„Mein Sohn motiviert mich“

Als junger Spieler aus Japan nach Deutschland zu kommen, eine neue Sprache lernen zu müssen und gleichzeitig fußballerisch Fuß zu fassen – das ist sicherlich nicht einfach. Daichi Kamada hat 2017 im Alter von 20 Jahren den Schritt gewagt und wechselte von Sagan Tosu zu Eintracht Frankfurt. Im Interview mit der „Eintracht vom Main“ erklärt Kamada, wie ihn die Geburt seines Sohnes beflügelt hat, welches die größten Schwierigkeiten für ihn in seiner Anfangszeit waren und welchen Traum er mit der Eintracht hat.

Interview: Bartosz Niedzwiedzki
Fotos: Max Galys, Jan Hübner

Daichi, du lebst seit 2017 mit einjähriger Unterbrechung in Frankfurt. Wie geht es dir hier?
Vor meinem Jahr in Belgien war es sehr schwer für mich. Ich habe nicht gespielt und war in einer separaten Trainingsgruppe. Die Fans haben mich aber direkt fasziniert, von dieser großartigen Unterstützung war ich überrascht. Nach Belgien habe ich dann auch hier gespielt, das hat meinen Blick auf Frankfurt verändert. Ich fühle mich mittlerweile sehr wohl. Das kommt auch dadurch, dass ich mehr spiele und das Vertrauen des Klubs so - wie des Trainers spüre.

In Belgien bist du durchgestartet und hast für den VV St. Truiden in 36 Pflichtspielen 25 Scorerpunkte beigesteuert. Danach hast du auch bei uns Fuß gefasst und warst zwischenzeitlich sogar der beste Torschütze der Europa League. Was sind die Faktoren für diese Entwicklung?
Es gibt einen sehr großen Unterschied zwischen dem japanischen und dem europäischen Fußball. Der Fußball in Europa und ins - besondere in Deutschland ist sehr körperlich, da bin ich am Anfang nicht mitgekommen. Ich denke dennoch, dass ich im offensiven Bereich meine Stärken habe und diese auch hätte ausspielen können. Ich habe aber selten gespielt. Dann war es natürlich schwer, reinzukommen und auf mich aufmerksam zu machen. Wichtig war, dass ich in Belgien Spielzeit bekommen habe. Dadurch hat sich mein Selbstbewusstsein gesteigert und ich konnte Leistung bringen. Das hat alles dazu beigetragen, dass ich mich hier weiterentwickelt habe.

Gab es Personen, die dir bei deiner Entwicklung in den vergangenen Jahren geholfen haben?
Eine bestimmte Person gab es nicht. Natürlich haben mir alle Teamkollegen und der Staff geholfen, dass ich mich möglichst schnell einzuleben. Das Wichtigste war und ist, dass ich immer an mich glaube.

Hat Makoto Hasebe bei deinem Wechsel aus Japan nach Frankfurt eine Rolle gespielt?
Ich hatte mehrere Gespräche, auch mit anderen Bundesligisten. Ein Punkt für Frankfurt war natürlich, dass mit Makoto schon ein Japaner hier war. Noch dazu ein ganz erfahrener, der in unserem Land ein Nationalheld ist.

Welches Verhältnis hast du zu Makoto?
Makoto ist nicht der Typ, der die ganze Zeit bei mir ist und hilft. Das muss er aber auch nicht. Wenn ich ihn brauche, ist er für mich da. Er gibt mir Ratschläge, wenn ich welche benötige. Er ist wie ein älterer Bruder für mich. Er lässt mir immer meinen Freiraum, sodass ich mich voll integrieren und selbst entwickeln kann. Wir sitzen zum Beispiel im Bus oder beim Essen nicht nebeneinander.

Du hast selbst gesagt, dass du Frankfurt seit deiner Rückkehr aus Belgien anders wahrnimmst. Was machst du hier gerne in deiner Freizeit?
Meine Frau und ich sind am liebsten zu Hause, das war auch schon in Japan so. Dort haben wir alles, um glücklich zu sein. Mit unserem Sohn gehen wir aber natürlich raus und spielen.

2018 bist du Vater geworden. Wie sehr gehst du in deiner Vaterrolle auf?
Ich bin nicht der Typ, der seine Gefühle nach außen trägt. Durch den Kleinen hat sich das ein wenig verändert. Ich habe sehr viel Motivation durch ihn bekommen, was es angeht, Gefühle zu zeigen. Da spüre ich eine kleine Veränderung in mir.

Also kann man sagen, dass du dadurch ein wenig an Reife gewonnen hast?
Ich weiß nicht, ob man es Reife nennen kann. Mir sind meine Freunde und meine Familie sehr wichtig, darauf gebe ich sehr acht. Darin eingeschlossen ist natürlich mein Sohn, für den ich eine große Verantwortung habe.

