Den einzelnen Spieler im Fokus

Für Alexander Richter ist die Saison 2024 die dritte als Leiter des NLZ. Im Interview mit der Anpfiff-Redaktion spricht er über seine Erwartungen an die neue Spielzeit, die Relevanz einer individualisierten Ausbildung und die Verantwortung, die das NLZ für die Region hat. 

 

Gude, Alex! Bevor wir zu der Saison 2024/25 kommen, lass uns doch noch mal einen Blick zurückwerfen. Wie lautet Dein persönliches Fazit zur Saison 2023/24? 

Vor dem Hintergrund, dass Prozesse im Nachwuchsfußball in Summe schon sehr lange dauern, haben wir zuletzt überraschend zügig richtig gute Schritte in der Entwicklung unserer Spieler gemacht. Spieler im Lizenzspielerbereich unterzubringen – sei es in Trainingseinheiten oder Spielen – ist das Wichtigste für uns. Da sind wir aktuell richtig gut dabei und auf einem tollen Weg. Insgesamt haben wir eine gute Saison abgeliefert, aber weiterhin noch reichlich Potenzial für die nächsten Monate und Jahre. 

Stichwort Profibereich: Mehrere Talente wurden zuletzt mit Profiverträgen ausgestattet oder durften gar ihr Bundesliga-Debüt feiern. Wie läuft das Zusammenspiel mit dem Lizenzspielerbereich? 

Wir haben im Klub ein riesiges Commitment. Es gibt mehrere Stränge, die vom NLZ in den Profibereich und vom Profibereich zurück ins NLZ führen: egal ob es Markus Krösche als Sportvorstand ist, die Verbindung zwischen Nino Berndroth, Ramtin Mehdibehesht und Timmo Hardung in der Kaderplanung oder über Ralph Gunesch, der mit dem Trainerteam unserer Profis im ständigen Austausch über die NLZ-Spieler ist. Da haben wir echt einen starken Rückhalt. Nachwuchsarbeit wird großgeschrieben bei der Eintracht. Es wird darauf gesetzt, dass wir Spieler von Topqualität ausbilden, die im Deutsche Bank Park spielen – und wenn es für uns nicht reicht, sich trotzdem ihren Traum, Profi zu werden, erfüllen können. Das ist unser Job, an dem wir uns messen lassen wollen. 

Ein Stichwort, das in diesem Kontext, aber auch allgemein in Bezug auf die Ausbildung der Spieler, immer wieder fällt, ist das Thema „Individualisierung“. Kannst Du einmal umreißen, was genau das für uns bedeutet? 

Individualisierung heißt, den Spieler dort abzuholen, wo er gerade steht. Wir alle sind als Mensch von unseren Charakteren her, wo wir herkommen oder wie wir aufgewachsen sind, erst mal sehr unterschiedlich. Das sind die Basics, die wir kennenlernen müssen. Wir haben dafür individuelle Talententwickler im Team, die genau darin ihren Schwerpunkt haben. Im nächsten Schritt wird geschaut, auf welchem Entwicklungsstand die Spieler technisch, taktisch, athletisch und mental sind. Durch Testungen sammeln wir interessante Daten. So kommst du dann für jeden Spieler zu individuellen Lern- und Entwicklungsplänen. Wo früher alle über einen Kamm geschoren wurden, betrachten wir nun jeden Spieler sehr individuell mit allen Stärken und Schwächen. Außerdem muss die Eigenverantwortung des Spielers mit dazukommen. Dann sind wir auf dem richtigen Weg und können jedem individuell helfen. 

Lässt sich daraus schließen, dass individuell gute Spieler in Summe auch erfolgreiche Mannschaften ergeben? 

Ich bin fest davon überzeugt, dass ein hoher Grad an Individualisierung dazu führt, dass du Topmannschaften hervorbringst. Aber natürlich kommen noch ein paar andere Faktoren mit dazu. Es gibt sehr individuelle Ausbildungsinhalte bei uns was die jeweiligen Positionen betrifft, aber es bleibt eine Mannschaftssportart. Das heißt, ein Spieler muss seine Qualitäten auf seiner Position mannschaftsdienlich einbringen können. 

