Mehr als ein Taxi

Im Nachwuchsleistungszentrum von Eintracht Frankfurt finden sich Talente aus der Rhein-Main-Region und darüber hinaus zusammen. Viele von ihnen leben außerhalb von Frankfurt und müssen teils große Strecken zu Training und Spielen zurücklegen – und können sich dabei auf den Fahrdienst verlassen. Die rund 30 Fahrerinnen und Fahrer bringen tagtäglich zahlreiche Spieler zum Riederwald und von dort zurück in ihre Heimat und legen dabei in der Woche hunderte Kilometer zurück. Ein Nachmittag auf Tour. 

 

Für Malte beginnt der Arbeitstag als Fahrer gegen 15 Uhr. Der langjährige Eintracht-Fan ist seit August 2024 in Teilzeit als Fahrer für das Nachwuchsleistungszentrum angestellt und trägt als dieser dafür Sorge, die ihm anvertrauten Spieler sicher zum Training und abends zurück nach Hause zu bringen. Seine Route führt ihn viermal in der Woche von Wiesbaden nach Idstein, über Limburg und Zeilsheim bis zum Riederwald. Dabei kommt eine ordentliche Strecke zusammen. „Wir haben es mal ausgerechnet“, lacht Malte. „Plus-Minus sind wir dabei auf rund 1.200 Kilometer in der Woche gekommen. Das hängt aber natürlich auch davon ab, wen ich an dem jeweiligen Tag mitnehme und wohin ich entsprechend fahren muss.“ 

Er selbst teilt sich die Route mit einem weiteren Fahrer, der gleichzeitig noch Springer auf einer anderen Strecke ist. Obgleich jedem eine bestimmte Strecke zugeteilt ist, stehen die Fahrer daher untereinander in engem Austausch, um die jeweiligen Fahrten zu koordinieren. Auch zu den Eltern der Spieler halten sie engen Kontakt, um zu klären, wer den Fahrdienst in Anspruch nimmt und wer selbstständig zum Riederwald fährt. 

Heute hat Malte nur zwei Spieler im Wagen: Die U17-Torhüter Marlon Franzen und Anas El Morabit. Pusat Ay, der normalerweise ebenfalls mit Malte zum Training fährt, musste bereits früher an den Riederwald und ist daher ausnahmsweise nicht mit von der Partie. 

Die Stimmung im Auto ist entspannt, in der Regel nutzen die Jungs die Fahrt, um nach der Schule etwas abzuschalten, wie Malte erklärt: „Auf der Hinfahrt ist es oft so, dass sich die Jungs einfach zurücklehnen, die Augen zu machen, in eine Ruhephase gehen und nochmal den Tag Revue passieren lassen. Oft reden wir aber auch über alles Mögliche – über Sachen, die bei den Jungs anstehen, über das Training oder Schulaufgaben.“ Mit den ihm anvertrauten Spielern sei dadurch bereits eine besondere Beziehung entstanden. „In gewisser Weise ist meine Rolle wie die eines großen Bruders“, berichtet Malte. „Die Jungs sprechen gerne mit jemandem, der nicht Familie oder Trainer ist, und brauchen auch mal den Input von anderen Leuten.“ Er fügt an: „Es ist auch cool, wenn einem die Spieler erzählen, dass sie aktuell für eine Mathearbeit lernen, und irgendwann später erfährt man, dass sie eine Eins bekommen haben und es supergut lief.“ Das sei es auch, was ihm persönlich am meisten Freude an seinem Job als Fahrer bereite: „Am coolsten ist, dass man mit den Jungs in Kontakt kommt, mit den Spielern, die ja zukünftige Profis werden sollen. Das sind Heranwachsende, die oft schon große Ziele im Kopf haben und diese erfüllen wollen.“ Malte ergänzt: „Wir alle haben eine andere Geschichte, alle irgendwie ein anderes Talent oder Können, und trotzdem kommen wir bei der Eintracht wieder zusammen.“ 

Auch den Spielern merkt man an, dass sie die Fahrt genießen. Mal werden zur Entspannung kurz die Augen zu gemacht, nur um im nächsten Moment wieder Witze zu reißen oder Anekdoten zu erzählen. Von diesen gibt es bei wöchentlich über
tausend Kilometern auf der Autobahn einige: „In Zeilsheim fahren wir zum Beispiel an einer Schule vorbei, wo eigentlich immer Schüler an der Bushaltestelle stehen, die dann jubeln, wenn der Eintracht-Bus vorbeifährt“, berichtet Malte. 

