Eine von uns
– Diana Sujew
„Die
Leichtathletik bleibt immer mein Leben“
Sie ist in
Lettland geboren und hat die deutsche Mittelstrecke geprägt. Nun hat Diana
Sujew nach 15 Jahren Spitzensport ihre Karriere beendet und blickt zurück auf
eine Zeit mit Höhen und Tiefen.
Begonnen hat
alles in Frankfurt-Bonames. „Am Anfang war alles mehr zum Spaß”, erinnert sich
die mittlerweile 30-Jährige zurück. Als Diana mit zwölf Jahren zur
Leichtathletik kam, hätte sie wohl kaum geglaubt, wie der Sport sie und ihr
Leben einmal prägen würde. Die Anfänge waren dabei alles andere als leicht.
„Springen und Werfen konnte ich nicht so gut und superschnell war ich auch
nicht”, lacht sie.
Von Beginn an
an ihrer Seite ist ihre Zwillingsschwester Elina. Sowohl sportlich als auch
menschlich sind die beiden unzertrennlich. „Man hatte immer eine
Trainingspartnerin. Das ist sehr motivierend.” Eins ist klar: Bei so viel
gemeinsamer Zeit muss die Geschwisterliebe groß sein. „Sie ist meine beste
Freundin und meine Schwester”, sagt sie stolz und grinst da-bei so sehr, dass
man ihr die Dankbarkeit aus dem Gesicht ablesen kann.
2007 kam die
Karriere der beiden Geschwister bei ihrem damaligen Verein, dem TV Bad Vilbel,
langsam ins Rollen. „Über den Langsprint kamen wir erst zum 800-Meter-Lauf und
dann zur Mittelstrecke. Damals alles noch ohne spezifisches Training.” Keine
ungewöhnliche Entwicklung für eine 1500-Meter-Läuferin. Ungewöhnlich waren
dabei nur die Leistungen. Bereits ohne spezifisches Training erreichte Diana
bei den damaligen Deutschen Jugendmeisterschaften den vierten Platz. Ein
Erfolg, den sie damals überhaupt nicht einzuordnen wusste. „Ich hab mir darüber
noch überhaupt keine Gedanken gemacht, Ich war noch sehr jung.”
Zu Beginn des
Jahres 2006 wechselten die Geschwister zu Eintracht Frankfurt und Landestrainer
Wolfgang Heinig. Der Durchbruch. Doppelsieg für Diana bei den Deutschen
Jugendmeisterschaften im Sommer. „Ich habe zunächst über 2000 Meter Hindernis
Gold geholt.“ Tags darauf folgte der Titel über die 1500 Meter. „Dabei waren
meine Beine noch müde vom 2000-Meter-Rennen und ich war auch nicht als
Favoritin gemeldet.” Doch auch über die 1500 Meter überquerte sie die Ziellinie
vor allen anderen. „Das war schon ein krasser Moment, Doppel-Siegerin zu sein
im Olympiastadion in Berlin.” Die Freude war groß, riesengroß. „Das war mein
schönster Moment in der Jugend”, erzählt sie strahlend.
Dianas
schönster Moment bei den Aktiven hat das Potenzial zu einer Heldengeschichte.
Leichtathletik-EM in Helsinki im Jahr 2012. In der europäischen Spitze gehörte
Diana nicht zum Favoritenkreis. „Ich war damals einfach froh, mich für das
Finale qualifiziert zu haben, und wollte das einfach genießen.” Und das tat sie
auch. „Es war einfach ein geiles Rennen”, resümiert sie. Diana rannte vor bis
auf Platz sechs. Ein Spitzenresultat. „Wenn man ins Ziel kommt und weiß, man
hat etwas Großartiges geleistet, die eigenen Erwartungen bei Weitem
übertroffen, ist das einfach schön.” Wie viel ihre damalige Leistung allerdings
tatsächlich wert war, sollte sie erst Jahre später erfahren. Mittlerweile wird
Diana aufgrund von Dopingvergehen und nachträglichen Disqualifikationen ihrer
Mitkonkurrentinnen als Vize-Europameisterin geführt. Ihr blieben dadurch die
Ehrenrunde im Stadion und die Medaillenzeremonie bei den eigentlichen
Wettkämpfen verwehrt. Trotzdem dominiert die Freude. „Im Nachhinein überwiegt
der Stolz. Ich bin nicht traurig, ich hätte ja auch Achte werden können.” Der Konjunktiv
ist allgemein nichts für sie. „Ich mag es nicht, in der Vergangenheit zu leben,
man kann die Sachen sowieso nicht ändern. Wenn man sich die ganze Zeit Gedanken
darüber macht, macht das nur den Kopf kaputt.” Am Ende stehen die Freude und
der Erfolg. „Mir war schon klar, dass ich wohl nie Gold bei Olympia holen
werde, aber eine internationale Medaille gewonnen zu haben, ist für mich etwas
ganz Besonderes.”
