Mitglieder unter Corona-Einfluss

Seit fast einem Jahr hat die Coronapandemie die Welt im Griff. Dass die Eintracht-Familie auch in dieser Zeit zusammenhält und sich gegenseitig unterstützt, hat sie in den vergangenen Monaten einmal mehr eindrucksvoll bewiesen. Wie aber geht es unseren Mitgliedern? Welche Auswirkungen auf das berufliche und private Leben hat Corona für sie? Wir haben mit Gerre von der Band Tankard, Birgit Kron (Schulleiterin der Günderrodeschule) und Henrik Bauß (Student und Helfer der Eintracht-Versorgungsfahrten) gesprochen.

Gerre
„Es wird im Stadion einen gewaltigen Orkan geben“

Normalerweise ist er eigentlich immer auf Tour – sei es mit der Eintracht oder mit Tankard. 2020 war alles anders. Statt international pendelt Gerre derzeit nur zwischen Bahnhofsviertel und Rödelheim.

Rund 35 Konzerte hatte die Band Tankard 2020 ursprünglich geplant – drei sind es am Ende geworden. Als wir unser Gespräch führen, wäre Gerre, wie Andreas Geremia von allen nur genannt wird, mit seinen Jungs eigentlich in Lateinamerika unterwegs gewesen, genauer gesagt beim „Mexico Metal Fest V“, einem Riesenfestival mit Zehntausenden von Besuchern. Stattdessen hockt er in Frankfurt und wir sprechen über die Musik, seinen Job als Sozialarbeiter in der Drogenhilfe in der Niddastraße, die Auswirkungen der Coronapandemie, seinen Werdegang – und die Eintracht darf dabei natürlich auch nicht fehlen.

Sozialarbeit als Kontrastprogramm
Während Gerre bei den Konzerten mit voller Leidenschaft und Energie die Bühne zum Beben bringt, die Besucher einheizt, für gute Stimmung sorgt und auch im Stadion mit der Eintracht leidet und lebt, gibt es auch eine für viele Eintrachtler weniger bekannte Seite – die eher ruhigere, zuweilen auch nachdenkliche. Dazu passt, dass er Soziale Arbeit studiert hat und seinen Lebensunterhalt in der Drogenhilfe im Frankfurter Bahnhofsviertel in der Niddastraße verdient. Frankfurts größter Drogenkonsumraum dient dazu, dass Drogenabhängige ihre mitgebrachten Substanzen unter hygienischen Bedingungen insbesondere intravenös konsumieren können. Für viele ist sie auch ein Stück weit Aufenthalts- und Rückzugsort auf Zeit. Seit inzwischen 24 Jahren ist Gerre nun dort, seit 2009 hat er zusammen mit einem Kollegen die Leitung inne.

Die Einrichtung trifft die Coronapandemie besonders hart. Sie ist zwar immer noch offen für den Konsum, aber es dürfen keine 40 Leute mehr reingelassen werden. „Damit gibt es keinen Aufenthaltsort mehr. Diese Menschen sitzen nun auf der Straße“, erklärt Gerre die Problematik.

Sorge um die Klubszene
Auch die Pläne von Tankard wurden 2020 komplett über den Haufen geworfen. Statt der jährlich schon traditionell geplanten rund 35 Konzerte – von Italien, der Premiere in der Ukraine, ein Riesenfestival in Mexico, einigen Auftritten auf mehreren großen Festivals in Deutschland wurde mit Ausnahme von drei kurzfristig veranstalteten Konzerten alles komplett abgesagt. Im August sollte ein großes Festival in Tschechien stattfinden. Dieses wurde zwar auf nächstes Jahr verschoben, aber es gab eine kleine Open-Air-Veranstaltung mit 1.500 zugelassenen Besuchern. Im September folgte der nächste Auftritt auf einem Open-Air-Festival in Andernach vor 350 Leuten. Und Ende Oktober fand dann das dritte Konzert in Köln mit 60 Leuten statt, zudem gab es einen Livestream. Den Besuchern wurden ihre Plätze zugewiesen. Diese durften sie trotz des dauerhaften Tragens der Maske nicht verlassen. Statt sich die Getränke – wie sonst bei solchen Konzerten ja üblich – am Tresen zu holen, wurden sie an den Plätzen bedient. „Bei dieser Anzahl von Besuchern macht das auf Dauer wirtschaftlich natürlich keinen Sinn, schließlich müssen auch Kosten für Bus, Sprit, Crew usw. bezahlt werden. Aber die 60 anwesenden Fans waren wirklich total dankbar“, so Gerre.

