„Jovic-Verpflichtung war ein Zeichen an die Mannschaft“
Jan,
die Eintracht hat aktuell einen unglaublichen Lauf. Hand aufs Herz, hättest du
gedacht, dass die Mannschaft so weit oben angreifen würde?
Nach den ersten Saisonwochen dachte ich, dass die Eintracht ein Team für das Mittelfeld der Tabelle ist. Aber Adi Hütter, Fredi Bobic und die anderen Verantwortlichen haben es gemeinsam geschafft, wieder eine sehr schlagkräftige, selbstbewusste Truppe zusammenzustellen. Wir sehen einen André Silva in Topform, dazu kommt ein großer Konkurrenzkampf, gerade um die Positionen im zentralen Mittelfeld. Auch hinten lässt man nicht allzu viel zu. Vor allem hat man eine echte Mannschaft auf dem Platz, einen eingeschworenen Haufen. Mich erinnert das Ganze an den Herbst der vorletzten Europa- League-Saison, denn auch damals konnte man ein Team beim Wachsen beobachten.
Auch
das Selbstvertrauen wächst natürlich mit jedem Sieg.
Absolut.
Die Mannschaft weiß, dass sie immer ihre Tore machen kann. Das hat man gegen
Berlin und Hoffenheim gesehen, als man nach Gegentoren noch mal angezogen und
postwendend mit eigenen Treffern geantwortet hat. Das ist schon sehr
beeindruckend. Zudem sitzen auch potenzielle Stammspieler mal draußen, man kann
also stets mit hungrigen Spielern nachlegen.
Was Adi
Hütter für mich immer ausgezeichnet hat, ist, dass er Spielern stets
eine Chance gegeben hat. Auch wenn sie vielleicht mal einen oder gar
zwei Konkurrenten vor sich hatten. Bei ihm weiß jeder, dass er über gute
Leistungen im Training seinen Platz erobern kann. Denn es gibt auch mal
Sperren oder Verletzungen, dann müssen die anderen bereit sein. Jeder
kann seine Chance bekommen und nutzen. Dass sich niemand hängen lässt,
spricht für den Charakter der Mannschaft, und dass sich kämpfen lohnt,
beweist Erik Durm gerade.
Einer
deiner bekanntesten Sprüche zu deiner Eintracht-Zeit ist dieser: „Die
Entscheidung fiel zwischen mir und dem Busfahrer. Zum Glück hatte der Busfahrer
seine Schuhe vergessen.” Auch wenn das natürlich etwas überspitzt war, klingt
das so, als ob du mal in einer ähnlichen Situation gewesen wärest?
Felix
Magath kam und wollte lieber auf jüngere Stürmer setzen, etwa Thomas
Reichenberger. Das ist ganz normal und auch völlig in Ordnung. Trotzdem habe
ich oft das Gespräch gesucht und ihm immer versichert, dass ich auf meine
Chance warte. Wenn ich diese bekam, habe ich auch meine Tore gemacht. Nur so
geht es, denn wer sich hängen lässt, hat gleich verloren. Aufstecken hilft
weder der Mannschaft noch dir selbst.
Wie
sehr beeindruckt dich in diesem Zusammenhang die nach wie vor blendende Verfassung
des mittlerweile 37-jährigen Makoto Hasebe?
Auch an
ihm sieht man die Philosophie von Adi Hütter. Ja, der Spieler ist schon älter
und sein Vertrag läuft aus. Du weißt noch nicht, ob er nächstes Jahr noch da
sein wird. Aber er bringt tolle Leistungen, also spielt er aktuell. Ein
erfahrener Musterprofi wie er wird gerade gebraucht, also steht er auf dem
Platz und fertig. Manche andere Trainer tun sich mit solchen Entscheidungen
schwer, aber bei Adi Hütter kann man davon ausgehen, dass er immer diejenigen aufs
Feld schickt, die in seinen Augen die Besten sind. Ich glaube, das ist ein
wichtiger Aspekt davon, dass sich die Spieler bei ihm und bei der Eintracht
merklich wohlfühlen.
Für
die Restrunde stehen nun einige Spieler weniger zur Verfügung, denn der Kader
hat sich im Winter insgesamt verkleinert. Dennoch ist die Leistungsdichte
weiterhin bemerkenswert hoch. Dein Transferfazit?
Als
Erstes hat die Eintracht an Weihnachten Bas Dost abgeben, weil es wirtschaftlich
einfach Sinn ergeben hat. Dass es Corona-bedingt zu solchen Verkäufen kommen
würde, wusste man schon zu Saisonbeginn. Danach hat man davon geträumt, Luka
Jovic zurückzuholen und dies am Ende tatsächlich geschafft. Mit ihm hat die
Eintracht nicht nur einen Spieler geholt, der direkt gezeigt hat, dass er
nichts verlernt hat. Durch diesen Transfer hat man auch ein Zeichen an die
Mannschaft gesendet und für zusätzlichen Optimismus gesorgt.
Wie
meinst du das genau?
Jeder
weiß, was Luka für den Klub geleistet hat. Dass er zurückkam, ist ein echtes
Ausrufezeichen. Auch sein Kumpel Filip Kostic ist direkt noch einmal aufgeblüht
und hat das Team etwa gegen Hoffenheim zum Sieg geführt. Ich glaube, Fans und
Umfeld waren mit diesem Zugang auch nicht ganz unglücklich (lacht). Dass
er wieder da ist, kann man auch als Kompliment an die Eintracht deuten, denn
Real traut uns und dem Trainer zu, den Spieler weiterzuentwickeln. Ähnlich ist
es beim Norweger Martin Ödegaard, den Real an Arsenal verliehen hat. Real tut
sich im Moment schwer damit, junge Spieler zu integrieren und ihnen die nötige
Spielzeit zuzugestehen.
Zum
Abschluss ein kurzer Blick in die Glaskugel: Was ist diese Saison für die SGE
noch drin?
Für mich
ist die Europa League ein realistisches Ziel, auch wenn man natürlich von der
Champions League träumen kann. Aktuell sind wir oben mit dabei, aber es kann
auch mal eine Phase mit zwei, drei Niederlagen am Stück kommen und dann wird
man möglicherweise wieder ein paar Plätze einbüßen. Wichtig ist, dass man ruhig
weiterarbeitet und sein Spiel durchzieht. Die Spieler wissen, dass sie in jeder
Partie eine Chance haben, wenn sie ihre Leistung abrufen. Es klingt natürlich langweilig,
aber man muss wirklich weiterhin nur von Spiel zu Spiel schauen und dann sehen,
wo man im Mai steht.
Interview: Markus Rutten
Jan Aage
Fjörtoft, 54, hat die Eintracht 1999 zum Klassenerhalt geschossen und genießt
bei den Fans nicht nur daher Kultstatus. Er ist ein fußballerischer
Weltenbummler, meinungsstark, immer auf dem Laufenden, ein gefragter Experte
und nicht zuletzt unserer Eintracht nach wie vor tief verbunden. Das sind Gründe
genug für eine regelmäßige Interview-Kolumne mit dem Norweger.