„Jubel und Trauer von der Bundesliga in die Bezirksklasse“

Fast hundert Jahre Tischtennis bei Eintracht Frankfurt zeigen zweifellos eine wechselhafte Geschichte mit einem stetigen Auf und Ab. So stellt sich zunächst die Frage, welche Informationen aus der Vergangenheit sind wichtig, interessant, informativ? Worauf greift man zurück, wenn in der Regel kaum Zahlen- und Bildmaterial archiviert wurde? Wie umfangreich sollte eine aussagefähige Rückschau sein, wenn es nur aus manchen Jahren brauchbares Zeitungs- und Bildmaterial gibt? Wie umgeht man es, den geneigten Leser nur mit trockenen Fakten zu langweilen?

Eine mögliche Antwort: Man versucht sich auf einige wenige Episoden und Höhepunkte der wirklich langen und interessanten Eintracht-Tischtennis-Historie zu beschränken und das wirklich informativste auszuwählen. Mit der folgenden Aufarbeitung der einst glorreichen Vergangenheit versucht der Verfasser dieser Zeilen, dem Leser einen Überblick aus den Anfängen zu verschaffen, sportliche Highlights und diverse Anekdoten aus der Blütezeit der Abteilung hervorzuheben und einen kurzweiligen Eindruck zu vermitteln, welch herausragende Bedeutung die Eintracht in den letzten Jahrzehnten im deutschen Tischtennissport hatte.

Die Anfänge
Die Gründung der Tischtennisabteilung erfolgte im November 1924. Der erste Abteilungsleiter dieser Unterabteilung der Tennisabteilung war Otto Abel. Als nach den Wirren des Zweiten Weltkrieges der spätere Abteilungsleiter Heinz Fuß hinzu kam, war die Tischtennisabteilung wiedergeboren! Sie hatte bald so viele Mitglieder, dass man sich nach einem größeren Spiellokal umsehen musste. Aber das war im damaligen Frankfurt gar nicht so einfach, denn die meisten Schulturnhallen lagen noch in Schutt und Asche. 

Die Damen zeigen Flagge
Insbesondere die Damen waren in Hessen bald eine Klasse für sich und schon bald kam man zu deutschen Meisterehren. Erster richtiger Höhepunkt war 1948 die erste Deutsche Mannschaftsmeisterschaft für die Eintracht-Damen mit Ilse Donath, Irmgard Neuland, Ria Häneli, Marianne Becker, Ilse Schimanski und Gustel Cranz. Von da an wurde der Name Eintracht Frankfurt zu einem festen Begriff im Deutschen Damentischtennis. Neue Namen kamen und als man 1957 in Radolfzell am Bodensee die fünfte Deutsche Mannschaftsmeisterschaft errang, wurden die Eintracht-Damen sogar mit dem Silbernen Lorbeerblatt des Bundespräsidenten ausgezeichnet. Sie waren die ersten deutschen Tischtennisspielerinnen, die diese höchste Auszeichnung für deutsche Sportler in Empfang nehmen durften. Diese Ehre wurde zuteil: Hanne Schlaf, Hilde Bußmann, Ellen Hennemann, Marianne Blumenstein, Annemie Mann und Christel Bischof. So wurden die Adlerträgerinnen in den Jahren 1948 bis 1959 nicht weniger als siebenmal Deutscher Meister und dominierten somit das Damentischtennis der fünfziger Jahre. Hinzu kamen zahlreiche deutsche Einzelmeistertitel durch Hanne Schlaf und Erna Brell.

Erfolge bei den Herren folgten
Die Herren der Schöpfung standen lange im Schatten der Damen, mischten aber Ende der Fünfziger Jahre im Kampf um den Titel ebenfalls gut mit. Beinahe hätte es in München auch zur Deutschen Mannschaftsmeisterschaft gereicht. Greifbar nahe war man dem Titelgewinn, aber im Endspiel 1957 reichte es nur zu einem 8:8 gegen den ewigen Rivalen TTC Mörfelden. Da dieser im Satzverhältnis um ein geringes günstiger stand, hatten die Eintrachtler mit Werner Haupt einfach Pech und wurden nur Vizemeister. Trotzdem eine tolle Leistung. 1959 wurde Wolf Berger Deutscher Meister im Mixed gemeinsam mit Hanne Schlaf. 1966 wurde dann endlich die Tischtennisbundesliga gegründet. Bereits 1967 gehörte die Eintracht zum erlesenen Kreis der zehn besten Mannschaften Deutschlands. Ein weiterer Höhenflug begann. In ihrer ersten Saison in der Bundesliga belegten die Adlerträger in der Besetzung Köcher, Berger, Hochstuhl, Haupt, Giehsel, Reuter, Westphal, Vollrath mit 11:25 Punkten noch den achten Rang. In den nächsten Jahren etablierte man sich aber als feste Größe in der deutschen Eliteliga und belegte einmal den siebten Platz, viermal den fünften Platz, zweimal wurde man Vierter und dreimal erreichte man sogar den dritten Platz. Dies zeigt, welch tragende Rolle die Mannen von der Eintracht seinerzeit im deutschen Tischtennis innehatten. 

