Wie die richtige Altersgruppe den Unterschied macht
Im Nachwuchsfußball gewinnt das Konzept des „Bio-Banding“ immer mehr an Bedeutung. Mark Brinkbäumer, Leiter Athletik und Prävention im Nachwuchsleistungszentrum der Eintracht, erklärt, weshalb Bio-Banding für die sportliche Entwicklung junger Fußballer entscheidend ist und welche Chancen und Herausforderungen mit der Umsetzung dieses Konzepts verbunden sind.
Fangen wir ganz grundlegend an: Was versteht man unter Bio-Banding?
Im normalen Mannschaftskontext haben wir die Spieler nach ihrem chronologischen Alter sortiert, sprich nach den Jahrgängen, in denen sie geboren sind. Da wir in Bezug auf den Entwicklungsstatus aber teilweise große Unterschiede zwischen den Spielern haben, werden die Mannschaften beim Bio-Banding nicht nach ihrem chronologischen, sondern nach ihrem biologischen Alter sortiert. Das heißt, die Mannschaften der U10, U11, U12 und U13 bilden einen Spielerpool, aus dem fünf neue gemischte Gruppen gebildet werden.
Welche Vorteile siehst du in der Anwendung von Bio-Banding für die Leistungsentwicklung junger Spieler im Vergleich zur herkömmlichen Einteilung in chronologische Altersklassen?
Ein Vorteil von Bio-Banding ist, dass wir große Unterschiede zwischen dem chronologischen und dem biologischen Alter ausgleichen können. Allein der chronologische Altersunterschied zwischen einem im Januar und einem im Dezember geborenen Spieler beträgt schon fast zwölf Monate. Zusätzlich können unterschiedliche Entwicklungsstadien hineinspielen. In einer nach Jahrgängen eingeteilten Gruppe können somit Unterschiede im biologischen Alter von bis zu sechs Jahren entstehen. Diese Unterschiede können wir mithilfe von Bio-Banding ausgleichen und somit den Spielern besser gerecht werden.
Wie wird das biologische Alter gemessen und bestimmt?
Das biologische Alter kann auf verschiedene Art und Weisen gemessen werden. Zum einen durch indirekte Methoden, bei denen sich anhand verschiedener anthropometrischer Merkmale, wie Körpergröße, Körpergewicht und Sitzhöhe, der Entwicklungsstatus des Spielers abschätzen lässt. Zudem kann man die Größe der Eltern als Faktor hinzuziehen, weil diese Aufschluss über genetische Anlagen geben kann. Zum anderen haben wir anhand eines Ultraschall-Messgeräts die Möglichkeit der direkten Messung. Durch drei Messungen an der Hand lässt sich der skelletale Reifegrad analysieren und dadurch auf das biologische Alter eines Spielers schließen.
Warum ist es besonders im Fußball wichtig, den biologischen Entwicklungsstand zu berücksichtigen?
Wenn wir nach dem chronologischen Alter trainieren, stellen wir sowohl früh- als auch spätentwickelte Spieler vor ein paar Probleme: Die Spieler, die schon weit entwickelt sind, setzen sich eher körperlich durch, vernachlässigen dadurch aber die technisch-taktische Lösungsfindung. Die spätentwickelten Spieler müssen technische beziehungsweise taktische Lösungen finden, da sie sich physisch nicht durchsetzen können. Häufig vermeiden Spieler dadurch den physischen Ansatz, der im Erwachsenenalter, wo alle gleich weit entwickelt sind, jedoch wichtig ist.
„Wenn wir individueller auf den Reifestatus eingehen können, haben wir die Möglichkeit, den Spieler wirklich optimal zu fördern.“
Wie wird Bio-Banding im Nachwuchsfußball und vor allem im Nachwuchsleistungszentrum von Eintracht Frankfurt aktuell implementiert?
Wir implementieren das Bio-Banding in zwei verschiedenen Altersbereichen: Wir haben zum einen die Jahrgänge U10 bis U13 und zum anderen die Jahrgänge U14 bis U16 in jeweils einen Pool gefasst, in dem die Spieler nach ihrem biologischen Alter sortiert werden. Im ersten Schritt wird eine Messung des Reifestatus durchgeführt, mit der wir das biologische Alter der Spieler einschätzen können. Dann gibt es eine Diskussionsrunde mit den Trainer:innen, in der wir die Gruppen nochmal auch aus sportlicher Perspektive diskutieren. Anschließend werden die Mannschaften in kleinere Gruppen eingeteilt, die nach dem biologischen Alter sortiert sind. In diesen kleineren Gruppen werden vor allem kleine Spiel- und Zweikampfformen gewählt und trainiert, damit wir direkte, physische Duelle forcieren können.
Welche Herausforderungen gibt es in der Kommunikation mit den Spielern und den Eltern?
Es kommt vor, dass sich spätentwickelte Spieler teilweise degradiert fühlen, wenn sie in eine Mannschaft mit Spielern aus einem jüngeren Jahrgang eingeteilt werden. Die Einteilung in die jüngere Kohorte wird mit einer schlechten sportlichen Bewertung assoziiert. Das stimmt allerdings nicht und hat nichts damit zu tun, dass wir mit der Leistung der Spätentwickler unzufrieden sind. Die Unzufriedenheit der Spieler wird an die Eltern weitergegeben, die anschließend ihre Beschwerden äußern. Hier ist es besonders wichtig, sowohl Spieler als auch Eltern über die zuvor erläuterten Vorteile aufzuklären. Es muss klar gemacht werden, warum diese Maßnahme individuell für den Spieler gut ist, um Akzeptanz zu schaffen. Wir versuchen, die Erziehungsberechtigten über Elternabende abzuholen, und führen zusätzlich individuelle Gespräche, wenn weiterer Klärungsbedarf besteht.
Inwiefern stärkt das Bio-Banding die individualisierte Ausbildung des Nachwuchsleistungszentrums?
Im Nachwuchssport ist der Reifeprozess der Spieler mit das Essenziellste. Das heißt, wenn wir individueller auf den Reifestatus eingehen können, haben wir die Möglichkeit, den Spieler wirklich optimal zu fördern. Wir müssen schauen, dass wir den Spieler nicht unter-, aber auch nicht überfordern. Das Bio-Banding ist hierbei von großem Nutzen und stellt ein wichtiges Werkzeug zur individuellen Förderung unserer Spieler dar.
Glaubst du, dass Bio-Banding langfristig die Struktur des Nachwuchsleistungsfußballs verändern wird?
Ja, auf lange Sicht glaube ich, dass Bio-Banding die Struktur des Nachwuchsfußballs nachhaltig beeinflussen wird. Im Sinne des einzelnen Spielers müssen wir dahinkommen, ihn auf der Einzelbasis besser abzuholen und regelmäßig nach dem biologischen Reifegrad sortiert zu trainieren und in entsprechenden Wettkämpfen antreten zu lassen.