„Potential ist in Frankfurt vorhanden“
Die Tischtennisabteilung feiert in rund
drei Jahren ihr 100-jähriges Jubiläum. Ein Ereignis, das bereits jetzt seine
Schatten vorauswirft und gebührend zelebriert werden soll, am besten mit einem
Aufstieg der ersten Mannschaft in die 3. Bundesliga. Gleichzeitig steht die
Abteilung immer noch unter den Einflüssen der Coronapandemie. Die
„Aufschlag“-Redaktion sprach mit Norbert Schneider, einem der langjährigen
Gesichter der Abteilung und deren Leitung, und mit Lovre Dragicevic,
Sportlicher Leiter, über erreichte und anvisierte Ziele.
Viele Abteilungen unseres Vereines
hatten unter den Auswirkungen der Coronapandemie sehr zu leiden. In welchem
Ausmaß war die Tischtennisabteilung betroffen?
Norbert Schneider: Auch wir wurden gebeutelt. Wir hatten,
von einer kurzen Unterbrechung in den Monaten Juli bis November 2020 abgesehen,
keine Trainings- oder Spielmöglichkeiten. Die Hallen blieben geschlossen. Zu
unserer großen Freude hielten uns dennoch alle erwachsenen Mitglieder die
Treue, von einigen wenigen Abgängen aufgrund beruflicher Veränderungen einmal
abgesehen. Erheblich schwerer traf es unsere Nachwuchssparte, sodass wir für
die kommende Saison nur fünf Nachwuchsmannschaften melden können. Im
Erwachsenenbereich werden wir in der kommenden Saison mit elf Herren- und
Damenmannschaften antreten, was für uns den absoluten Rekord seit Bestehen der
Abteilung bedeutet. Zum Glück kam es bei uns zu keinerlei Coronaausbrüchen, was
wir auch auf die konsequente Einhaltung der Hygienemaßnahmen zurückführen.
Wie verhält es sich mit den sportlichen
Auswirkungen?
Lovre Dragicevic: Diese waren ebenso sehr bedauerlich.
Ein weiterer Durchmarsch unserer ersten Herrenmannschaft in die Regionalliga
(vierthöchste Spielklasse; Anm. d. Red.) wurde abrupt gestoppt. Zum Zeitpunkt
des Saisonabbruchs auf Platz eins liegend bedeutete das für uns als stärkste
Mannschaft den weiteren Verbleib in der Oberliga Hessen. Mit anderen Worten:
Ein verlorenes Jahr auf dem weiteren Weg nach oben.
Welche Veränderungen in der Mannschaft
wird es geben? In den letzten Jahren wurde noch mit sechs Spielern pro
Mannschaft bis zur Oberliga gespielt.
Lovre Dragicevic: Auf Bundesebene, der Tischtennis
Bundesliga (TTBL) bis zur Oberliga (fünfthöchste Spielklasse; Anm. d. Red.),
hat man sich entschieden, zur kommenden Saison die Spielsysteme anzupassen –
und nur noch mit vier Spielern pro Mannschaft zu spielen. Damit geht natürlich
eine erhebliche Anhebung der Spielstärke in den einzelnen Ligen einher. Um
unseren Erfolgskurs fortsetzen zu können, mussten wir uns überlegen, wie man
die Mannschaft noch stärker aufstellen konnte – im Idealfall ohne auf Spieler
aus dem Ausland zurückgreifen zu müssen. Wir hatten mit Borna Kovac aus
Kroatien und insbesondere dem langjährigen Sympathieträger Kiryl Barabanov aus
Weißrussland zwei sportliche Aushängeschilder, die uns nun verlassen haben.
Kiryl musste aus politischen Gründen wechseln und weilt aufgrund der
aussichtslosen Lage in seinem Heimatland nun in Indien. Dort hatte er Manika
Batra, die Nummer 1 der Damen in Indien, auf die Olympischen Spiele in Japan
vorbereitet.
Mit Dennis Dickhardt und Jens Schabacker
konntet ihr zwei Hochkaräter aus der 2. Bundesliga verpflichten. Wie kam es
dazu?
