Die Turnabteilung feiert Geburtstag

Anlässlich des 160-jährigen Bestehens der Turnabteilung blickt die „Eintracht vom Main“ auf den Weg zurück, den die Abteilung seit ihrer Gründung 1861 zurückgelegt hat, wirft aber auch einen Blick auf die Gegenwart und in die Zukunft.

Text: Nina Bickel, Leon Mathieu, Matthias Thoma, Sabine Urban
Fotos: Ann-Kathrin Ernst, Arndt Falter, Eintracht Frankfurt

Kinderturnen, Fitness und Gymnastik, Training für die Kunstturn-Bundesligen oder die Cheerleading Club Worlds – hört man von der Turnabteilung der Eintracht, mag man manchmal gar nicht glauben, was hier alles stattfindet. Im Oeder Weg hat die Geschäftsstelle ihr Zuhause und vereint unter einem Dach viele Sportarten. Ein Schild zwischen Hausnummer 33 und 39 verrät, dass der Durchgang zur Turnhalle am Oeder Weg 37 liegt. Die Turnhalle ist heute ebenso wie die Abteilung selbst eine feste Größe in der Sportstadt Frankfurt. Der Weg dorthin war ein weiter.

Die Geburtsstunde der „Frankfurter Turngemeinde von 1861“
Dieser beginnt im Winter 1861 und damit reicht die Geschichte der heutigen Turnabteilung der Eintracht länger zurück als die des Gesamtvereins. Als im ein Jahr zuvor gegründeten „Frankfurter Turnverein“ nach internen und politischen Zwistigkeiten eine Gruppe von elf demokratisch gesinnten Mitgliedern ausgeschlossen wurde und circa 60 weitere den Verein aus Solidarität verließen, schlug die Geburtsstunde dessen, was heute die Eintracht Turnabteilung ist. Am 22. Januar 1861 gründete die Gruppe der Verbannten in einem Lokal auf dem Holzgraben die „Frankfurter Turngemeinde von 1861“. Im Kirchhofsweg in Frankfurt-Bonames beim Wirt Gattinger fand man einen eigenen Turnplatz, der mit viel Engagement mit dem nötigen Gerät ausgestattet wurde. 1882 erwarb die Turngemeinde im Oeder Weg ein Grundstück. In den folgenden Jahren investierte man über 40.000 Reichsmark in den Bau der Turnhalle, die am 16. März 1884 feierlich eröffnet und 1894 wesentlich vergrößert und umgebaut wurde. Darüber hinaus schuf sich der Verein einen Turnplatz an der Körnerwiese. 1908 hatte die Turngemeinde schon über 750 Mitglieder, darunter „20 Zöglinge, 120 Schüler, 100 Frauen und 95 Mädchen“.

Schon vor dem Ersten Weltkrieg gab es innerhalb der Turngemeinde Bestrebungen, das große Sportgelände der „Arena“ am Ostpark zu übernehmen und dem Verein nutzbar zu machen. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs unterbrach diese Planungen: Viele Mitglieder mussten an die Front, und über 50 kehrten nicht zurück. Erst nach Kriegsende wurde das Projekt „Arena“ wieder aufgegriffen. Insgesamt wurden circa 300.000 Reichsmark für Erdbewegungen, Sanierung der Tribüne und Einfriedung benötigt.

Fusion mit Frankfurter Fußballverein
Diese immense Summe musste die Turngemeinde nicht allein aufbringen, denn am 1. Mai 1920 fusionierte sie mit dem Frankfurter Fußballverein. Der neue Name des Vereins: „Frankfurter Turn- und Sportgemeinde Eintracht (FFV)“. Die gewaltige Sportanlage, die sich die Eintracht geschaffen hatte, hieß fortan „Sportplatz am Riederwald“. Die mittlerweile 2.250 Mitglieder gingen ihren sportlichen Betätigungen in den Abteilungen Fußball, Turnen, Leichtathletik, Fechten, Boxen, Schwimmen, Handball, Hockey, Cricket, Tennis und Rugby nach. Bis 1925 konnte die Eintracht ihre Mitgliederzahl auf fast 4.000 steigern.

Die frische Liebe der beiden Vereine sollte jedoch nicht von langer Dauer bleiben. Zwischen der Deutschen Turnerschaft, dem Dachverband der Turner und dem Deutschen Reichsausschuss (DRA) für Leibesübungen, in dem die Sportverbände organisiert waren, kam es immer wieder zu Differenzen. Als der DRA 1925 beschloss, an den Olympischen Spielen 1928 teilzunehmen, trat die Deutsche Turnerschaft aus dem Verband aus, da sie „auf Grund ihrer Geschichte und ihrer vaterländischen Wesensart erklärt hatte, dass, solange ein Feind auf deutschem Boden stünde, ihr eine Teilnahme unmöglich wäre“.

