Erfahren,
ehrgeizig, emotional
Seit Mitte Januar spielt die isländische
Nationalspielerin Alexandra Johannsdottir bei der Eintracht und hat sich
schnell eingewöhnt. Trotz ihres jungen Alters (20) spielt sie schon seit fast
sechs Jahren bei den Frauen, hat vier Titel in ihrer Heimat gewonnen, durfte
schon in der Champions League auflaufen und kommt auf Empfehlung einer der
weltbesten Spielerinnen.
Text: Paul Schönwetter
Fotos: Eintracht Frankfurt, Lucas Körner, imago images
Hu! Hu! Hu! Spätestens seit der Männer-EM 2016
und den euphorisch anfeuernden Fans bringt jeder Island mit Fußball in
Verbindung. Die Insel der wunderschönen Landschaften, Vulkane, Elfen oder des
Skyr-Joghurts hat aber eine weitaus längere Tradition im Frauenfußball. Die
erste EM-Teilnahme gab es 1995, seit 2009 ist der kleine Inselstaat Stammgast
beim Kontinentalturnier. Und spätestens nach der WM-Qualifikations-Niederlage
der DFB-Frauen gegen die Nordeuropäerinnen im Herbst 2017 ist Island auch im
Frauenfußball vielen ein Begriff. Eine derjenigen, die mit für die fünfte
Teilnahme Islands an der EURO 2022 in England gesorgt hat, ist Eintracht-Neuzugang
Alexandra Johannsdottir. Ihr Debüt gab die zehnfache Nationalspielerin, die
zuvor alle U-Teams durchlief, im Jahr 2019. Seitdem wird sie regelmäßig
nominiert. „Wenn man unsere Bevölkerungszahl [Anm. d. Red.: ca. 357.000
Einwohner] in Bezug zu den sportlichen Erfolgen setzt, ist das fantastisch“,
beschreibt die 20-jährige Mittelfeldspielerin den Erfolg der Qualifikation.
Doch erst einmal möchte sie hier bei Eintracht
Frankfurt ankommen: „Es gab schon vor einigen Monaten Kontakt. Ich habe dann in
den Gesprächen mit Niko und Siggi [Anm. d. Red.: Arnautis und Dietrich,
Cheftrainer und Sportdirektor] viel von der FFC-Historie gehört und wollte den
Schritt nach Deutschland wagen. Man hat mir erzählt, wie gut die Fusion mit der
Eintracht ist. Da war ich sehr gespannt.“ In der Mainmetropole fühlt sich
Johannsdottir, die aus ihrer Schulzeit noch ein wenig Deutsch spricht, auf
Anhieb wohl, auch wenn „es ungewohnt ist, zum ersten Mal von der Familie weg zu
sein. Die Mannschaft macht es mir aber leicht. Alle sind sehr nett zu mir, ich
bin gut in der Spielerinnen-WG mit Barbara Dunst und Letícia Santos aufgenommen
worden.“
Eine, die ihr den Wechsel in die FLYERALARM
Frauen-Bundesliga empfahl, war Nationalmannschaftskollegin Sara Björk
Gunnarsdóttir, einer der besten Fußballerinnen weltweit. Nach Meisterschaften
in Schweden und in Deutschland beim VfL Wolfsburg zieht die
Rekordnationalspielerin Islands nun die Fäden bei Olympique Lyon. Der
anfängliche Karriereweg der beiden defensiven Mittelfeldspielerinnen ist ähnlich:
„Wir sind beide über Haukar zu Breiðablik gegangen, bevor wir ins Ausland
gewechselt sind“, erklärt Johannsdottir.
In Island war das Toptalent eine Frühstarterin.
Sieben Tage nach ihrem 15. Geburtstag debütierte die Mittelfeldspielerin im
Pokalwettbewerb für Haukar Hafnarfjörður, erspielte sich in der Zweiten Liga
einen Stammplatz, den sie auch nach dem Aufstieg in die höchste Spielklasse
behielt, bevor sie nach einer Saison zu Breiðablik Kópavogur wechselte. „Mein
Vater spielte Fußball, ich habe mit sechs Jahren angefangen. Mit 15 Jahren in
der ersten Mannschaft zu spielen, war schon etwas Besonderes. Aber es hat mir
sehr geholfen, so früh Spielpraxis zu haben“, erzählt Johannsdottir von ihren
ersten Schritten im Profifußball. Mit Breiðablik wurde sie 2018 gleich im
ersten Jahr Meisterin und sammelte in sieben Einsätzen in der UEFA Women’s
Champions League erste Erfahrungen auf dem internationalen Parkett. „Der
Wechsel von einem kleineren Klub zu einem der großen Vereine in Island war ein
großer Schritt für mich. Das höhere Spielniveau hat mir gutgetan. Dann gleich
im ersten Jahr das Double zu holen, war ein fantastisches Gefühl.“ Die
Nationalspielerin wurde nach dem Corona-bedingten Saisonabbruch Ende Oktober
2020 erneut Meisterin. Mit 44 Toren in 88 Spielen für den Verein stellte die
20-Jährige, deren Freund Brynjar Atli Bragason ebenfalls Fußball spielt und als
U-Nationalspieler bei ihrem alten Klub Breiðablik als Torhüter unter Vertrag
steht, zudem ihre Torgefahr unter Beweis. „Das kommt daher, dass ich in der Box
einen Instinkt habe, wie ich den Ball verwerten kann“, begründet sie ihre
Torquote, sagt aber: „Hier in Deutschland ist das Tempo höher. Ich möchte mich
schnell integrieren, meine Technik verbessern und schneller mit dem Ball
werden.“
„Eines der
vielversprechendsten Talente Islands“
Ihr Trainer Niko Arnautis sieht in ihr „eines
der vielversprechendsten Talente Islands, wir haben sie schon länger
beobachtet. Als Mittelfeldstrategin mit gutem Torabschluss zeichnet sie sich
durch ihre Technik aus. Zudem ist sie flexibel im defensiven wie offensiven
Mittelfeld einsetzbar.“ Er gibt seiner neuen Spielerin Zeit, sich
einzugewöhnen. „Durch den Transfer im Winter hat sie Zeit, hier in Frankfurt
anzukommen. Wir möchten sie nach und nach entwickeln, aufbauen und sind froh,
mit ihr eine weitere Alternative im Kader zu haben.“
Eine robuste Alternative: „Ich bin eine typisch isländische Spielerin“, erzählt die Mittelfeldakteurin lachend, die sich als laufstark beschreibt: „Wir sind sehr emotional, hassen es zu verlieren und pushen uns sehr vor den Spielen.“ Unter Beweis stellte sie diese Tugenden bereits in der Wintervorbereitung in den Testspielen. In der zweiten Partie gegen den VfL Wolfsburg im Kurztrainingslager war sie giftig in den Zweikämpfen, machte mit einer furchtlosen Grätsche gegen Nationalspielerin Felicitas Rauch auf sich aufmerksam – es gab am Ende sogar eine Gelbe Karte.
Alexandra
Johannsdottir
Position: Mittelfeld
Nationalität: Island
Geburtsdatum: 19. März 2000
Größe:
1,67 Meter
Bisherige Vereine: Breiðablik Kópavogur, Haukar Hafnarfjörður
Länderspiele: 10 (A), 19 (U19), 17 (U17), 9
(U16) für Island
Erfolge: Isländische Meisterin 2018 und 2020,
Isländische Pokalsiegerin 2018, Isländische Superpokalsiegerin 2019