Viele Festivals wurden auf 2021 verschoben, die ersten Konzerte sind aber bereits schon wieder abgesagt. Es bleibt derzeit nur abzuwarten, wie es weitergeht. „Ich befürchte aber, dass vor Sommer nicht viel geht. Und wenn die Bands irgendwann wieder spielen dürfen, ist die Frage, in welchen Clubs, wenn diese leider alle vorher pleite gemacht haben.“

Zukunftspläne: Kisten auspacken und zum Frauenfußball gehen
Natürlich geht die Coronapandemie auch an Gerre nicht spurlos vorbei und er wirkt nachdenklich, betrachtet die Dinge ambivalent. Alles musste immer höher, schneller, weiter gehen. Die Menschen konnten die ganze Welt bereisen. „Vielleicht konnte das auf Dauer nicht gutgehen und wurde deshalb die Handbremse gezogen. Und irgendwann im April stand man auf dem Balkon und hat einen klaren Himmel ohne Flugzeuge gesehen.“ Inzwischen sei er aber auch zunehmend genervt – von der übermäßigen Berichterstattung in den Medien, von dem Hin und Her der Regeln. „Der Gesundheitsschutz hat sicherlich absolute Priorität, aber auf der anderen Seite kann man auch nicht zahlreiche Existenzen von Solo Selbstständigen zerstören. Was kommen da denn für Folgeschäden auf uns zu? Das abzuwägen und da die richtigen Maßnahmen zu treffen, da möchte ich allerdings auch nicht in der Haut derjenigen stecken, die das zu entscheiden haben.“

„Klar, die Musik fehlt einem, der Fußball fehlt einem, auch wenn man es sich im Fernsehen anschaut. Ohne Zuschauer ist das so surreal“, so Gerre. „Aber ich habe genug zu tun. Zum Beispiel kann ich zu Hause ein paar Kisten auspacken. Ich bin ja erst vor drei Jahren umgezogen“, lacht er. Sein Zuhause ist in der Nähe vom Brentanobad in Rödelheim. „Dort, wo unsere Fußballerinnen spielen. Da wollte ich jetzt eigentlich mal hin, aber das geht ja im Moment auch nicht. Ich habe nämlich gehört, dass da vor Anpfiff auch ‚Schwarz-weiß wie Schnee …‘ gespielt wird. Und das muss ich mir doch unbedingt mal vor Ort reinziehen.“ Und auch bei unseren Männern wagt Gerre schon mal einen Blick in die Zukunft, wenn das Stadion eines Tages wieder voll sein sollte. „Es kann durchaus sein, dass sich einige vom Fußball abgewandt haben. Das kann ich mir in Frankfurt aber eigentlich nicht vorstellen. Wenn wir das erste Mal wieder alle reindürfen, dann wird es so einen gewaltigen Orkan geben, wie wir es selten erlebt haben.“ Mit dir im Stadion, Gerre, sind wir uns da ganz sicher!

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Birgit Kron
„Die Pausenliga ist in dieser Situation besonders wichtig“

Normalerweise gastiert die Pausenliga wöchentlich an der Günderrodeschule im Gallus – ein wichtiger Bestandteil im Alltag der Kinder, wie die Schulleiterin berichtet.