Die goldenen Siebziger
Ende der Siebziger Jahre hatte die Eintracht ihre beste Zeit in der Bundesliga. So belegte man zum Beispiel in der Saison 1978/79 in der Besetzung Lammers, Day, Schmittinger, Sommer, Fischer, Tedjasukmana und Spohnheimer mit 18:18 Punkten den sechsten Platz. Das Doppel Lammers/Schmittinger errang den dritten Platz bei den Deutschen Meisterschaften und Fischer/Rebel wurden deutsche Jugendmeister im Doppel. In der Saison 1979/80 stand man nach der Vorrunde mit 11:7 Punkten sogar auf Platz drei und das mit einer Mannschaft, die fast nur aus deutschen Spielern bestand. Die Farben der Eintracht trugen in dieser Saison: Lammers, Schmittinger, Pütz, Sommer, Fischer, Geimer und Horsch. 

Wang, der erste Chinese in der Bundesliga
Die Bundesligasaison 1980/81 sollte als ein weiterer markanter Farbtupfer der Eintracht-Historie in Erinnerung bleiben. Es war die Saison, in der es gelang, als erster deutscher Verein einen Zelluloidvirtuosen aus dem Reich der Mitte in einer Punktrunde einzusetzen. 

Vorwegzunehmen ist, dass es sich abzeichnete, das ein Verein, der in der Bundesliga den Titelgewinn anstreben wollte oder auch nur den Klassenverbleib gesichert sehen mochte, sich in einem (nicht immer vertretbaren) Maße finanziell engagieren musste, wie dies in den Jahren zuvor niemals erforderlich schien.

Dass Abteilungen eines Großvereins nicht generell (wenn überhaupt) bevorteilt waren, davon konnte auch unsere Abteilung ein Lied singen. Seit Jahren schon stand der gleiche Etat zur Verfügung, unabhängig davon, ob die Fußballer nun erfolgreich waren (wie 1980, in dem bekanntlich der UEFA-Pokal gewonnen werden konnte) und der Zuschauerschnitt im Waldstadion ein Plus in der Kasse verhieß, oder nicht. Ein Namenssponsor durfte aufgrund der Satzung nicht mit ins Boot genommen werden, und nur durch Mitgliedsbeiträge war die Bundesligazugehörigkeit nicht mehr zu finanzieren. So kam es auf den Einfallsreichtum und das Engagementdes Abteilungsvorstandes an, und man fasste einen mutigen, aber auch finanziell cleveren Entschluss und wandte sich an mehrere Stellen in der Volksrepublik China, mit der Bitte einen Spieler für einen bestimmten Zeitraum zu vermitteln, der auch über Erfahrungen als Trainer verfügen sollte. Glaubte man anfangs nicht so recht an den Erfolg dieser ungewöhnlichen Aktion, so lag doch nur zwei Monate später bereits eine Zusage des Chinesischen Tischtennisverbandes vor. Wang Jiang Quang, 25 Jahre, Dritter der Einzelmeisterschaften 1975, Meister im Herrendoppel 1977, sollte von nun an die Farben der Eintracht tragen.

Gleichzeitig nahm man noch eine Chance wahr, die sich durch den immer noch in guter Erinnerung befindlichen koreanischen Sympathieträger der Fußballer Bum Kun Cha bot. So bemühte man sich um die Verpflichtung der Nummer 1 von Südkorea, Park Lee Hee, und erlangte ebenso überraschend schnell eine Freigabe durch den Südkoreanischen Tischtennisverband. So sah man sich unmittelbar vor der beginnenden Saison 1980/81 in der unerwarteten Situation, für relativ wenig Geld zwei hochkarätige asiatische Spielertypen in den eigenen Reihen zu haben, die das Spiel mit dem kleinen Ball zelebrieren sollten.