In der vergangenen Saison hat uns der Altersschnitt unserer Teams gerade in den älteren Ausbildungsjahrgängen ausgezeichnet. Sowohl in der U21 als auch in der U17 haben wir eine der jüngsten Mannschaften der jeweiligen Liga gestellt und auch die U19 ist mit sehr vielen Jungjahrgängen angetreten. Inwiefern spiegelt das unsere Ausbildungsphilosophie wider? 

Genau das wollen wir machen. Aber nur mit den Spielern, die zu dem Zeitpunkt so weit sind, schon einen Jahrgang hochzurücken. Stichwort: Individualisierung. Jeder wird da abgeholt, wo er gerade steht. Es gibt gegenüber dem kalendarischen Alter auch ein biologisches Alter, welches messbar ist. Wenn ein U15-Spieler beispielsweise ein biologisches Alter von 17 aufweist, könnte es Sinn machen, dass er auch bei der U17 trainiert und spielt. Da kommen natürlich noch einige andere Faktoren dazu, um das zu bewerten. Genauso gibt es umgekehrt Spieler, die biologisch jünger sind als kalendarisch. Da wollen wir in Zukunft auch die Möglichkeit haben, dass ein solches Kind eben auch einen Jahrgang jünger spielen darf. Wir sind gerade dabei, das mit den Verbänden zu erarbeiten. Die Spieler, die einen Jahrgang nach oben durchgeschoben werden, sind aus unserer Sicht diejenigen, die in ihrer Entwicklung gerade jetzt genau das brauchen, damit sie ihre nächsten Entwicklungsschritte machen können. 

Gerade die U21 kann man exemplarisch dafür heranziehen, dass sich dieser Trend in der neuen Saison fortsetzt. Wir haben in der U21 ein sehr junges Team, beim Auftakt war die Startaufstellung im Schnitt 19,2 Jahre alt. Was erwartest Du Dir von der zweiten Spielzeit in der Regionalliga? 

Ich glaube, wir dürfen nicht den Fehler machen, die U21 mit dem Kader der letzten Saison zu vergleichen. Wir hatten mit Spielern wie Elias Baum, Noel Futkeu oder Nacho Ferri Beispiele, die eine überragende Entwicklung bei uns genommen haben. Jetzt haben wir einen deutlich jüngeren Kader, der sich neu aufstellen und beweisen muss. Wir müssen aber auch schauen, dass wir nicht den Jugendwahn ausrufen. Es geht uns darum, die Jungs so jung wie möglich, wenn die Qualität da ist, reinzuwerfen und Spielpraxis in der Regionalliga zu generieren. Hier und da müssen wir aber auch Geduld und Augenmaß an den Tag legen. 

Bei der U21 steht um Dennis Schmitt ein neues Trainerteam an der Seitenlinie, im September kam Ex-Eintracht- Profi Makoto Hasebe hinzu. Welche Stärken bringt das neue Trainergespann aus Deiner Sicht mit? 

Sie sind unfassbar wissbegierig, beschäftigen sich mit jedem einzelnen Spieler und trainieren unglaublich intensiv. Trainingsumfänge, -intensitäten, und -häufigkeiten sind vor der Saison genau überprüft und angepasst worden. Uns war außerdem wichtig, dass wir einen guten Spirit in das Trainerteam bekommen und sie diesen Weg mitgehen, junge Spieler einzusetzen und ihnen Spielpraxis zu geben. Das läuft absolut top! 

Makoto Hasebe ist nicht der einzige Trainer im NLZ, der Profierfahrung mitbringt: Bei der U17 ist André Hahn zu dieser Saison Co-Trainer geworden, Denis Streker und Mounir Chaftar stehen bei der U19 an der Seitenlinie, Alex Meier befindet sich in seiner zweiten Spielzeit als Cheftrainer der U16. Inwiefern profitieren unsere Jungs von den Erfahrungen, die ihre Trainer mitbringen? 

Auf der einen Seite sind ja ein paar Eintracht-Legenden dabei, die genau diesen Spirit der Eintracht in das NLZ bringen. Wir wollen aber schauen, dass wir eine vernünftige Mischung haben: Interessante Jugendtrainer, die zusammen mit unseren ehemaligen Lizenzspielern eine gute Symbiose ergeben. Ein ehemaliger Topspieler wird nicht automatisch auch ein guter Jugendtrainer. Aber ich glaube, wenn das zusammenpasst und eine gute Atmosphäre herrscht, können wir damit sehr erfolgreich sein. Dann werden unsere Spieler davon profitieren. Das ist das A und O und wir freuen uns wirklich sehr, dass die eben Aufgezählten hier bei uns sind, weil sie vom Typ her passen und uns bereichern. 

