Dietrich
Weise ist der erfolgreichste Fußballlehrer der Eintracht, mit der er zweimal
den DFB-Pokal gewann. Wenige Tage vor Weihnachten verstarb er 86-jährig. Jürgen
Grabowski, Armin Kraaz, Karl-Heinz Körbel und Co. erinnern sich – und sprechen
voller Hochachtung.
Zwei
DFB-Pokalsiege mit der Eintracht, zwei Titel in einem Jahr mit zwei Jugendnationalmannschaften,
zwei Amtsperioden bei den Adlerträgern. Dietrich Weise hat Spuren bei der
Eintracht hinterlassen. Große Spuren, denn als einziger Trainer hat er in
Frankfurt zwei große Titel gewonnen. Mit Grabi, Holz und Nickel holte er 1974
und 1975 den nationalen Pott; die Adlerträger Ralf Falkenmayer, Holger Anthes
und Klaus Theiss gehörten zu seinem Team, das in nahezu identischer Besetzung
1981 erst die U18-EM und dann die U20-WM gewann. Ein Jahrzehnt nach dem ersten
DFB-Pokalsieg der Eintracht kehrte er an den Riederwald zurück und führte eine
blutjunge Truppe über die Relegation zum nicht mehr für möglich gehaltenen Klassenerhalt.
Bundesliga-Trainer war er zudem in Kaiserslautern und Düsseldorf, mit beiden
Teams verlor er jeweils ein DFB-Pokalfinale. In Ägypten gewann er mit Al-Ahly
das Double. Und er holte den aktuellen Welttrainer Jürgen Klopp einst als
Spieler zur Eintracht.
Einige
Weggefährten der Eintracht erinnern sich an einen Mann, der kein Lautsprecher
war und in Frankfurt große Fußstapfen hinterlassen hat – auf beiden Seiten der
Otto-Fleck-Schneise und mit zwei unterschiedlichen Generationen von
Eintracht-Spielern. Weltmeister Jürgen Grabowski war bei den DFB-Pokalsiegen
dabei und schätzt Weises Analysen, Karl-Heinz Körbel bezeichnet Weise als
„väterlichen Freund“, Armin Kraaz gehörte zehn Jahre später zu den Weise-Bubis
und erinnert sich an ein Gespräch von Weise mit seinem Schuldirektor. Harald
Krämer war ebenso wie Kraaz bei der Relegation 1984 dabei, während der frühere
DFB-Mitarbeiter Klaus Koltzenburg und Journalist Dieter Hochgesand von der
Frankfurter Rundschau ihn über Jahrzehnte freundschaftlich und beruflich
begleitet haben.
Armin Kraaz
(55): Für mich ist
Dietrich Weise ein absoluter Glücksfall gewesen. Ich kam bei Branco Zebec in
den Kader, im November gab es den Trainerwechsel. Ich war noch Schüler auf
einem Altsprachlichen Gymnasium in Frankfurt, es gab keine Vorteile für
Sportler. Dietrich ist zum Schuldirektor gegangen und hat erwirkt, dass ich
wenigstens dienstagvormittags am Konditionstraining teilnehmen konnte.
Ansonsten habe ich nur nachmittags mittrainiert und war dennoch Stammspieler in
der Bundesliga. [Anm. d. Red.: Kraaz spielte in seiner ersten Saison in 28
Bundesliga- und den beiden Relegationspartien.] Das wäre heute undenkbar.
Er hat mich trotzdem aufgestellt, hat den Umbruch vorangetrieben und viele
Spieler eingebaut, die in den Vorjahren einige Deutsche Meisterschaften in der
Jugend mit der Eintracht erzielt hatten. Beispielsweise Manni Binz, Andreas
Möller, Thomas Berthold, Ralf Falkenmayer, Uwe Müller oder Harald Krämer. Er
war für uns genau der richtige Trainer, und wir haben einen ordentlichen Ball
unter ihm gespielt. Dietrich ist ein ganz feiner, mitunter feinfühliger Mensch
gewesen. Empathisch, mitfühlend und einer, der sich um die Leute und seine
Spieler gekümmert hat. Ein toller Trainer! Wir haben uns später immer mal
getroffen, zum Beispiel im Museum. Es war immer ein Vergnügen. Er hat mir viel
mitgegeben für meine Karriere als Spieler und Trainer.
Jürgen
Grabowski (76):
Dietrich war ein Trainer, der total auf die Belange der Mannschaft eingegangen
ist. Er war kein Polterer und hat immer versucht, die Mannschaft aufzubauen.
Wir haben mit ihm zweimal den DFB-Pokal gewonnen und auch in der Saison danach
wieder das Halbfinale erreicht, das wir erst nach Verlängerung gegen die Hertha
verloren haben. Ich habe nur positive Erinnerungen an ihn. Er war ein
Fußballlehrer, mit dem man sich gut unterhalten und gut ein Spiel analysieren
konnte. Für mich war es ein großer Trainer. Wir werden ihn vermissen.
Karl-Heinz
Körbel (66): Dietrich
Weise ist für mich ein väterlicher Freund gewesen. Er hat auf meine Karriere
den größten Einfluss gehabt. Von ihm habe ich gelernt, was es bedeutet, Profi
zu sein und welche Werte es beinhaltet. Seine große Stärke war seine
Menschlichkeit. Er hat mir stets vermittelt, dass man als Profi eine
Vorbildfunktion einnimmt, und mir die Liebe zum Fußball und zur Eintracht
vorgelebt.
