„Frankfurt bleibt mein Zuhause“
In die Bundesliga-Geschichtsbücher hat es Marcel Titsch Rivero im Abstiegskampf 2011 geschafft, heute kickt der 36-Jährige ein paar Ligen tiefer unweit der Mainmetropole. Kürzlich war er bei der Eintracht-Show „Im Herzen von Europa“ zu Gast, danach hat er mit der „Eintracht vom Main“ über vergangene Tage und Zukunftspläne gesprochen.
Wenn Marcel Titsch Rivero heute über seine Zeit bei SV Pars Neu-Isenburg geht, spürt man sofort, dass er den Fußball noch immer lebt – auch jenseits des Profibereichs. Der gebürtige Frankfurter trägt das Trikot einer Mannschaft, die in der Verbandsliga Hessen Süd um Punkte kämpft. „Das ist hier wieder ein bisschen zurück zu den Basics“, sagt er. „Man merkt, dass die Jungs einfach spielen, weil sie es lieben, und genau das macht es für mich besonders.“ Zur Winterpause steht Pars im Tabellenmittelfeld, Titsch-Rivero kommt auf elf Einsätze.
Es ist kein Zufall, dass Titsch Rivero heute für einen jungen Verein spielt, der erst 2014 gegründet wurde. Der SV Pars Neu-Isenburg wächst und mit ihm Titsch Rivero in seiner neuen Rolle. „Meine Familie lebt hier, unsere Freunde sind hier, das macht vieles einfacher. Mit Kindern und Großeltern in der Nähe ist das Leben einfach entspannter“, erzählt er. Dass ihn seine Fußballreise zurück in diese Region führte, hat Symbolcharakter. Schon als Kind schnürte er hier in Neu Isenburg bei der SpVgg. 03 seine ersten Fußballschuhe.
Seine Laufbahn liest sich wie ein Stück ehrlicher Fußballgeschichte. Bei Eintracht Frankfurt wurde er 2009 Profi, unter Trainer Christoph Daum feierte er sein Bundesliga-Debüt in Sinsheim und absolvierte insgesamt über 250 Pflichtspiele im Profibereich. In Heidenheim wurde er Leistungsträger, stieg 2014 unter Trainer Frank Schmidt in die Zweite Bundesliga auf und gehörte über Jahre zu den konstantesten Spielern des Vereins. „Der Aufstieg mit Heidenheim war sicher eines der Highlights meiner Karriere“, erinnert er sich. „Nicht nur, weil es sportlich ein Erfolg war, sondern weil das Team damals einfach unglaublich war. Wir waren wie eine Familie, auf und neben dem Platz.“
„So blöd es vielleicht klingt, aber mittlerweile gehört die schnellste rote Karte irgendwie auch ein Stück zu meiner Story dazu.“
Auch schwierige Momente gehören zu seiner Geschichte. Da ist diese berühmt-berüchtigte Rote Karte, als er – gerade von Trainer Christoph Daum für Sebastian Rode eingewechselt – nach 43 Sekunden auf dem Platz im Saisonfinale 2011 nach einem Foul an Dortmunds Marcel Schmelzer schon wieder vom Feld musste. Sie prägte seine Karriere, heute betrachtet der gebürtige Frankfurter es gelassen: „So blöd es vielleicht klingt, aber mittlerweile gehört es irgendwie auch ein Stück zu meiner Story dazu. Es war damals nichts Dramatisches für den Verein, aber natürlich nagt so etwas auf persönlicher Ebene als junger Spieler. Es war schon sehr unglücklich. Heute kann ich jedoch darüber lachen.“
Er erinnert sich, wie Ioannis Amanatidis nach dem Spiel zu ihm kam und ihm Mut zusprach: „Da kommen noch ganz andere Momente in deiner Karriere auf dich zu.“ Dieser Rat half ihm, das Erlebnis zu relativieren. Gleichzeitig merkte er: „Wenn irgendwelche Rekorde fallen, wird mein Rekord oft gleich mit erwähnt. Man hat sich mittlerweile schon so dran gewöhnt, dass man sich das schwer vorstellen kann ohne.“
Während seiner aktiven Karriere öffnete sich für Marcel Titsch Rivero eine ungewöhnliche Tür. Ein Angebot der Western Sydney Wanderers lockte ihn ans andere Ende der Welt. Trainer Markus Babbel, dazu Alex Meier und Pirmin Schwegler, alte Frankfurter Weggefährten, hätten ihn dort erwartet. Der Reiz, mit ihnen in einer neuen Liga zu spielen, war groß. „Das wäre sicher ein spannendes Abenteuer geworden. Letztlich war es damals einfach nicht der richtige Moment in meinem Leben“, sagt er.
Auch Jahre nach seiner Profi-Zeit ist seine Verbundenheit mit der Eintracht ungebrochen. Titsch Rivero verfolgt den Verein aufmerksam und beobachtet besonders die jungen Spieler. „Die Eintracht hat in den vergangenen Jahren immer wieder junge Talente hervorgebracht, die mit ihrer Entwicklung und ihrem Mut beeindruckt haben“, sagt er. Nathaniel Brown ist ihm dabei besonders aufgefallen: „Er spielt mit unglaublicher Präsenz, denkt offensiv wie defensiv sehr klug mit und scheut sich im Zweikampf nicht. Man merkt sofort, dass er Verantwortung übernimmt.“ Auch Hugo Larsson beeindruckt den Mittelfeldspieler: „In dem Jungen steckt enorm viel Potenzial. Er ist mutig, will nach vorne spielen und zeigt, dass er das Spiel gestalten kann.“
Der 36-Jährige ist nicht nur semiprofessionell immer noch am Ball, sondern engagiert sich auch abseits des Platzes. Aktuell arbeitet er daran, eine kleine Akademie aufzubauen. „Das beansprucht ziemlich viel Zeit“, sagt er, „aber es ist ein kleiner Traum, den ich mir gerne verwirklichen möchte.“ Das Projekt läuft teils in Kooperation, teils eigenständig. „Es ist genau das, was es spannend macht. Man lernt unglaublich viel dazu, weil alles unabhängig läuft und man eigene Schwerpunkte setzen kann.“ Parallel dazu hat er während seiner aktiven Zeit ein Fernstudium im Bereich der Wirtschaftspsychologie begonnen. „Mich hat immer interessiert, wie Menschen in Teams funktionieren – im Sport, aber auch im Alltag. Das hat mir geholfen, meine zweite Karriere vorzubereiten.“ Seine Erfahrung als Profi, gepaart mit diesem Wissen, macht ihn zu einem natürlichen Mentor.
Heute spürt man, dass Titsch Rivero den Fußball nie nur als Beruf verstanden hat. „Klar, das Umfeld ist anders, aber am Ende verbindet uns alle das Gleiche: die Freude am Spiel. Und genau das macht es aus.“
Text: Max Aurea
Fotos: Jan Hübner, Eintracht