Der guten Stimmung kann auch ein Stau nichts anhaben, durch den sich Malte mittlerweile kämpfen muss. „Wenn ihr von hier aus los joggt, seid ihr wahrscheinlich pünktlicher beim Training als mit mir“, erklärt Malte den beiden Torhütern, die wiederum wenig Interesse an einem frühzeitigen Warm-up zeigen. Sie schätzen das Angebot des Fahrdienstes und die Zeit, die sie – trotz Stau – durch ihn gewinnen: „Ich habe, wenn ich von der Schule komme, viel mehr Zeit, um mich fertig zu machen und vielleicht nochmal kurz zu schlafen“, erklärt Anas. „Wenn ich mit der Bahn fahre, muss ich viel mehr planen, früher los und so weiter. Deswegen ist es viel angenehmer.“ Er ergänzt lachend: „Und der Fahrer ist auch sehr sympathisch.“ 

Trotz des zähen Feierabendverkehrs schafft es Malte, Anas und Marlon pünktlich zum Torwarttraining der U17 am Riederwald abzusetzen. Für ihn beginnt damit eine rund dreistündige Pause, die er zum Entspannen und Plaudern mit seinen Kolleg:innen nutzt. „Wir bleiben alle nach unserer Ankunft am Riederwald, holen uns einen Kaffee und unterhalten uns miteinander. Es ist ein cooles, kollegiales Verhältnis miteinander, wir reden über alle möglichen Dinge oder gucken zusammen beim Training zu“, berichtet Malte. „Manche Fahrer fahren während der Trainingszeiten eine zweite Route.“ Denn während das Training für die älteren Jahrgänge erst eine gute Stunde nach Maltes Ankunft am Riederwald beginnt, treten die jüngeren Spieler gegen 18.30 Uhr bereits den Heimweg an, sodass auf dem Parkplatz vor dem Trainingsgelände reger Betrieb herrscht. Chaos entsteht bei den ständigen Abfahrten und Ankünften erstaunlicherweise nicht, die einzelnen Kleinbusse fügen sich vielmehr wie ein Schweizer Uhrwerk zusammen, bis sich auch die letzten Spieler, die schon am frühen Nachmittag Training hatten, auf dem Heimweg befinden und auf dem Parkplatz vorerst Ruhe einkehrt. 

Auf die Relevanz des Fahrdienstes und sein sich tagtäglich wiederholendes Prozedere angesprochen, erklärt Malte: „Ich glaube, es ist superwichtig, weil die Jungs dadurch eine gewisse Struktur haben. Die wissen: Ich habe um diese Uhrzeit Training und werde um jene Uhrzeit abgeholt und kann mich dazwischen im Auto ausruhen und die Zeit mit meinen Teamkollegen genießen. Auch die Eltern sind glücklich, dass wir diesen Fahrdienst anbieten und die Jungs so sicher zum Riederwald und wieder nach Hause kommen.“ 

Die Zeit, während der die Fahrer auf das Ende des Trainings warten, vergeht schneller als gedacht. Gegen 20 Uhr kommen die ersten Spieler aus dem Kabinentrakt und teilen sich auf die bereitstehenden Wagen auf. Bis zur tatsächlichen Abfahrt vergeht in der Regel allerdings eine weitere halbe Stunde, wie Malte berichtet – wird doch hier und da gerne in der Kabine getrödelt. Die Besetzung im Wagen ist auf der Rückfahrt unterdessen eine andere: Neben Anas und Marlon liefert Malte an diesem Abend vier weitere Spieler zuhause ab – welcher von ihnen nach Trainingsende am längsten braucht, sei an dieser Stelle jedoch verschwiegen. 

Die Wartezeit, bis sich auch der letzte Spieler am Auto eingefunden hat, weiß sich jeder anders zu vertreiben. Während es sich der eine schon auf dem Beifahrersitz bequem macht, nutzt der andere die Gelegenheit, sich von Malte und seinen Kollegen Spanisch-Vokabeln abfragen zu lassen. Das ausgehende Flutlicht schafft es aber schließlich, auch den langsamsten Spieler zur Eile anzutreiben. So verlässt Malte gegen halb neun mit seinen sechs Mitfahrern den Parkplatz des Riederwalds und startet in die letzten beiden Stunden seines Arbeitstages, der um halb elf endet.