Bella Napoli – ein Leben für den Fußball!
UEFA-Cup-Gewinner 1989: SSC Neapel. Auf dem Weg zudem größten Erfolg in der Geschichte des 1904 gegründeten Vereins mußten sich zwei deutsche Vereine geschlagen geben. Im Halbfinale setzte sich der SSC gegen den FC Bayern München durch (2:0/3:3), der damals vom heutigen Eintrachttrainer Jupp Heynckes betreut wurde; im Finale behauptete sich Neapel gegen den VfB Stuttgart (2:1/3:3), für den damals der heutige Eintrachtspieler Maurizio Gaudino am Ball war. Diego Maradona, Carnevale, Careca, Alemao oder Ferrara hießen vor fünf Jahren die Stars des SSC Neapel, der damals wohl die beste (und teuerste) Mannschaft seiner Vereinsgeschichte besaß.
Das heutige Team des SSC Neapel ist mit der Erfolgsmannschaft von 1989 nicht vergleichbar. Nach einer bitteren 2:5-Heimniederlage gegen den AC Florenz ist Neapel am vergangenen Sonntag auf den 14. Tabellenplatz in der Serie A abgestürzt.
Auch Vujadin Boskov (63), der am 18. Oktober das Traineramt vom erfolglosen Vinzenco Guerini übernahm und gleich mit einer Erfolgsserie an seinem neuen Arbeitsplatz begann, konnte unter dem Strich noch keine Wunder bewirken. Der gebürtige Jugoslawe (58 Länderspiele für Jugoslawien) hat erst vor wenigen Wochen die italienische Staatsbürgerschaft angenommen. Auf seinen zahlreichen Trainerstationen feierte der ehemalige Nationaltrainer Jugoslawiens zahlreiche Erfolge, wurde Meister mit Novi Sad (Jugoslawien), Pokalsieger mit Den Haag (Holland), Meister und Pokalsieger mit Real Madrid, Meister, Pokalsieger und Europapakalsieger mit Samdoria Genua und war ferner bei Feyenoord Rotterdam, Real Saragossa, Sporting Gijon, Ascoli
Calcio und AS Rom als Trainer tätig.
Boskov bescheinigte der Mannschaft des SSC Neapel bei seinem Amtsantritt vor einem Monat mangelhafte Kondition und machte sich sogleich daran, das Spielsystem zu ändern. der Abwehr stellte er auf Manndeckung um und zügelte den Offensivdrang des brasilianischen Liberos Alves da Cruz (gefährlichster Freistoßschütze), der nunmehr Ausputzer spielt. Außerdem verstärkte Boskov das Mittelfeld seiner jungen Mannschaft um den Star der Mannschaft, Benito Carbona, ein wie seine Vorgänger Maradona und Zola kleinwüchsiger, aber schußgewaltiger Dribbelkünstler. Dahinter schaltet und waltet der Franzose Alain Boghossian, der meist die Konterattacken einleitet. Noch nicht in Bestform ist der dritte Ausländer, Neuzugang Freddy Rincon. Der Kolumbianer mit dem unbändigen Offensivdrang wurde von Boskov zuletzt sogar im defensiven Mittelfeld eingesetzt, weil er noch nicht die richtige Bindung zum Spiel gefunden hat.
Im Angriff ist Massimo Agostini, die einzige Spitze, ein Stürmer der Sonderklasse. Er erzielte auch am vergangenen Sonntag bei der 2:5-Heimniederlage gegen den AC Florenz vor den Augen von Jupp Heynckes zwei Treffer, einen mit dem linken, den anderen mit dem rechten Fuß mit trocknen Schüssen. 50.000 Zuschauer
wohnten diesem Spiel bei, gegen die Eintracht wird das Stadion San Paolo Furigrotta beim Rückspiel am 7. Dezember mit rund 80.000 Zuschauern ausverkauft sein. Die "Hölle des Südens" sagen selbst die Italiener über das Stadion San Paolo in Neapel. Alles dreht sich in der restlos überschuldeten Metropole in der Südspitze Italiens um den Fußball. Kein Trainingstag in Neapel, an dem nicht mindestens 50 Journalisten, Fotoreporter und Kamerateams vor Ort sind. Die Fans bleiben draußen vor dem schweren Eisentor des Trainingszentrums
"Campo Paradiso". Wie sollte eine Mannschaft vernünftig trainieren, wenn tausend hitzköpfige Süditaliener den Platz umlagern?
ln Neapel gehen die Uhren anders. Die Hafenstadt am Fuße des Vesuvs quillt noch um Mitternacht über vor Autos. Neapel: Das ist ein lärmendes, stinkendes, faszinierendes, chaotisches Durcheinander. ln Neapel sichern sie nachts ihre Fiats mit faustdicken Eisenketten, weil sie sonst mit 90prozentiger Wahrscheinlichkeit geklaut würden. Den Fremden erkennt man sofort daran, daß er sein Auto stehen läßt, ohne das Autoradio unter den Arm zu klemmen und mitzunehmen zum Einkaufen oder eben ins Stadion.
Es gab Jahre, da setzte der Verein über 50.000 Dauerkarten ab. 10.000 Menschen, so·schätzt man, leben in Neapel irgendwie vom Fußball, aber nie ganz legal. Sei es als Camora-zugehörige Kartenverkäufer, als Eintreiber oder Auszahler des "Totonero", der verbotenen Version des Totos, dessen Quoten dennoch in den Tageszeitungen Neapels abgedruckt werden. Fußball ist eben fast alles für den Neapolitaner.
Wie man gegen den SSC Neapel bestehen kann, hat als bisher einzige deutsche Mannschaft der 1. FC Kaiserslautern vorgemacht. Er schaltete im UEFA-Cup-Wettbewerb 1982/83 den SSC nach einer 1:2-Niederlage in Neapel durch einen 2:0-Sieg auf dem Betzenberg aus.