Fortschrittlich und Innovativ
Abteilungsleiter Martin Schönhoff und Sabine Urban, zuständig für das Abteilungsmanagement, sprechen über Entwicklungen, den Status quo und Zielsetzungen.
Interview: Alessandro Crisafulli
Fotos: Arndt Falter, Markus Schrodt, Turnabteilung
Die
Turnabteilung, eine Abteilung, in der immer etwas los ist, feiert 160.
Geburtstag. Was hat sich in den letzten Jahren im Oeder Weg getan?
Schönhoff:
Seit meiner Amtsübernahme
2002 hat die Geschäftsstelle im Oeder Weg bis heute umfangreiche
Sanierungsphasen erfahren. Beispielsweise wurde das Vereinsheim von außen komplett
neu verputzt, der Parkplatz sowie der Fußweg zum Oeder Weg wurden neu gepflastert
und das Treppenhaus neu gestaltet und saniert. Ebenfalls von großer Bedeutung war
die Erweiterung von Büroräumlichkeiten im zweiten Obergeschoss, hier können wir
statt zwei nun sieben Arbeitsplätze anbieten.
Urban: Die zunehmende und zeitgerechte Professionalisierung ist nun auch endgültig in der Turnabteilung angekommen. Ehrenamtsaufgaben werden, besonders in verwaltungstechnischen, aber auch in strategischen Bereichen, immer mehr von ausgebildeten und hauptamtlichen Mitarbeitern übernommen. Seit 2013 haben wir die Möglichkeit, die Arbeitskräfte in unserer Abteilung selbst auszubilden. Im vergangenen Sommer hat der dritte Ausbildungszyklus zum Sport- und Fitnesskaufmann begonnen.
Und
in Bezug auf die sportliche Entwicklung?
Schönhoff:
Auch sportlich konnten
wir uns dank unserer qualifizierten Übungsleiterinnen und Übungsleiter sowohl
im Breiten- als auch im Leistungssport enorm weiterentwickeln. Zudem ist die
nun engere Zusammenarbeit mit Bundes- und Landesverbänden in allen Wettkampfsportarten
ein wichtiger und förderlicher Schritt. Seit 2011 ist der Leistungssport von
zwei auf insgesamt fünf Bundesligamannschaften angewachsen. 2019 war sicherlich
aus sportlicher Sicht ein Highlight- Jahr: Im Kunstturnen der Herren, in der Rhythmischen
Sportgymnastik sowie im Cheerleading waren wir jeweils in der Ersten Bundesliga
vertreten. Und auch die Sportakrobatik entwickelt sich seit zwei Jahren zum Leistungssport.
Urban: Wie der Spitzensport hat auch der Breitensport weiterhin einen ebenso wichtigen Stellenwert in der Turnabteilung. Nach wie vor wird großer Wert auf die persönliche Beziehung zu Mitgliedern und Übungsleitern gelegt. Gerade der Lockdown hat gezeigt, wie wichtig die persönliche Kommunikation und der Kontakt zu unseren Mitgliedern sind. So gab es viele positive Rückmeldungen zum Online- Programm. Im Dezember gab es ein virtuelles Weihnachtsmärchen für die Kinder und ein Advents-Online-Special für Senioren. Sogar neue Übungsangebote mit neuen Übungsleitern konnten sich online etablieren.
Das
klingt insgesamt nach sehr viel Fortschritt. Worauf seid ihr rückblickend besonders
stolz?
Schönhoff:
Es gibt vieles, worauf
wir stolz sein dürfen und es auch sind. Sportlich lief es insbesondere 2019
überaus erfolgreich und arbeitsstrukturell zeigen unsere Maßnahmen wie zum
Beispiel mehr Mitarbeiter dank erweiterter Bürokapazitäten – ihre Wirkung. Neben
diesen sichtbaren Schritten wird im Hintergrund mit Hochdruck an der
Modernisierung der Strukturen im Bereich Kommunikation und Organisation
gearbeitet. Insgesamt hat sich das Team toll entwickelt, jedoch sind wir noch
lange nicht am Ende unserer Entwicklung angekommen.