Bleiben wir noch ein bisschen im Trainerkosmos. Wir haben mit Alex Reifschneider jemanden im NLZ, der sich explizit um die Weiterbildung der Trainer kümmert. Warum ist die Qualität an der Seitenlinie so wichtig für die Aus- und Weiterbildung von Spielern? 

Eine gute Trainerqualität im NLZ ist der Schlüssel schlechthin: Die Trainer sind unfassbar wichtig für uns in der Ausbildung der Spieler, in der einheitlichen Umsetzung unserer Trainings- und Spielprinzipien, in der Führung ihres ganzen Staffs und in der Schaffung einer guten Lernatmosphäre. Absoluter Schwerpunkt muss die Arbeit auf dem Platz mit den Spielern sein, das ist unerlässlich und hat höchste Priorität. 

Lass uns jetzt noch mal einen genaueren Blick auf die A- und B-Junioren werfen. Beide Jahrgänge starten in dieser Saison in der DFB-Nachwuchsliga. Inwiefern profitieren die Teams von dem neuen Ligamodus? 

Ich glaube, wir profitieren davon, dass auch andere Klubs mutiger spielen und jüngere Talente hochschieben werden, weil man als NLZ nicht mehr absteigen kann. Trotzdem haben wir den positiven Druck, dass wir etwas erreichen und jedes Spiel gewinnen wollen, dabei aber trotzdem noch mehr auf die Entwicklung der Spieler schauen. Wir können außerdem sieben Mal wechseln und somit noch mehr Spielzeit verteilen. Dann wollen wir natürlich zusehen, dass wir mit unserer Art zu spielen so hoch wie möglich in der Tabelle klettern – mit absolutem Siegeswillen, den wir von jedem Spieler sehen werden. 

Die U14 und U16 treten als jahrgangsjüngere Teams in der Hessenliga an, die U15 in der C-Junioren-Regionalliga. Welche Vorteile hat es, dass sich die Jungs in dem Alter auch mit jahrgangsälteren Mannschaften messen können? 

Unsere U14 spielt in der Hessenliga fast ausschließlich gegen U15-Teams, muss sich behaupten und versucht dann, gegen diese körperlich meist stärkeren Spieler unseren Fußball durchzudrücken. Bei der U16 ist es genauso, nur dass wir da nicht mehr gegen die U17-Teams anderer NLZ spielen. Die sind jetzt in der DFB-Nachwuchsliga. Das ist eine Herausforderung für die Jungs. Aber ich finde das gut, vor allem weil wir uns so auch hier in der Region zeigen. Das muss und soll auch so sein und das wollen wir auch nicht abschaffen. Wir können nicht mit den anderen NLZ einen ‚closed shop‘ aufmachen, in dem wir nur noch untereinander spielen. Deshalb ist es super, dass wir in den neuen DFB-Nachwuchsligen einen Konsens gefunden haben, dass dort nicht nur NLZ spielen. 

Wenn man die Kader ein bisschen genauer betrachtet, fällt auf, dass viele Spieler schon sehr lange bei uns im NLZ spielen. In der U19 befinden sich viele Spieler beispielsweise im Durchschnitt in ihrer fünften Saison am Riederwald. Wie wichtig ist es, dass wir so eine Konstanz aufrechterhalten können? 

Eine sehr hohe Fluktuation, ein ständiges Hin- und Hergetausche von Spielern zwischen Vereinen, führt in der Regel dazu, dass man mit den Spielern immer wieder von vorne anfängt. Deshalb haben wir beschlossen, unsere Kader vom Kinderfußball an zu vergrößern, und versuchen so, durch eine maximale Qualität in der Ausbildung noch mehr Durchlässigkeit zu erzielen. Wenn es für einen Spieler dann doch nicht reicht – und das wird trotz allem vorkommen – kommunizieren wir das auf eine vernünftige Art und Weise mit den Eltern und dem jeweiligen Spieler und schauen, wie wir weiterhelfen können. 

Im Kinderfußball sprechen wir seit dieser Saison eine Ausbildungsgarantie aus und auch die Trainerteams haben sich in diesen Jahrgängen vergrößert. Wie ist es zu dieser Entscheidung gekommen? 