Wie wird dein Name korrekt ausgesprochen und hat er eine Bedeutung?
Bei meinem Vornamen wird das zweite „i“ nicht ausgesprochen, man sagt also nur Daich. Man kann mich aber auch Daichi rufen, so wie es geschrieben wird. Mein kleiner Bruder fängt mit den gleichen Schriftzeichen an. In Japan ist es üblich, dass man ähnliche Schriftzeichen für die Kinder nimmt.

Dein jüngerer Bruder spielt auch Fußball. Wie würdest du euer Verhältnis beschreiben?
Mein Bruder und ich sind fünf Jahre auseinander. Ich bin bereits im Alter von zwölf Jahren zu meiner Oma gezogen, um Fußball spielen zu können. Ich habe also nur in den ersten sechs Lebensjahren meines Bruders mit ihm zusammengelebt. Dadurch haben wir nicht diese ganz enge Verbindung, wie sie vielleicht bei anderen Geschwistern vorkommt.

 Wie bist du zum Fußball gekommen?
Mit drei Jahren hat mich mein Vater das erste Mal zum Fußball mitgenommen. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht, seitdem habe ich auch immer Fußball gespielt. Ich komme aus einer sehr kleinen Stadt, aus der noch nie ein berühmter Fußballer hervorgegangen ist. Als ich in die Mittelstufe gewechselt bin, bin ich in die große Stadt zu meiner Oma gezogen, um fußballerisch besser gefördert zu werden.

Wie nimmst du die deutsche Kultur wahr?
Die Kultur hier ist ähnlich wie in Japan. Dennoch habe ich natürlich eine gewisse Anpassungszeit benötigt. Das war auch dem Umstand geschuldet, dass es sportlich zunächst nicht so gut lief und ich die Sprache nicht spreche. Die Unterschiede zwischen den Kulturen liegen im Detail. Die Kabinen sind bei uns nach dem Spiel ein bisschen sauberer (lacht).

Apropos Kabine. Wie bist du dort aufgenommen worden?
Es war sehr ungewohnt für mich, weil ich mich in einem fremden Land und in einer komplett neuen Mannschaft zurechtfinden musste. Als Typ bin ich eher in mich gekehrt, ein sehr ruhiger Vertreter, auch ein Morgenmuffel. Da muss ich erstmal damit klarkommen, dass jemand wie Timmy immer gute Laune hat und dies auch gerne vermittelt (lacht).

 Auf dem Platz funktioniert es aber gut, trotz vieler verschiedener Charaktere.
Im Moment klappt es sehr gut, das ist richtig. Die Automatismen greifen immer besser. Natürlich kann nicht vom ersten Tag an alles klappen. Die Abstimmung, die Laufwege, wann geht wer in die Tiefe oder in den freien Raum – das muss sich alles erst einspielen. Ich denke, dass wir dahingehend auf einem sehr guten Weg sind und durch unsere Kreativität und Flexibilität die Gegner vor Herausforderungen stellen können.

Wie kommunizierst du mit deinen Teamkollegen?
Ich probiere, einen Mix aus Englisch und Deutsch zu sprechen.

Makoto isst fast nur Japanisch, wie ernährst du dich?
Für mich ist es auch die japanische Küche, die ich am liebsten mag.

Hast du bestimmte Rituale, etwa vor dem Spiel?
Es gibt nichts Bestimmtes. Vor dem Spiel gehe ich in der Kabine in mich. Und wenn ich im Spiel ein Tor erziele oder einen Assist gebe, gibt es eine Bewegung, die ich immer mache.

Hast du oft Kontakt nach Japan, zur Familie, zu Freunden oder Fans?
Ich habe natürlich Kontakt zu meiner Familie und meinen Freunden. Wenn ich Zeit habe, telefoniere ich mit ihnen und wir tauschen uns über alle möglichen Themen aus. Das ist wichtig für mich, um auch negative Erfahrungen zu verarbeiten. Denn natürlich ist nicht jeder Tag super und nicht jede Situation einfach für jemanden, der fernab seiner Heimat lebt.

Hast du eine große Familie in Japan und sind die alle fußballinteressiert?
Ja, absolut. Mein Bruder spielt auch Fußball, mein Cousin lebt auf Hawaii und ist Profisurfer. Meine Schwester studiert an der Universität, verfolgt aber natürlich auch meine Karriere und wie es mir geht. 

Welche Ziele hast du dir für deine Karriere und mit der Eintracht gesteckt?
Mein Traum ist es, irgendwann einmal mit der Eintracht in der Champions League zu spielen. Nach der Karriere möchte ich Trainer in Japan werden, denn dort möchte ich dann wieder leben.