Eine weitere
Olympia-Teilnahme war auch in diesem Jahr ihr großes Ziel, doch der Körper
macht nicht mehr mit. „Es war ein langer Prozess. Schon zu Beginn des Jahres
2019 gab es die ersten Probleme.” Nachdem ich seit langer Zeit Schmerzen an der
Ferse hatte, habe ich mich im Juni 2019 entschieden, mich an der Ferse
operieren zu lassen.” Zu dem Zeitpunkt keine einfache Entscheidung. „Ich wollte
die Sommersaison noch machen und versuchen, mit zur WM nach Doha zu kommen. Das
wäre dann aber mit der OP und Olympia sehr knapp geworden, deswegen habe ich
mich entschieden, mich im Sommer operieren zu lassen.” Die Ausfallzeit, die der
Eingriff mit sich brachte, war lang. „Acht Wochen konnte ich nicht trainieren.
Schmerzfrei war ich erst nach sechs Monaten.” Doch Diana kämpfte sich Stück für
Stück zurück. „Im Januar 2020 hatte ich im Trainingslager in Südafrika
eigentlich wieder ganz gut trainiert. Als ich zurückkam, hatte ich dann etwas
an der Hüfte. Einfach so”, zuckt sie mit den Achseln. Es sollte nicht die
letzte Verletzung bleiben. „Wir haben dann wieder aufgebaut und gut trainiert
und Ende Mai kam dann die Wadenzerrung. Einfach so.” Achselzucken. Erneut das
gleiche Prozedere. „Anfang September habe ich wieder angefangen, normal zu
trainieren, und jetzt im Dezember folgte dann ein Muskelfaserriss im
Adduktor.” Das Ziel Olympia war durch
die neue Verletzung wieder einen Schritt weiter entfernt. „Der Weg zurück wäre
schon sehr lang geworden. Und die Wahrscheinlichkeit, mich für Tokio zu
qualifizieren, sehr gering. Das war dann der Punkt, an dem ich mich gefragt
habe, ob ich weitermache oder einfach ehrlich zu mir selber sein sollte.
Die
Entscheidung aufzuhören war für Diana eine Entscheidung der Ehrlichkeit. „Ich
habe mich im Spiegel angesehen und gefragt, ob ich es schaffe und bereit bin,
nach der Leidenszeit, die ich hinter mir habe, noch einmal die Arbeit und den
Willen aufzubringen, mich zurückzukämpfen. „Die Antwort für Diana war ein
klares ‚Nein‘. Und auch jetzt, einige Wochen später, hat sie ihre Entscheidung
keine Sekunde bereut. „Es ist jetzt gut so. Ich bin 30 Jahre alt und froh, dass
mich die Leichtathletik nicht so gefangen hat, dass ich nicht aufhören konnte.”
Jetzt zählen
für Diana ihr Studium und ihre berufliche Karriere. Sie wird ihren Master im
Studiengang „Controlling“ abschließen und in den nächsten Monaten eine
Tätigkeit bei „Süwag“ als Werkstudentin aufnehmen. Der Leichtathletik bleibt
sie aber erhalten. Als Fan wird sie bei Wettkämpfen nun ihre Freunde und
Bekannten unterstützen, die sie in den 15 Jahren Leichtathletik begleitet
haben. „Die Leichtathletik bleibt ja immer noch mein Leben!“
Text: Nico
Leissner
Fotos: Eintracht Frankfurt, imago images, privat