Du suchst Dir nicht Deinen Verein aus, sondern Dein Verein sucht sich Dich aus“, hat Nick Hornby einmal gesagt. Es gibt wohl keinen besseren Satz, der auf Birgit Kron zutrifft. Wer in das Büro der Schulleiterin kommt, sieht direkt, was Sache ist: Neben Lehrplänen und Papierstapeln schmückt ein großer Wimpel der Eintracht ihr Büro und zeigt: „Hier sitzt ein Adler“. Zwischen Lehrerkonferenz und Corona-Sitzung findet sie dennoch Zeit für ein Gespräch über die Eintracht, Corona und die Auswirkungen auf ihr berufliches und privates Leben.

Birgit Kron kommt aus Regensburg und ist eigentlich nur durch Zufall nach Frankfurt gezogen. Seit fast zehn Jahren ist sie als Schulleiterin der Günderrodeschule im Gallusviertel tätig. Der Job als Schulleiterin verlangt ihr viel ab. Jeder Tag ist anders und es kann auch vorkommen, dass der Computer gar nicht erst hochgefahren wird, da so viele andere Dinge zu erledigen sind. „Das macht den Job so interessant, aber man muss auch verdammt flexibel sein.“ Besonders die Coronapandemie hat sie und die ganze Schule vor große Herausforderungen gestellt. „Es ist ein unbewusster Stress, von dem man nicht wirklich abschalten kann“, berichtet Kron. Neben digitalem Unterricht wurden beispielweise Lernpakete für die Schüler geschnürt, die ihnen sogar nach Hause gebracht wurden – auch um den sozialen Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern aufrechtzuerhalten.

Die Corona Krise bedeutet viele Einschränkungen im Privaten und in der Schule. Die Kinder der Günderrodeschule können weder in den Sportunterricht noch in den Vereinen Sport treiben. Gerade deswegen war Birgit Kron froh, dass sie mit ihrer Schule lange weiterhin an der Eintracht Frankfurt Pausenliga teilnehmen konnte. Die Pausenliga biete den Kindern etwas Bekanntes und das sei in dieser Situation besonders wichtig. Zudem erinnert sich die 45 Jährige gerne an die Geschichten, als einige Kinder mit den Profis an der Hand aufs Spielfeld mit einlaufen durften. Ein Moment, der zwar schon einige Monate zurückliegt, viele zehren aber noch heute von diesen positiven Erinnerungen. „Als mir eine Mutter weinend gegenüberstand und mir sagte, dass sie das ihren Kindern schon immer ermöglichen wollte, einmal ins Stadion zu gehen, hat mich das tief berührt und gezeigt, wie wichtig auch die Arbeit der Eintracht ist, so etwas zu ermöglichen.“

2001 ging Birgit Kron das erste Mal ins Stadion. Mit ihrem Sohn saß sie im Familienblock und von dort an wurden die Stadionbesuche häufiger. Sie lernte die Eintracht langsam, aber sicher kennen und lieben. Zu ihrem 40. Geburtstag wünschte sie sich dann eine Dauerkarte und über ein paar Umwege hat es tatsächlich funktioniert. Die Diva begleitet Birgit Kron in allen Lebensbereichen und sie freut sich schon jetzt darauf, wieder ins Stadion gehen zu dürfen und den Emotionen freien Lauf zu lassen. Doch jetzt heißt es wieder ran an die Arbeit: Die Schulglocke ertönt und die Kinder haben frei. Für die Schulleiterin ist aber noch lange nicht Schluss, denn es geht zur nächsten Corona-Sitzung. „Ich wünsche mir einfach nur, dass keine Grundschule mehr geschlossen wird.“ Und damit endet ein eindrucksvolles Gespräch mit einer Eintrachtlerin, die froh ist, dass „ihre Eintracht“ sie ausgesucht hat.

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Henrik Bauß
„Ich bin dankbar, dass ich die Möglichkeit habe, Gutes zu tun“

Jede Woche versorgt Henrik Bauß Vereinsmitglieder mit Lebensmitteln. Eine Aufgabe, die den 19-Jährigen erfüllt und geerdet hat.