Auf die Hochzeit folgt die Scheidung
Für die Vereine bedeutete dies, dass sich Turner und Sportler wieder trennen mussten. Bei der Eintracht wurde die Trennung 1927 vollzogen. Fortan gab es in Frankfurt die doppelte Eintracht, zum einen die „Turngemeinde Eintracht von 1861“, zum anderen die „Sportgemeinde Eintracht von 1899 (FFV)“. Doch wie schon Romeo und Julia vor ihnen

ließen sich die beiden Vereine nicht von oben sagen, wen sie zu lieben haben: Sportler vom Riederwald nutzten die Turnhalle im Oeder Weg und Turner kamen im Sommer zum Tennisspiel auf die Plätze am Riederwald. Auch an den Erfolgen wurde Anteil genommen, so gratulierte die SGE 1931 mit einem Augenzwinkern der „geschiedenen Frau“, als die Turngemeinde im Kunstturnen einige wichtige Wettbewerbe gewonnen hatte.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde auch die Turngemeinde von 1861 gleichgeschaltet. Bereits am 8. April 1933 erließ die Deutsche Turnerschaft einen verbandsinternen „Arierparagraphen“. Jüdische Turner durften fortan in der Turnhalle im Oeder Weg nicht mehr mitturnen. Sportlich konnte die Turngemeinde in den Jahren des Nationalsozialismus hingegen zwei große Erfolge feiern. Ernst Winter, bis heute der beste Kunstturner Frankfurts, wurde 1934 in Budapest Weltmeister am Reck. Zwei Jahre später wurde er mit der deutschen Turnerriege Olympiasieger. Den Zweiten Weltkrieg überlebte Winter, der erfolgreichste Turner der Eintracht, nicht. Aus Stalingrad kehrte er nicht mehr zurück.

Die Zeit von 1946
Nach Kriegsende trafen sich im September 1945 einige Vereinsmitglieder wieder. Man plante, die Ruine der 1944 fast völlig zerstörten Halle im Oeder Weg zu sichern und die Vereinsneugründung voranzutreiben. Einen Monat später begann die erste Riege wieder zu turnen. Um den Verein auf solide Füße zu stellen und Kräfte zu bündeln, fusionierte man 1946 mit dem Frankfurter Turn- und Fechtclub von 1866 zur „Turn- und Fechtgemeinde Eintracht von 1861“. Der Wiederaufbau der Halle im Oeder Weg wurde 1956 abgeschlossen und die Halle am 8. Januar 1956 mit einem großen Fest offiziell eingeweiht.

Und auf die Scheidung folgt die Hochzeit
1969 war es dann wieder so weit und das einst verliebte Paar fand wieder zusammen: Sport-Eintracht und Turn-Eintracht fusionierten zu einem Verein. Mit der Hochzeit im Rücken gelangen den Turnern direkt einige internationale und nationale Erfolge: Dominierte mit Jupp Sahlmann Ende der 70er Jahre ein Senior das Eintracht- und internationale Turnen – er gewann 1978 bei der Europameisterschaft der Senioren drei und 1979 bei den Weltmeisterschaften zwei Goldmedaillen –, so begannen die 80er Jahre mit Erfolgen im Jugendbereich. Ulf Schweikhardt belegte 1982 bei den Deutschen Jugendmeisterschaften

den zweiten Platz und qualifizierte sich für die Jugend-Europameisterschaft in Ankara. 1988 wurde Schweikhardt Deutscher Meister im Sprung. Meister wurden auch Anneliese Laundl und Edith Gruschwitz, die 1983 beim Turnfest in Frankfurt den ersten Platz im Zweierprellball erreichten.

Von 1987 bis heute: Stetiges Wachstum, weitere Erfolge
1987 stieg die Männerriege der Kunstturner in die Erste Bundesliga auf und pendelte bis 1996 zwischen Erster und Zweiter Liga, ehe man nach dem Abstieg des großen Fußballbruders aus finanziellen Gründen die Bundesligateilnahme zurückzog. 1999, als der Gesamtverein seinen 100. Geburtstag feierte, begannen die Turner damit, die Halle im Oeder Weg umfangreich zu sanieren und umzubauen. Die neuen Räume animierten die Turner zu weiteren Höchstleistungen im Breiten- und Leistungssport. Die Herrenriege turnt das erste Mal seit knapp 25 Jahren wieder in der Bundesliga, die Frauen in der Zweiten Bundesliga, die jungen Nachwuchsturner sind seit der Gründung der Nachwuchsbundesliga im Jahr 2016 fester Bestandteil und erfolgreich und die Cheerleader begeistern weltweit die Jurys mit ihren Choreografien.

Die ältere „kleine“ Schwester der „großen“ Eintracht sorgt immer wieder für Aufsehen und weiß, die Wünsche der turnbegeisterten Mitglieder zu erfüllen. Ob regionale und nationale Großevents oder traditionelle Veranstaltungen wie das Winterballett und das Weihnachtsmärchen, die Verantwortlichen und Ehrenamtlichen der Turnabteilung sorgen dafür, dass alles so abläuft wie geplant. Aus 70 Mitgliedern wurden 3.400, die Turnhalle im Oeder Weg wurde an das Mitgliederwachstum angepasst und hat sich in den vergangenen 160 Jahren in Frankfurt zu einer der wichtigsten Anlaufstellen für Turner aller Altersklassen entwickelt.