Geduld, Glaube und Arbeit
„Eintrachts Überraschungs-Mann“, „Mo Dahoud rückt ins Rampenlicht“, „So kam es zum krassen Dahoud-Comeback“, mit dem keiner gerechnet habe: Die Schlagzeilen über Mo Dahoud, geboren am 1. Januar 1996 und seit Sommer 2024 bei Eintracht Frankfurt unter Vertrag, aus den vergangenen Wochen zeigen, dass etwas passiert sein muss mit dem Mittelfeldspieler. Fast ein Jahr hatte er nicht in der Startelf gestanden, ehe er mal wieder von Beginn an mit dem Adler auf der Brust mitwirken durfte. Die „Eintracht vom Main“ und EintrachtTV haben mit Dahoud über diese Zeit, seine fußballerische Karriere und weitere große Leidenschaften gesprochen.

Interview: Lars Weingärtner
Reportage: Michael Wiener
Fotos: Bianca Jockel

Mo Dahoud mag offensichtlich Herausforderungen. „Woher weißt du, dass ich mich gerne duelliere?“, fragt er EintrachtTV-Redakteur Lars Weingärtner. „Von Seppl Rode“, entgegnet Weingärtner, ehe es an diesem grauen Tag im Stadtwald zur ersten Station geht. Im Medienraum im ProfiCamp im Deutsche Bank Park ist eine Mini-Tischtennisplatte aufgebaut. Dahoud gegen Weingärtner heißt es in den nächsten Minuten.

Der Mittelfeldspieler – ein spielstarker Sechser, aber auch schon etwas weiter nach vorne zum Einsatz gekommen – mag aber auch die Herausforderungen abseits der Spaß-Challenges, als Fußballprofi. Keine Partie von Beginn an hatte er im ersten Halbjahr 2025 absolviert, nachdem er im August des Vorjahres von der englischen Südküste und der Premier League (Brighton, ausgeliehen an Stuttgart im zweiten Halbjahr 2023/24) an den Main in die Bundesliga gewechselt war. Dennoch blieb der mittlerweile 29-Jährige bei der Eintracht, wollte sich durchbeißen. Warum, das erklärt er im ersten Teil des Interviews.

Mo, in den vergangenen Spielen bist du wieder zum Einsatz gekommen, nachdem du fast ein Jahr auf eine Rückkehr in die Startelf warten musstest. Wie war das Jahr für dich?
Es war nicht einfach. Aber ich bin immer positiv geblieben, habe der Mannschaft geholfen, sodass wir unsere Ziele erreichen. Was wir dann auch im Sommer geschafft haben mit Platz drei in der Liga. 

Dann warst du nicht mit im Trainingslager in den USA, viele Außenstehende haben mit deinem Abgang gerechnet. Du bist geblieben. Wie hast du die vergangenen Wochen erlebt?
Für jeden Fußballer sind solche Phasen, in denen er nicht auf seine Spielminuten kommt, schwierig. Aber es kann im Fußball eben auch sehr schnell in die andere Richtung gehen. Ich habe immer an mich geglaubt, Gas gegeben, auf mich geachtet und bin gesund geblieben. Wichtig ist, positiv zu bleiben und auf den Moment zu warten.

Was hat dir in dieser Zeit geholfen? Wer gibt dir Kraft, wenn es mal nicht so läuft?
Vor allem meine Familie – meine Geschwister und meine Eltern. Aber du musst auch selbst mit dir im Reinen sein. Jeden Morgen aufstehen, positiv bleiben, den Tag genießen. Wenn du mitten in so einer schwierigen Phase steckst, ist das hart, aber du wächst mit der Aufgabe. Ich habe mir gesagt: Ich kann nur das beeinflussen, was in meiner Hand liegt. Den Rest lasse ich los.

Dino Toppmöller, der Cheftrainer, hat öffentlich immer gesagt, dass du dich nicht hängen gelassen hast und immer da warst für die Truppe. Wie sind die Worte bei dir angekommen?
Das ist positiv. Es zahlt sich aus, wenn du dranbleibst. Aber es ist eine Leidenszeit für jeden Fußballer, wenn er nicht spielt. Da müssen wir nicht drum herumreden.

Wie hat Dino intern mit dir kommuniziert, bevor er dich wieder eingesetzt hat?
Er hat mir gesagt, dass es nicht mehr lange dauert, bis ich meine Chance bekomme. Ich solle so weitermachen, ich würde gut trainieren. Der richtige Zeitpunkt hat noch gefehlt. Jetzt habe ich meine Möglichkeit bekommen und versucht, der Mannschaft zu helfen.

Was hat dir geholfen, in dieser langen, du nennst es selbst Leidenszeit, den Kopf oben zu behalten?
Die Liebe zum Fußball. Ich bin dankbar, dass ich auf diesem Niveau spielen und

trainieren darf. 

Wenn man dich hier im ProfiCamp sieht, bist du immer einer, der ein Lächeln auf den Lippen hat.
Das ist wichtig, für die Kabine für die Jungs. Immer positiv bleiben!