So kam es am 6. September 1980 gleich zum Saisonauftakt vor der für Frankfurter Verhältnisse großen Kulisse von fast 600 Besuchern in der Enkheimer Ried-Sporthalle zum Treffen mit dem amtierenden Deutschen Meister PSV Borussia Düsseldorf. Für die Mannschaft in der Besetzung Wang, Lammers, Park, Horsch, Sommer und Fischer kam dieses Spiel noch zu früh, denn man unterlag deutlich mit 2:9. Aber welche Spielstärke Wang hatte, sah man in einem hochklassigen Spiel gegen die jahrelang die Tischtennisbundesliga dominierende „schwarze Perle“ Desmond Douglas, seines Zeichens englischer Nationalspieler. Der gebürtige Jamaikaner wirkte im Wang`schen Angriffswirbel manchmal wie ein tapsiger Bär, der von seinem Rivalen hin- und hergehetzt wurde und die Zuschauer sahen ein auf diesem Niveau in der Bundesliga bis dahin noch nicht erlebtes Tischtennisfeuerwerk. Auch Ex-Weltmeister Stellan Bengtsson aus Jülich musste im weiteren Verlauf der Saison gegen Wang die Segel streichen. Das am Ende der Saison trotz der asiatischen Verstärkungen „nur“ ein fünfter Platz stand, lag letztendlich daran, dass Teams wie Borussia Düsseldorf, SSV Reutlingen, TTC Jülich oder der TTC Altena in der Breite der Mannschaft noch etwas besser besetzt waren, als die Eintracht. Trotzdem wird diese Episode des Vereins immer in schöner Erinnerung verbleiben.

Als immer weniger finanzielle Mittel vom Hauptverein zur Verfügung gestellt wurden, stand kurzfristig sogar der Rückzug der eigentlich erfolgreichen Bundesligamannschaft im Raum, nachdem auch der langjährige Sympathieträger der Eintracht, Heiner Lammers, aus sportlichen Gründen neben dem Koreaner Park nach Grenzau wechseln sollte. Einfach aufgeben wollte Abteilungsleiter Karl-Heinz Killmann die langjährige Bundesligazugehörigkeit dann allerdings doch nicht.

Der Abstieg 1981/82
Als es nach einigem Hin und Her gelang, für wenig Geld eine halbwegs schlagkräftige Mannschaft ohne spielerische Hochkaräter auf die Beine zu stellen, ging man das Risiko ein. Nachdem es noch zwei, drei andere Mannschaften in der Liga gab, die vor ähnlichen Problemen standen, schien der Klassenerhalt gar nicht so abwegig. So zeigte die Mannschaft in der Besetzung Busin (Schweizer Meister), Frank, Sommer, Wehrheim, Budzisz und Groß in den Spielen großen Kampfgeist und schaffte einige Achtungserfolge. Wie z.B. gegen den Geheimfavoriten TTC Jülich, als es Frank gelang, in einem mitreißenden Spiel den schwedischen Spitzenspieler Ulf Carlsson zu schlagen. 

Leider verlor man gegen die unmittelbaren Konkurrenten gegen den Abstieg meist sehr knapp, so z.B. gegen den TTC Esslingen mit 7:9 und so stand am Ende der Saison 1981/82 nach 15-jähriger Bundesligazugehörigkeit doch der Abstieg. Die Eintracht hatte sich allerdings mit Anstand aus der höchsten deutschen Spielklasse verabschiedet.

Regionalliga und Wiederaufstieg
In der Saison 1982/83 versuchte die Eintracht mit vier Jugendlichen und zwei erfahrenen Spielern, die 2. Bundesliga zu halten, doch die Truppe mit den Nachwuchsspielern Ralf Munser, Stefan Glinkemann, Roger Greunke und Claudio Malasomma war in dieser Liga deutlich überfordert und so folgte der nächste Abstieg in die Regionalliga. Dort konsolidierte man sich dann ein weiteres Jahr und erreichte Platz Zwei, ehe völlig überraschend mit einer „Rentnertruppe“ (die Betreffenden mögen mir den Ausdruck verzeihen) bereits in der Saison 1984/85 der Wiederaufstieg gelang. In der Besetzung Hackenberg, Munser, Hinze, Bachmann, Schindler und Warnke kehrte die Eintracht nach zwei Jahren in die 2. Bundesliga zurück. Dort sollte sie dann bis zur Saison 1990/91 mit bescheidenen finanziellen Mitteln verweilen. 