Norbert Schneider: Mit Dennis standen wir schon länger in
Kontakt bis es nun endlich geklappt hat. Dass mit Jens Schabacker nun ein
zweiter über Frankfurt und Umgebung hinaus ebenso anerkannter Sympathieträger
aus der Region verfügbar war, kann man sicherlich mit glücklicher Fügung, einem
guten Händchen und der in den vergangenen Jahren erworbenen Attraktivität von
Eintracht Frankfurt und der Abteilung begründen. Hinzu kamen noch die
familiären und beruflichen Situationen beider kürzlich Vater gewordener
Athleten, die ein weiteres Spielen in Vereinen außerhalb Hessens für sie
erschwerte. So war es für alle Beteiligten eine Win-win-Situation. Die beiden
verbliebenen Plätze besetzen wir mit unserem Eigengewächs Leon Pradler und
Christian Güll, der sich in der vergangenen Saison zum Publikumsliebling
entwickelt hatte. Beide werden sicherlich auch sportlich von der großen
Erfahrung der langjährigen Zweitligaspieler profitieren.
Die Tischtennisabteilung der Eintracht
weist ja bekanntlich eine langjährige und erfolgreiche Bundesligahistorie auf.
15 Jahre zählte man zu einer illustren Gesellschaft bevor man Ende der 90er
fast in der Versenkung verschwunden war. Die Damenmannschaft wurde sogar
mehrfach Deutscher Meister. Welche Ziele setzt sich die Abteilung für die
Zukunft?
Norbert Schneider: Mit der Verpflichtung von Dennis und
Jens, die mit Dreijahresverträgen ausgestattet wurden, sehen wir uns für die
nächsten Jahre gut gerüstet. Das Ziel ist ganz klar, im Jahr des
Abteilungsjubiläums 2024 den Aufstieg in die 3. Liga geschafft zu haben. Die
Weichen hierfür sind also gestellt. Erfolg ist allerdings nicht immer so
planbar, wie man es möchte. Wir sind schließlich nicht die Einzigen, die sich
derartige Ziele setzen. Außerdem muss der Unterbau damit Schritt halten können
und ein breites Wachstum der Abteilung gegeben sein. Auch unsere Damenriege soll
nicht vernachlässigt werden.
Was ist für euch für die weitere
Umsetzung der Ziele wichtig?
Norbert Schneider: Eine wichtige Voraussetzung für den
weiteren Aufschwung ist der Zuschauerzuspruch, der mit der sportlichen
Entwicklung Schritt halten muss. In manchen Spitzenspielen stießen wir mit bis
zu 150 Zuschauern bereits an die Grenzen unserer Hallenkapazität. Wir möchten
weg vom Schulturnhallen-Image und planen mittelfristig unsere Spiele in der
Wolfgang Steubing Halle am Riederwald auszutragen. Wir setzen alles daran,
damit ein Tischtennisabend nicht nur zu einem sportlichen Event wird.
Auch die
Identifikation mit der Marke Eintracht Frankfurt ist uns sehr wichtig. Dies
beginnt mit dem Einlauf der Spieler zu „Im Herzen von Europa“ und endet mit der
Ausstattung der Halle in komplettem Eintracht-Look. Verpflegung und tolle
Stimmung sind mit inbegriffen. Es macht keinen Sinn, Tischtennis auf
Bundesebene vor weniger als 100 Zuschauern zu spielen, wie bei vielen anderen
Vereinen in Deutschland nicht unüblich.
Mit der Verpflichtung von Spielern aus der Region, dem Einbau von Eigengewächsen und Sympathieträgern, möchten wir die Attraktivität und die weitere Identifikation der Frankfurter Tischtennisszene und der Umgebung mit uns vorantreiben. Ein Spiel bei uns soll aber auch die neutralen Zuschauer, die vielleicht nicht so viel mit Tischtennis am Hut haben, begeistern und das Interesse an unserer rasanten Sportart wecken. Tischtennis kann jeder spielen. Gerade in Zeiten der Pandemie waren hier Veränderungen zu beobachten. Potential ist in Frankfurt und Umgebung zweifellos vorhanden und muss unseres Erachtens nur geweckt werden. Das ist unser größtes Ziel, daran arbeiten wir mit aller Kraft weiter.
Interview:
Johannes Wenzel
Fotos: Nina
Bickel, Lucas Körner