Wie war es dann für dich, als du endlich wieder spielen, den Rasen von Beginn an betreten durftest?
Wenn du dieses Gefühl nicht mehr so kennst, gibt es nichts Schöneres, als auf dem Platz zu stehen und mit der Mannschaft zu gewinnen [die Partie mit seinem ersten Startelfeinsatz seit elf Monaten gewinnt die Eintracht mit 1:0 gegen Mainz; Anm. d. Red.]. Du schläfst dann nicht in der Nacht danach und willst dieses Gefühl noch lange behalten. Das kannst du nicht kaufen!

Das Tischtennis-Duell geht nach einigen harten Ballwechseln an Dahoud, der es ohne Trashtalk schafft. Auf dem Rasen sei das anders, „zu viel manchmal“, gibt er zu. „Can und Mario sind richtig gut, aber ich bin der beste Spieler an der Platte aus der Mannschaft“, sagt der in Syrien geborene und im Alter von neun Monaten nach Deutschland gekommene Dahoud lächelnd, während er konzentriert um den nächsten Punkt kämpft.

Die nächste Herausforderung wartet nun an der Kaffeemaschine. Zu Dortmunder Zeiten war im BVB-Magazin zu lesen, dass kein Barista der Stadt „auch nur annähernd an die Künste von Mo Dahoud herankommt“. Bei der Frage, wer den besten Kaffee in der Mannschaft zaubere, gibt er sich bescheiden. „Alle machen das gut.“ Wie gut er es macht, zeigt er an der an diesem Tag eigens auf dem ProfiCamp-Gelände eingerichteten Barista-Station mit Robin und Salar von den Brewdis.

„Ich habe schon immer eine Leidenschaft für Kaffee, schon von klein auf. Ich habe immer mal genippt bei Mama. Natürlich durfte ich nicht, aber es hat geschmeckt“, erzählt Dahoud auf dem Weg von der Tischtennisplatte zur mobilen Barista-Station. „Meine erste Maschine hatte ich mit 19, 20. Ein Experte hat mir alles eingestellt, mir alles gezeigt.“

Bei der Barista-Challenge hat sich der an der Kaffeemaschine etwas unerfahrenere Weingärtner tapfer geschlagen und sein Können unter Beweis gestellt. Am Ende konnte jedoch Dahoud mit präziser Technik, gut geschäumter Milch und kreativer Art überzeugen und den Sieg sichern.

Dahoud hat also seine Barista-Künste bewiesen. Seine Leidenschaft für Fußball ist freilich mindestens genauso groß – und hat schon dazu geführt, dass er sich zu Hause einen Fußballplatz gebaut hat. Über seine Art, Fußball zu spielen, spricht Mo Dahoud im zweiten Teil des Interviews.

Wenn man dich spielen sieht, fällt sofort deine enorme Ballsicherheit auf. Du hast früher viel auf der Straße gekickt. Hast du dir dort diese Fähigkeiten angeeignet?
Ja, klar. Wir haben viel in der Siedlung gespielt. Mit allen möglichen Leuten. Gleichzeitig habe ich aber auch viel selbst trainiert und investiert – oft auch zusammen mit meinem Vater.

Was hast du von dort sonst noch mitgenommen?
Durchsetzungsvermögen. Und den Willen, immer zu gewinnen.

Früher hast du dir jedes deiner Spiele im Nachhinein noch einmal angesehen. Machst du das heute noch?
Ich bekomme die Szenen nach dem Spiel zugeschickt und schaue sie mir an. Auf dem Platz nimmt man bestimmte Situationen ganz anders wahr. Wenn du die Bilder danach siehst, merkst du manchmal, dass gewisse Szenen doch nicht so verliefen, wie du sie in dem Moment empfunden hast. Von außen wirkt vieles einfacher. Deshalb hilft das Video, um Entscheidungen und Wahrnehmungen nochmal klar einzuordnen.

Während der Corona-Zeit hast du dir in Dortmund sogar einen eigenen kleinen Platz gebaut, damit du weiter trainieren kannst.
Ja, die Terrasse war groß genug. Ich habe Kunstrasen ausgelegt und mir einen kleinen Soccer-Court gebaut. In dieser Zeit konntest du sonst nichts machen. Da war ich bestimmt drei Wochen fast komplett zu Hause und habe für mich trainiert.

Würdest du sagen, dass du ein perfektionistischer Typ bist?
Früher auf jeden Fall – da war es extrem. In der Jugend habe ich jede Kleinigkeit perfektionieren wollen. Mein Trainer meinte damals: „Mo, du musst nicht jeden Trick machen.“ Aber für mich war das wichtig, weil ich Angst hatte, das Gefühl dafür zu verlieren. Dieser Ablauf gibt mir Sicherheit.

„Männer, bis zum nächsten Mal, vielen Dank“, verabschiedet sich Dahoud von Robin und Salar. Auf dem Weg in die Spielerlounge erzählt Dahoud über seine Ernährungsgewohnheiten. „Gesunde und bewusste Ernährung ist wichtig als Profisportler, ich achte darauf. Und koche auch gerne, wenn ich Zeit habe“, sagt Dahoud. In der Spielerlounge verbringen Dahoud und Co. die Zeit vor oder zwischen Trainingseinheiten und Behandlungen. An der Wand hängt eine Dart-Scheibe, in der Mitte steht ein Billard-Tisch.