Das Wunder hieß Wang
Einen weiteren Farbtupfer in der Eintracht-Historie stellte das zweite Gastspiel des chinesischen Sympathieträgers Wang in der Saison 1988/89 dar. Nachdem mit der Übernahme des Abteilungsleiterpostens durch Andreas Heinzel in der Saison 1986/87 ein kontinuierlicher Aufwärtstrend im Verein einherging, bot sich erneut die Chance, den Spieler aus dem Reich der Mitte zu verpflichten. Über all die Jahre hatte noch ein lockerer Kontakt zu dem bescheidenen Chinesen bestanden und als Wang im Frühjahr 1988 brieflich nach Möglichkeiten fragte, wieder in Deutschland zu spielen, griff die Eintracht natürlich sofort zu. Dann sollte sich allerdings das unverhoffte Glück noch etwas hinziehen. Die regionale Sportkommission in Kanton legte überraschend ihr Veto ein, und so musste die Mannschaft die ersten 15 Spieltage ohne ihre nominelle Nummer Eins auskommen. Dies gelang mehr schlecht als recht und so fand sich die Rumpfmannschaft, die in jedem Spiel einen Ersatzspieler aus der zweiten Mannschaft einsetzen musste, im Tabellenkeller wieder. Einziger Lichtblick war dabei der überraschende 9:7-Rückrundensieg beim TVB Nassau, ansonsten war man zumeist chancenlos. Aber dann kam Wang endlich, spielte und siegte in unnachahmlicher Manier. Gerade vier Tage in Frankfurt, stellte er im entscheidenden Spiel gegen den Mitkonkurrenten um den Abstieg, TFC Steinheim, unter Beweis, welche Klasse er mit seinen 34 Jahren immer noch besaß: Gewann er gegen die Nummer zwei der Gäste noch mühelos, forderte der Steinheimer Abwehrspezialist und Spitzenspieler Dietmar Kelkel den Chinesen hingegen ernsthaft. Wang gewann zwar den ersten Satz mit 21:18, lag dann aber im zweiten mit 11:19 im Rückstand. Relativ unbeeindruckt machte er die nächsten zehn Punkte in Serie und bedankte sich bei seinem völlig konsternierten Gegner für ein großartiges Spiel. Gleichsam schaffte er damit den Siegpunkt zum 9:2-Gesamtsieg für die Adlerträger und verabschiedete die Steinheimer anstelle der Eintracht aus der 2. Bundesliga. 

Der Ruck, der mit Wang durch die gesamte Mannschaft ging, war an diesem Tag deutlich zu spüren. Die letzten Saisonspiele wurden noch deutlich gewonnen und der letztendlich rettende neunte Tabellenplatz erreicht. Somit zählte die Eintracht weiterhin zu den TOP 30 im deutschen Herrentischtennis.

Der Niedergang
Als im Rahmen diverser Skandale und finanziellem Umdenken im Hauptverein das Geld vollkommen ausblieb, um eine schlagkräftige Mannschaft für die 2. Liga zu stellen, hatte man keine andere Wahl, als das Team in der Saison 1991/92 in die Landesliga zurückzuziehen. Selbst dies stellte sich als zu optimistisch heraus, sodass man innerhalb weniger Jahre mehrfach abstieg und sich erst in der Bezirksklasse stabilisieren konnte. 

Auferstanden aus Ruinen
Acht Jahre spielte man dann in der Bezirksklasse, ehe man über die Bezirksliga 2007 in die Bezirksoberliga aufstieg und dort weitere zehn Jahre spielte. Seit der Wiederaufnahme der Nachwuchsarbeit im Jahr 2006, die in der Saison 2014/15 mit dem sensationellen Gewinn der Deutschen Meisterschaft der Schüler unter Jugendleiter Paul Zielinski ihre Krönung fand, ist man auch im Nachwuchsbereich in Deutschland wieder eine gute Adresse. 2017 gelang die Rückkehr in die Verbandsliga, in der man zwei Jahre verweilte, ehe in der Saison 2018/19 der Aufstieg in die Hessenliga gelang. Im Jahr darauf schaffte die Mannschaft den sofortigen Durchmarsch in die Oberliga und kehrte somit wieder auf Bundesebene zurück, ehe Corona den weiteren Aufstieg in die Regionalliga (vierthöchste Spielklasse; Anm. d. Red.) abrupt stoppte. Die Zukunft wird zeigen, ob die Unterstützung des Hauptvereins, der Zusammenhalt innerhalb der Abteilung und eine weiterhin durchdachte Nachwuchsarbeit dazu beitragen werden, an frühere sportliche Erfolge in noch höheren Ligen anzuknüpfen. 

Text: Norbert Schneider
Fotos: Eintracht Frankfurt Museum