Harald
Krämer (56): Für uns
junge Spieler war Dietrich Weise ein Glücksgriff. Er hatte schon beim DFB mit
einigen von uns zu tun und hatte dort große Erfolge. Er hat bei der Eintracht
auf die Jugend gesetzt, zumal der Verein damals nicht in Geld geschwommen ist.
Wir hatten die Möglichkeit, das zu zeigen. Er hatte immer ein offenes Ohr für
uns und man konnte sich sachlich mit ihm unterhalten. Das Highlight aus meiner
Sicht war natürlich die Relegation 1984, die wir mit ihm gegen Duisburg
gewonnen haben, nachdem er uns zum Ende einer schwachen Hinrunde übernommen
hatte. Es war eine schöne Zeit. Für sehr junge Spieler war es einer der besten
Trainer, die es gab. Aber er konnte auch streng sein. An eine Geschichte
erinnere ich mich gerne zurück, auch wenn sie damals nicht positiv für mich
endete. Wir waren vor einem Heimspiel im Hotel in Bad Soden und ich kannte den
Koch gut. Er hat mir unter das Steak mit Nudeln Sauce Bernaise gemischt.
Plötzlich stand Dietrich Weise hinter mir, dann habe ich beim Spiel auf der
Bank gesessen. Als Karl-Heinz Körbel am Sonntag uns Tradispieler über seinen
Tod informiert hat, war ich sehr traurig.
Klaus
Koltzenburg (74):
Dietrich Weise war der erfolgreichste Jugendtrainer des DFB und der
erfolgreichste Trainer von Eintracht Frankfurt! Zudem war er Ende der
Achtziger, Anfang der Neunziger maßgeblich daran beteiligt, das
Talentfördersystem beim DFB einzuführen. Wir haben somit einen der wertvollsten
Jugendtrainer des DFB verloren. 2017 war er bei mir zu Hause, dann sind wir mit
dem Pokalexpress der Eintracht zum Finale nach Berlin gefahren. Er war ein
feinfühliger, sensibler Trainer, der keine Hauruck-Aktionen gemacht hat.
Dietrich hatte immer ein Herz für die Jugend und hat bei der Eintracht nicht
nur die DFB-Pokalsiege gefeiert, sondern auch aus dem sogenannten
Sonnenjahrgang 1962/63 die damals jungen Spieler in die Mannschaft geholt. So
sind die Weise-Bubis entstanden.
Dieter
Hochgesand (80): Den
Weg zum Erfolg zu suchen und ihn nach seinen Vorstellungen auch
unerschütterlich zu gehen, war sein ganzes Ziel. Die Show für das Gelungene zu
genießen, war sein Ding nicht. Selbst seine Emotionen wusste er meist gut zu
verbergen. Wer in kritischen Momenten während eines Spiels Einblick zur
Trainerbank hatte, durfte bestenfalls das leichte Trommeln mit der Hand auf
Holz oder Stahl erwarten. Wenn das Team seine Wünsche erfüllte, blieb er
visuell fast immer cool. Zu einer der wenigen „Freudensünden“ wurde nach dem
ersten Pokalgewinn der Eintracht Besonderes geliefert: Hochgesprungen war der
Trainer, die Arme triumphierend über dem Kopf und den Mund weit aufgerissen.
„Ach. Bin ich das wirklich?“, lautete seine kopfschüttelnde Reaktion und es
war, als würde ihn eine gewisse Scham durchlaufen. (…) Die letzte Zeit war
weder leicht noch kurz für ihn. Als ich ihn vor einem Jahr zur Weihnachtsfeier
des FR-„Schlappekickers“ abholen wollte, ging es ihm schon nicht mehr gut. Die
Fahrt fiel aus. In einer Seniorenpflege kämpfte er lange, am Ende vergebens. [Anm.
d. Red.: Auszug aus einem Nachruf vom 21. Dezember in der Frankfurter
Rundschau.]
Hartmut
Scherzer (82): Wir
haben beide 1973 in Frankfurt angefangen, als Dietrich Trainer bei der
Eintracht und ich Sportchef bei der Abend-post/Nachtausgabe wurde. Die Zeiten
damals im Umgang mit den Journalisten waren andere als heute. Als Ressortleiter
einer Boulevard-Zeitung in einer Bundesliga-Stadt hatte man einen ganz anderen
Einfluss als heute. Im Grauen Bock in Sachsenhausen haben sich Journalisten, Trainer
und Spieler der Eintracht, des FSV und der Kickers getroffen und gemeinsam
Apfelwein getrunken. Dietrich Weise war ein sehr feiner, einfühlsamer,
zuvorkommender Mensch, der nie laut war und die Nähe zu den Journalisten
gesucht hat. Viele Spieler haben ihm sehr viel zu verdanken und loben ihn in
höchsten Tönen. Wir haben früher eng zusammengearbeitet, es wurde über die
Jahre eine distanzierte Männerfreundschaft und ich habe ihn immer zu seinem
Geburtstag angerufen.
Zusammengestellt
von Michael Wiener
Fotos: Eintracht-Archiv, imago images, privat