Dahoud schnappt sich den Queue, weiter geht’s mit der nächsten Challenge. Obwohl Dahoud schon lange kein Billard mehr gespielt hat, legt er gut los und versenkt Kugel um Kugel. Lars kämpft sich stark zurück, am Ende behält Dahoud die Oberhand. Der Fußballprofi stellt jedoch eine Revanche in Aussicht.

Dahoud legt nun den Billard-Queue zur Seite und nimmt sich Zeit für den dritten Teil des Interviews, in dem es um seine Anfänge im Fußball, sein Profidebüt und besondere Spiele seiner Karriere geht.

Blicken wir etwas zurück in dein Leben, in deine fußballerische Laufbahn. Welche Erinnerungen hast du an deine ersten Trainingseinheiten oder Spiele beim SC Germania Reusrath?
Das war noch auf Asche – richtig alte Schule. Meine Eltern waren immer dabei. Das erste Training und das erste Spiel dort waren etwas ganz Besonderes. 

Du bist dann erst zu Leverkusen, später zu Fortuna Düsseldorf gewechselt. Wie lief das ab?
Bei Leverkusen habe ich eine Woche lang ein Probetraining gemacht, sogar bei Älteren, weil die Spieler in meinem Alter zu dem Zeitpunkt in Katar waren. Ich habe gut trainiert, aber am Ende hieß es, ich sei körperlich zu schwach. Ich war zehn Jahre alt und dachte, meine Karriere sei vorbei. Ich habe so viel geweint. Mein Vater hat dann bei Fortuna angerufen – mit gebrochenem Deutsch – und gesagt: „Ich habe super Spieler für dich“ (lacht). Ich durfte vorbeikommen, habe ein Probetraining gemacht, aber weil die Saison schon lief, konnte ich nicht direkt angemeldet werden. Also habe ich einfach mittrainiert – und im nächsten Wechselfenster war ich dann offiziell im Team.

Später kam der Wechsel nach Gladbach – und ein unglaubliches B-Jugend-Jahr, in dem ihr 21 von 26 Spielen in der West-Gruppe der Bundesliga gewonnen habt, aber trotzdem nicht Meister geworden seid, weil Schalke 04, unter anderem mit Leroy Sané, noch besser war. Welche Erinnerungen hast du daran?
Sehr schöne. Wir hatten eine richtig starke Mannschaft – Gianluca Rizzo, Sinan Kurt, viele Top-Spieler. Sinans linker Fuß war brutal. Und unser Trainer Thomas Flath [früher unter anderem Jugendtrainer und Jugendkoordinator in Düsseldorf, Schalke und Mönchengladbach; Anm. d. Red.] hat uns sehr geprägt.

In Gladbach hast du auch dein Profidebüt gefeiert. Welche Erinnerungen hast du daran?
Ich durfte direkt international ran, in der Qualifikation zur Europa League. Eine tolle Sache, dass ich als 18-Jähriger mit dabei sein durfte und auch zum Einsatz gekommen bin. Aber mein erstes richtiges Highlight war der Supercup vor der Saison mit dem BVB gegen die Bayern 2017, wir habe nach Elfmeterschießen verloren. Mein erstes Mal im großen Stadion. Ich war nervös und die Kollegen haben mich ein bisschen aufgezogen, so wie man das früher eben gemacht hat. Die Kabine war damals noch etwas fieser (lacht).

Du hast Mönchengladbach, Dortmund, Brighton, Stuttgart und jetzt Frankfurt erlebt. Welche Stadt hat dir am besten gefallen?
Brighton war für mich schwierig – vom Vibe her, einfach nicht meins. Stuttgart war okay, aber ich war nur kurz dort. Düsseldorf ist meine Lieblingsstadt, da kommt nichts ran. Frankfurt ist für mich aber direkt dahinter – richtig schöne Stadt. Dortmund war fußballverrückt, coole Fans. Und was die Fans in Frankfurt angeht: Die sind keine normalen Fans – das ist eine Einheit.

Gibt es ein Fußballspiel, das du nie vergessen wirst?
Frühjahr 2017, Zwischenrunde Europa League mit Borussia Mönchengladbach. Wir hatten das Hinspiel zu Hause gegen Florenz mit 0:1 verloren und lagen in Florenz nach einer halben Stunde mit 0:2 zurück. Dann haben wir das Spiel noch gedreht, binnen einer Viertelstunde auf 4:2. Das war auch der Endstand, ich habe bis zur 80. Minute gespielt. Ein unglaubliches Gefühl. Dazu der DFB-Pokalsieg mit dem BVB gegen Leipzig 2021. 4:1, ich habe das 1:0 von Sancho vorbereitet.

Was hast du dir für die nächsten Wochen vorgenommen?
Weiter Gas geben. Der Trainer entscheidet, wer spielt. Aber man muss ihm die Entscheidung so schwer wie möglich machen.

Hast du noch Träume, was du unbedingt noch machen möchtest?
Formel 1 fahren! (lacht)