Urban: Stolz sind wir aber nicht nur auf kürzlich Erreichtes, sondern ebenso auf das, was unsere Abteilung ausmacht: die Verbindung von Tradition und Moderne und die Vielfalt in der Turnabteilung. Hier gibt es für jeden einen Platz und ein Angebot – egal welches Alter, woher man kommt oder wie sportlich man ist. Auch die Zusammenarbeit von Ehrenamt und hauptamtlichen Mitarbeitern ist nach wie vor ein wichtiges Element. So haben wir zum Beispiel im Januar 2020 eine Wettkampfveranstaltung mit über 2.400 Aktiven und 2.600 Zuschauern erfolgreich gestemmt. Für den „Cheerleading und Cheerperformance Verband Deutschland“ gelten wir mittlerweile als Musterbeispiel für die Durchführung solcher Veranstaltungen. Ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer wäre das nicht möglich gewesen. Gerade hier werden der Teamgeist und die Verbundenheit spürbar. Wer Hauptamtler ist, und wer Ehrenamtler – das ist egal. Jede und jeder Einzelne ist in seiner Funktion wichtig und unglaublich wertvoll.
Wie
seht ihr die Abteilung derzeit grundsätzlich aufgestellt?
Schönhoff:
Die begonnene,
umfangreiche Modernisierung und die damit einhergehende Umstrukturierung auf
verschiedenen Ebenen sind noch lange nicht abgeschlossen. Die Anpassungen auf
der Website sind beispielsweise in vollem Gange. Wir stehen kurz vor der Umsetzung
eines digitalen Verwaltungs- und Kommunikationskonzepts. Für unsere Mitglieder sind
feingliedrige Nutzungs- und Buchungsoptionen über die Website geplant. Mittelfristig
wollen wir weitere moderne Kompetenzbereiche – in enger Abstimmung mit der Geschäftsstelle
im Riederwald – umsetzen und dabei auf die speziellen Bedürfnisse unserer Mitglieder
eingehen.
Urban: In den letzten zehn Jahren haben wir neben dem Mitgliederzuwachs auch mehr Veranstaltungen und Verantwortung für weitere Wettkampfgruppen übernommen. Damit ist der zeitliche und organisatorische Anspruch erheblich gestiegen. Wir sind deshalb sehr dankbar, dass wir seit Ende vergangenen Jahres die dringend notwendige personelle Aufstockung genehmigt bekommen haben und sehr engagierte Mitarbeiter für unser Team gewinnen konnten. Aber auch im Übungsangebot sind wir gut aufgestellt und konnten uns weiterentwickeln. So haben wir für unseren langjährigen Turnlehrer Milos Janecek, der 50 Jahre das Kinderturnen im Oeder Weg unterrichtete [Anm. d. Red.: mehr zu seinem Jubiläum auf Seite 79], in Simone Schmidlin eine tolle Nachfolgerin finden können.
Apropos
Übungsangebot: Wie kommen eure aktiven Sportlerinnen und Sportler gerade durch
diese Phase?
Urban:
Unsere Abteilung lebt
von den Angeboten und vom aktiven Sport. Als der Sportbetrieb im vergangenen
März erstmals ruhen musste, sind wir schon am zweiten Tag zu Online- Angeboten
gewechselt. Wir haben tolle Übungsleiter, die für das Experiment Onlinetraining
direkt bereit waren. Mittlerweile hat das Interesse an digitalen Einheiten in manchen
Kursen leider nachgelassen – dieses Phänomen hören wir aber auch von vielen anderen
Vereinen. In einigen Kursen haben sich wiederum feste Gruppen entwickelt, die
das Onlinetraining sehr schätzen und nicht darauf verzichten wollen. Die
Abteilung hatte mit der Wiederaufnahme des Sports im April ein funktionierendes
Hygienekonzept ausgearbeitet, Gruppen wurden geteilt und die Teilnahme an Kursen
war nur unter Voranmeldung möglich. Organisatorisch und personell war das eine riesige
Herausforderung, zumal das Büroteam bis zum Herbst nicht voll besetzt war. Langfristig
werden wir die Auswirkungen sicherlich auch im Wettkampfsport spüren. Im Kinder-
und Nachwuchsbereich haben wir vermutlich mindestens ein bis zwei Jahrgänge verloren.