Für uns als Eintracht, die innerhalb eines Ballungsgebietes angesiedelt ist, macht es absolut Sinn, Kinderfußball ab der U9 zu haben. Wichtig ist, wie wir mit diesen Teams umgehen: Wir wollen auch in diesem Alter schon die Besten aus der Region bei uns haben und richtig gute Trainer mit einer hohen Qualität. Jedes Entwicklungsjahr, jeder Monat, jede Woche ist enorm wichtig. So sind wir zu der Entscheidung gekommen, dass wir eine dreijährige Ausbildungsgarantie geben – was nicht heißt, dass nicht noch mal punktuell ein Spieler geholt werden kann. Eine hohe Fluktuation im Kinderfußball ist sehr kontraproduktiv für alle Beteiligten. Wir haben deshalb beschlossen, die Kader ein bisschen zu vergrößern und den Trainerschlüssel zu verändern. Mit drei Trainern ergibt sich ein Schlüssel von etwa eins zu sechs: Ein Trainer beschäftigt sich mit sechs Spielern und kann so die Trainingsinhalte wunderbar auf den Platz bringen. 

Am Ende arbeiten wir hier am NLZ hauptsächlich mit minderjährigen Spielern, bei denen auch die Eltern ein wichtiger Baustein sind. Was hat sich in den letzten Monaten bei uns im Bereich Elternmanagement getan und was haben wir da für die Zukunft noch geplant? 

Das ist ein sehr wichtiges Thema. Wir treiben das Elternmanagement voran, haben mit Giovanni Brandi in der pädagogischen Abteilung von Anton Schumacher mittlerweile jemanden, der sich explizit darum kümmert und Ansprechpartner für die Eltern ist. Dazu kommen Elternabende und wir versuchen außerdem, einen Elternrat zu bilden, der dann die Familien vertritt. Die Eltern sind für uns wichtig, deshalb gibt es da zukünftig eine intensivere Zusammenarbeit. Im Grunde ist es immer ein Geben und Nehmen – und diese Symbiose mit den Familien wollen wir entwickeln. 

Was sich zu dieser Saison auch verändert hat, ist die Rolle der Kooperationstrainer, die neben Tobias Ronsdorf auch von U13-Trainer Okan Gündüz und U9-Trainer Dennis Schmidt bekleidet wird. Kooperationstrainer – was bedeutet das genau? 

Wir wollen unsere Kooperationsvereine noch mehr stärken, denn das sind unsere Talentmagnete in den Regionen. Deshalb haben wir beschlossen, dass einige der bei uns festangestellten Trainer ein- bis zweimal die Woche in die Partnervereine gehen und mit den dortigen Trainern und Verantwortlichen zusammenarbeiten. So kommt unsere Ausbildungsphilosophie noch stärker in die Klubs und die Region und wir erfahren, wie dort ausgebildet wird. Das wollen wir als Nachwuchsleistungszentrum leisten und deswegen sind einige unserer Trainer jetzt noch mehr vor Ort tätig, denn diese Verbindungen zu den Partnervereinen sind enorm wichtig für uns. 

Kann man daraus auch schließen, dass man als Nachwuchsleistungszentrum eine gewisse Verantwortung für die Region hat, der wir so gerecht werden wollen? 

Ja, klar haben wir da eine Verantwortung und wollen Ansprechpartner für die kleineren Vereine sein. Darüber hinaus muss es eine Verbindung mit den Grundschulen und weiterführenden Schulen in der Region geben. Im Grundschulalter fängst du im Grunde an mit der Suche nach Bewegungstalenten. Diese zu entdecken und zu fördern, ist unsere Aufgabe. 

Zum Abschluss: Wenn Du für die neue Saison einen Wunsch frei hättest, welcher wäre das? 

Ich werde das komischerweise immer gefragt (lacht). Ich kann nur noch mal sagen: Wir brauchen hier Fußballplätze und eine vernünftige Infrastruktur, denn wir platzen aus allen Nähten. Wir sind mit unserem Vorstand und dem Präsidium darüber ständig im Austausch. Aber wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann würde ich ganz gerne alle elf Mannschaften hier am Riederwald haben und am besten sechs richtig gute Fußballplätze. Ob da jetzt eine gute Fee kommt und das hier morgen alles steht, wage ich zu bezweifeln. Aber wir arbeiten daran und finden eine gemeinsame Lösung – im Sinne einer Topausbildung für unsere Spieler.