Es ist Dienstag, 13.45 Uhr. Der Wagen mit dem riesigen Adler auf der Seite hält in einer Straße mitten in der Innenstadt. Henrik Bauß geht an den Kofferraum, holt eine volle Einkaufstüte heraus. Vollbepackt geht er durch das kleine Eingangstor und winkt mit den Lebensmitteln in der Hand bereits Frau Hertler zu. Mit einem Lächeln im Gesicht öffnet sie sofort das Fenster. Man kennt sich schon. Und wie jedes Mal freut sie sich über den Besuch von Henrik – selbstverständlich auf Abstand – und natürlich über die mitgebrachten Einkäufe.

Henrik Bauß ist einer der fleißigen Helfer, die durch die Verpflegungsfahrten Vereinsmitglieder mit Lebensmitteln versorgt. Seit seinem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ), das er bei der Eintracht absolviert hat, übernimmt er die wöchentlichen Touren durch Frankfurt und das mit viel Freude. „Mir macht es Spaß, für die Eintracht zu arbeiten, weil es ein toller Verein ist, und ich bin dankbar, dass ich so die Möglichkeit habe, etwas Gutes zu tun.“

Bei den Versorgungsfahrten hat Henrik einen festen Plan. Morgens geht es ab in den REWE am Grünhof, der seit Beginn die Versorgungsfahrten unterstützt. Dort arbeitet er sich durch die Regale, um alle Bestellungen für die Mitglieder einzukaufen. Am Auto packt er jedem Mitglied seine eigene Tüte und macht sich fertig für die Fahrt. Die Adressen hat er mittlerweile alle im Kopf und auch die eine oder andere Anekdote hat er zu erzählen. Besonders schwärmt er von dem Kuchen von Frau Hertler, den sie als Dankeschön gerne auf die Fensterbank stellt. Ein Dankeschön, über das sich der 19-Jährige natürlich ganz besonders freut, auch wenn es für ihn selbstverständlich ist, dort zu unterstützen, wo es eben nötig ist.

Denn das soziale Engagement liegt ihm besonders am Herzen. „Es ist die Verantwortung der jungen Leute, gerade in der aktuellen Situation, den Menschen zu helfen und sie zu unterstützen, die beispielsweise der Risikogruppe angehören.“ Ihn erfüllt diese Tätigkeit und er schwärmt von der Wärme und Herzlichkeit der Mitglieder, die er beliefert. Die soziale Arbeit und die Gespräche mit den Eintrachtlerinnen und Eintrachtlern bringen ihn zurück auf den Boden der Tatsachen. „Man wird dankbar für das, was man hat, und lernt es mehr zu schätzen“, so der Student.

Neben seinem sozialen Engagement und seiner großen Liebe für den Sport ist Henrik Bauß seit Sommer 2020 Jurastudent an der Goethe-Universität in Frankfurt. Corona-bedingt musste der Semesterstart allerdings – wie so vieles – online stattfinden. Hieß für Henrik: Online-Einführungswoche, keine Ersti-Feiern und keine neuen Leute kennenlernen. „Das Studium-Feeling kommt nicht so auf, wenn man zu Hause vor dem Laptop sitzt und sich eine Vorlesung anhört“, lautet das Resümee zu seinem Studienstart. Er geht die Sache aber, wie in vielen anderen Bereichen seines Lebens auch, positiv an und macht das Beste aus der Situation: „So kann ich mir auch besser den Tag einplanen und beispielsweise die Versorgungsfahrten für die Eintracht übernehmen.“ Und so heißt es auch an den nächsten Dienstagen für Henrik wieder ab in den Bus und Mitglieder unterstützen. Solange es eben nötig ist.

Bist du Mitglied bei Eintracht Frankfurt und möchtest uns deine Corona-Geschichte erzählen – sei es als Schüler, Student, Künstler, im Gastronomiebetrieb oder in einem systemrelevanten Beruf tätig oder willst du einfach über die Auswirkungen auf dein berufliches und privates Leben berichten, dann schreibe uns gerne unter bickel@eintracht-frankfurt.de.