Schönhoff: Im Leistungssport ist es eine sehr schwierige Zeit. Anfangs gab es keine Ausnahmeregelungen für Leistungssportlerinnen und Leistungssportler – auch ihnen blieben zunächst nur das Onlinetraining und das Abarbeiten von Trainingsplänen. Die Wettkampfsaison in der Deutschen Turnliga wurde trotz Pandemie einstimmig in allen Ligen gestartet. Bis Dezember 2020 wurden nach und nach alle Wettkampfmodi eingestellt, da die Pandemie-Situation und in diesem Zusammenhang auch Verordnungen in den einzelnen Bundesländern zu unterschiedlich waren. Auch jetzt ist die Trainingssituation noch sehr schwierig. Die Bundesliga-Athleten dürfen unter Auflagen trainieren, aber unsere Damenmannschaft hat beispielsweise seit März 2020 keinen Zugang zum Olympiastützpunkt und muss in einer Ausweichhalle trainieren, die nicht auf Leistungssport ausgelegt ist.
Welche
Ziele verfolgt ihr mit der Turnabteilung in den kommenden Jahren?
Urban:
Der größte Wunsch ist
zunächst, dass sich die Gesamtlage entspannt und wir bald wieder die Sportstätten
für unsere Mitglieder öffnen können und die Innovationen greifen, die wir angestoßen
haben. Der Sport und die Gemeinschaft haben bekanntlich für alle Altersklassen einen
wichtigen sozialen und gesundheitsförderlichen Aspekt – dieser Verantwortung sind
wir uns bewusst.
Schönhoff: Ein Ziel, das ich zum 150-jährigen Bestehen vor zehn Jahren ausgerufen habe, war, die Marke von 3.000 Mitgliedern zu knacken. Das haben wir bereits geschafft. Allerdings kann die natürliche – und jetzt durch die Pandemie noch verstärkte – Fluktuation nicht durch Neuaufnahmen, die wir normalerweise haben, kompensiert werden. Da geht es uns wie vielen anderen Vereinen. Ich denke aber, wir haben die letzten Monate, in denen der Sport stillsteht, intensiv und sinnvoll genutzt und arbeiten auch weiterhin daran, dass der Mehrwert in den kommenden Monaten, in einer hoffentlich entspannteren Gesamtsituation, sichtbar wird.
Die
zu leistende Arbeit innerhalb der Abteilung wird nicht gerade weniger. Was
treibt euch an und motiviert euch, so viel Kraft und Leidenschaft zu
investieren?
Schönhoff:
Unsere Hausaufgaben
sowohl in der Breite als auch in der Spitze haben wir gemacht. Trotzdem laufen
die Bemühungen weiter, um die Leistungen zu halten – wir wollen schließlich nicht
stehenbleiben. Wir möchten uns weiter modernisieren und den Ausbau der Öffentlichkeitsarbeit
sowie die Zusammenarbeit mit den Sportverbänden weiter vorantreiben.
Urban: Das Team hat sich in den letzten Monaten mit viel Engagement und innovativen Ideen und deren Umsetzung eingebracht. Die Vielfalt der Abteilung findet sich auch in unseren Arbeitsbereichen wieder: Die Aufgaben, die Arbeit, die Menschen – es findet ein ständiger Wandel und vor allem auch eine Weiterentwicklung statt auf der einen Seite. Auf der anderen Seite macht es auch unglaublich viel Freude, Traditionen fortführen zu können, die in einer dynamischen Zeit, in der wir leben, eine Konstanz bieten. Ich denke hier an Veranstaltungen wir Ballettvorführungen und Weihnachtsmärchen, aber auch an die klassischen Übungsstunden hier im Vereinsheim. Im Kinderturnen haben wir teilweise schon die dritte Generation einer Familie in unserer Abteilung – all das sind schöne Aspekte, die anspornen.