Der Weg in die höchste Spielklasse
Corinna Völker ist Abteilungsleiterin und Spielertrainerin der Rugby-Frauen und war 1998 eine der ersten Frauen, die bei der Eintracht in die Männerdomäne Rugby eingestiegen ist. Nach mehr als 25 Jahren Aufbauarbeit hat sie die Frauenmannschaft von zwei Pionierinnen auf über 40 Spielerinnen ausgebaut und zum historischen Aufstieg in die Bundesliga A geführt. Im Interview spricht sie über ihre Anfänge, die Herausforderungen als Frau in der Führung und den emotionalen Höhepunkt ihrer Karriere bei der Rugby-EM 2009.

Corinna, herzlichen Glückwunsch zum historischen Aufstieg der Frauen in die Bundesliga A! Wie fühlt es sich an, nach so vielen Jahren Aufbauarbeit diesen Meilenstein erreicht zu haben?
Ehrlich gesagt ist es schon ziemlich krass für mich. Ich bin jetzt seit über 25 Jahren im Verein und ich habe echt viel dafür getan, dass wir Frauen vorwärtskommen und es kontinuierlich weitergeht. Dass ich jetzt mit dieser Mannschaft – mit unseren Farben und mit dem Adler auf der Brust – in der höchsten Spielklasse Deutschlands spielen darf, darauf bin ich schon sehr stolz.

Wie schätzt du die Konkurrenzfähigkeit der Mannschaft in der höchsten Spielklasse ein? Ist der Klassenerhalt das primäre Ziel oder traust du der Mannschaft mehr zu?
Realistisch betrachtet: Die Meisterschaft ist nicht drin. Aber wir sind uns ganz sicher, dass wir nicht untergehen und gegen den Abstieg kämpfen, sondern dass wir uns irgendwie im Mittelfeld platzieren können. Das ist auch das Ziel, das wir uns für die nächste Saison setzen. 

Wenn du zurückblickst, hättest du dir damals träumen lassen, dass Frauen-Rugby bei der Eintracht einmal so erfolgreich sein würde?
Es klingt blöd, aber ja (lacht). Es ist schon sehr lange her, da saß ich als einzige Frau unter ganz vielen Männern bei der Vorstandssitzung. Ich habe als Frauenwartin dann zum Abteilungsleiter gesagt: Wir sind jetzt 15 Frauen, ich glaube, bald spielen wir Bundesliga. Es hat zwar jetzt 25 Jahre gedauert, aber ich habe die Hoffnung nie aufgegeben und war fest davon überzeugt, dass wir das schaffen.

Was waren die wichtigsten Wendepunkte auf diesem Weg?
Angefangen hat Susanne Wodarz. Sie hat die Schwestern von den Jungs angesprochen, die bereits hier gespielt haben, oder Freundinnen wie mich, die am Spielfeldrand standen. Der nächste Wendepunkt war dann, dass wir das erste Mal in der Liga gemeldet waren und einen regelmäßigen Spielbetrieb hatten, damals noch in einer Spielgemeinschaft. Erst dann konnten wir Mädels und Trainer halten und darauf aufbauen.

Du bist sowohl als Spielerin auf dem Platz als auch als Trainerin verantwortlich. Wie meisterst du diese Doppelrolle, denkst du während des Spiels auch an taktische Anweisungen?
Ich bin sehr froh, dass wir noch eine zweite Trainerin haben, Susanna Restrepo-Rico. Sie steht draußen, kann von außen auf das Spiel schauen und das Ganze managen. So kann ich einfach abschalten und spielen. Aber natürlich denke ich während des Spiels auch daran. Ich bin jetzt lange genug dabei und kann daher parallel zum Spiel analysieren, wie wir auf die Gegnerinnen reagieren müssen.

Du bist nicht nur Spielertrainerin, sondern auch Abteilungsleiterin und musst dich in einem traditionell männlich geprägten Umfeld durchsetzen. Wie hat sich die Akzeptanz über die Jahre hinweg entwickelt und ist es immer noch schwierig, sich da als Frau durchzusetzen?
Auch heute noch ist bei manchen Kollegen die Kommunikation schwieriger. Ich bin froh, dass ich einen Stellvertreter habe. Wir haben uns auch ganz bewusst dazu entschieden, nicht noch eine Frau dorthin zu stellen. Es ist nämlich manchmal so, dass er eher angesprochen wird oder Antworten an ihn gehen und nicht an mich. Also, es ist schon immer noch schwierig. Das ist zwar sehr, sehr schade, aber manchmal

muss man den Weg gehen, wenn man weiterkommen will.

„Die Eintracht ist für mich Familie. Hier bin ich richtig erwachsen geworden. Für mich ist das der Mittelpunkt im Leben.“

In Deutschland ist Rugby noch ein Nischensport. Was fasziniert dich so sehr an diesem Sport, dass du ihm so lange treu geblieben bist?
Es hat damit angefangen, dass ich meine deutlich stärkere Trainerin getackelt habe. Das Dominanzgefühl dabei hat mich gepackt. Abgesehen davon, dass ich am ganzen Körper Muskelkater hatte und darin eine Herausforderung gesehen habe, hat es mir aber auch einfach Spaß gemacht. Langfristig gehalten haben mich aber das Familiäre und die Werte, die Rugby vermittelt.

Eure Jugendarbeit scheint ein echter Erfolgsfaktor zu sein. Wie viele Kinder und Jugendliche trainieren mittlerweile bei euch und wie schafft ihr es, sie für einen noch relativ unbekannten Sport zu begeistern?
Es sind mittlerweile über 100 Kinder im Rugby-Training. Wir gehen an Schulen und Kindergärten, nehmen aber vor allem die Kinder auf, die in anderen Sportarten untergehen. Bei uns geht das Kind dann auf den Platz und alle sagen: Wow! Im Rugby werden individuelle Stärken sehr gefördert.

Du bist jetzt seit über 25 Jahren in der Rugby-Abteilung der Eintracht. Was bedeutet dir der Verein persönlich?
Die Eintracht ist für mich Familie. Sie ist für mich mein Leben geworden. Ich muss wirklich ‚geworden‘ sagen. Ich komme nämlich ursprünglich aus einem anderen Verein. Aber richtig erwachsen geworden bin ich bei der Eintracht. Für mich ist das der Mittelpunkt im Leben.

Gibt es einen Moment in all den Jahren, an den du besonders gerne zurückdenkst?
Es gibt eine Menge. Aber ein wirklich einzigartiger Moment war für mich 2009. Da habe ich für die 7er-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Hannover gespielt – im großen Fußballstadion. Das war schon etwas ganz Besonderes. Dort haben wir gegen die Niederlande gespielt und ich habe nur die Eintracht gehört und gesehen. Da hatte ich einfach Gänsehaut. Vielleicht hat es mich überfordert, es war nämlich nicht mein bestes Spiel, aber zu sehen, dass diese Leute meinen Namen brüllen und manche extra meinetwegen gekommen sind, das war schon überwältigend.

Zu guter Letzt: Was möchtest du allen Eintracht-Fans über die Rugby-Abteilung mit auf den Weg geben?
Ich kann nur sagen: Kommt vorbei und guckt’s euch an. Die Stimmung ist immer super bei uns und es macht viel Spaß zuzuschauen, es muss ja nicht jeder gleich spielen. Und wer noch keinen Sport hat oder noch einen sucht, der etwas anders ist, ist herzlich willkommen bei uns. Egal, welches Alter, welche Größe, und die Hautfarbe ist sowieso egal. Wir sind offen für jeden, kommt einfach vorbei!