Sache gut gemacht. Danach kamen weitere Einsätze. Ganz nach dem Motto: Wenn du deinen Teil leistest, dann wirst du dafür auch belohnt. So war es dann auch, was mich sehr glücklich macht.

Gegen Stuttgart bist du in einer offensiveren Rolle reingekommen, durch die Verletzung von Ansgar Knauff. Was ging dir da durch den Kopf?
Ich bin da sehr mannschaftsdienlich. Es war mir egal, wo ich spiele. Hauptsache, ich kann helfen. Klar, es ist nie schön, wenn ein Kollege verletzungsbedingt ausgewechselt werden muss. Aber ich habe mich gefreut, reinkommen zu dürfen und ich wollte mein Bestes geben. Auch wenn ich ein, zwei Chancen liegen gelassen habe – wir haben gewonnen, das war das Wichtigste.

Hast du Feedback von Ansgar bekommen?
Ja. Er meinte, meine Chancen zum Treffer waren jetzt nicht so schwer (lacht). Er hatte selbst eine große, bei der er sich verletzt hat. Er meinte, solche Szenen sehen oft leichter aus, als sie sind.

Wie gehst du mit solchen vergebenen Chancen, solchen, in Anführungsstrichen, negativen Erlebnissen, um?
Ich ärgere mich schon, klar. Aber ich kann das gut verarbeiten. Ich versuche, mich zu verbessern, aber lasse mich nicht aus der Bahn werfen. Das gehört dazu. Solange man sich im Spiel von so etwas nicht beeinflussen lässt, ist alles gut. Aus jeder Situation kann man dazulernen. 

Einer, der für viel Humor steht in eurer Mannschaft, ist Timothy Chandler. Wie war das für dich, als Timmy gegen Leipzig für dich eingewechselt wurde und das Stadion fast explodiert ist?
Ich habe mich mega gefreut, ganz Frankfurt hat sich gefreut in diesem Moment. Timmy ist eine Legende, ein toller Typ. Alle haben sich für ihn gefreut, die Fans, die Mannschaft. Das war ein richtig schöner Moment. Mehr geht nicht.

Wer sind deine dicksten Kumpels in der Mannschaft?
Can Uzun und Nene Brown. Mit ihnen hänge ich viel ab, auch abseits des Platzes. Aber generell sind alle Jungs in der Mannschaft super drauf. 

In diesem Zusammenhang fällt immer wieder das Wort Teamspirit. Ist dieser in dieser Saison besonders und damit auch ein Erfolgsgeheimnis? Moderator Lars Weingärtner und unser Rekordbundesligaspieler Karl-Heinz Körbel haben sich in unserem Guten-Morgen-Podcast „Aufstehen mit der Eintracht“ kürzlich darüber unterhalten und es ebenso hervorgehoben. Stimmst du zu?
100 Prozent. Vom Trainerteam bis zum jüngsten Spieler: Alle ziehen an einem Strang. Wir wollen uns weiterentwickeln und maximalen Erfolg haben. Das packen wir gemeinsam an und sind da auf einem sehr guten Weg.

Du hast mal gesagt, du willst irgendwann die Champions League gewinnen. Wie sehen deine aktuellen Ziele aus?
Kurzfristig: die nächsten Spiele gewinnen und die Champions League erreichen [das Interview wurde vor dem Mainz-Spiel geführt; Anm. d. Red.]. Dann nächste Saison voll angreifen. 

Nationalmannschaft ist auch ein Thema. Du hast dir zuletzt in der U21 einen Stammplatz erarbeitest. Wie gehst du mit Blick auf die U21-EM in den Sommer?
Ich bin hochmotiviert. Klar, die Pause ist kurz, aber ich will gesund bleiben, eine starke EM spielen und mit dem Team den maximalen Erfolg feiern. Das wäre ein Traum.

Du sprichst die Gesundheit an. Du bist bisher von größeren Verletzungen verschont geblieben. Gibt es ein Erfolgsrezept?
Ich achte beim Training sehr auf die Vor- und Nachbereitung. Das ist das A und O. Die Physis habe ich von meinen Eltern in die Wiege gelegt bekommen. Nicht zuletzt habe ich das Glück, bei der Eintracht wie auch vorher in Dortmund eine richtig gute Betreuung im athletischen und medizinischen Bereich zu erfahren. Ich bin noch jung, klar, aber auch Glück gehört dazu. Hoffentlich bleibt das so (lacht). Außer einem Ellbogenbruch und meiner Knieverletzung vor einigen Jahren ist sonst nichts Wildes passiert.

Dino Toppmöller nannte dich mal eine „kleine Maschine“. Was meinst du, warum?
Wahrscheinlich wegen meiner Spielweise, wie ich mich über den Platz bewege. Es freut mich natürlich, so genannt zu werden. 

Du bist unglaublich schnell, das war auch gerade Thema bei der Social-Media-Challenge. Gibt es Sprintduelle, die du im Training verlierst?
(Lacht) Selten. Aber wir haben viele schnelle Spieler. Da kann immer mal einer überraschen. 

Du hast mit erfahrenen Spielern wie beispielweise Manuel Akanji und Mats Hummels sowie bei der Eintracht Robin Koch und Makoto Hasebe zusammengespielt. Was geben dir solche erfahrenen Spieler mit?
Viel. Gerade am Anfang meiner Profikarriere haben sie mir Tipps gegeben, mich an die Hand genommen. Das hilft extrem, um schneller reinzukommen. Diese Spieler waren auch mal da, wo ich mich jetzt befinde in meiner Karriere. Deswegen sollte man das als junger Spieler alles mitnehmen.

Wie unterstützen dich Stefan Buck und Xaver Zembrod als ehemalige Abwehrspieler?
Sie sind immer da, vor und nach dem Training, auch für Extraschichten. Sie sind hochmotiviert, mit viel Erfahrung. Das hilft uns gerade als Verteidiger sehr. Es ist überragend, mit zwei Defensivexperten zusammenzuarbeiten, die mir täglich helfen. Ich nehme jeden Rat an. Gerade Faktoren wie Kopfball, Timing und Stellungsspiel sind oft auch eine Frage von Erfahrungswerten. Davon kann ich profitieren. Die beiden geben mir viel mit, damit ich im Idealfall die Fehler im Training mache, aber nicht mehr im Spiel.

Apropos Spiel: Hast du bestimmte Rituale am Spieltag?
Nicht viele. Ich esse immer dasselbe, damit ich mich gut fühle. Musik höre ich im Bus eher nicht, da komme ich besser in meinen Fokus.

Wenn doch Musik, was hörst du?
Viel Rap: Drake, Travis Scott, Lil Baby, Gunna. Aber wie gesagt, meistens lieber keine Musik.

Was ist dir abseits des Platzes wichtig?
Freunde und Familie sind selbstverständlich. Es gibt sicherlich auch andere Dinge, die noch dazugehören. Gerade gestern hast du ein Video vom Shoppen mit deinen Followern bei Instagram geteilt. Familie und Freunde stehen an erster Stelle, klar. Ich gehe gern essen, genieße gutes Wetter. Ja, ich shoppe auch gerne, aber im Rahmen. Ich gebe mein Geld bewusst aus. 

Vielleicht auch mal in Frankfurt, unweit vom Ort des Interviews …