„Jovic-Verpflichtung war ein Zeichen an die Mannschaft“

Jan, die Eintracht hat aktuell einen unglaublichen Lauf. Hand aufs Herz, hättest du gedacht, dass die Mannschaft so weit oben angreifen würde?

Nach den ersten Saisonwochen dachte ich, dass die Eintracht ein Team für das Mittelfeld der Tabelle ist. Aber Adi Hütter, Fredi Bobic und die anderen Verantwortlichen haben es gemeinsam geschafft, wieder eine sehr schlagkräftige, selbstbewusste Truppe zusammenzustellen. Wir sehen einen André Silva in Topform, dazu kommt ein großer Konkurrenzkampf, gerade um die Positionen im zentralen Mittelfeld. Auch hinten lässt man nicht allzu viel zu. Vor allem hat man eine echte Mannschaft auf dem Platz, einen eingeschworenen Haufen. Mich erinnert das Ganze an den Herbst der vorletzten Europa- League-Saison, denn auch damals konnte man ein Team beim Wachsen beobachten.

Auch das Selbstvertrauen wächst natürlich mit jedem Sieg.
Absolut. Die Mannschaft weiß, dass sie immer ihre Tore machen kann. Das hat man gegen Berlin und Hoffenheim gesehen, als man nach Gegentoren noch mal angezogen und postwendend mit eigenen Treffern geantwortet hat. Das ist schon sehr beeindruckend. Zudem sitzen auch potenzielle Stammspieler mal draußen, man kann also stets mit hungrigen Spielern nachlegen.

Sebastian Rode, Aymen Barkok und Luka Jovic sind in den vergangenen Wochen auch mal von der Bank gekommen.
Was Adi Hütter für mich immer ausgezeichnet hat, ist, dass er Spielern stets eine Chance gegeben hat. Auch wenn sie vielleicht mal einen oder gar zwei Konkurrenten vor sich hatten. Bei ihm weiß jeder, dass er über gute Leistungen im Training seinen Platz erobern kann. Denn es gibt auch mal Sperren oder Verletzungen, dann müssen die anderen bereit sein. Jeder kann seine Chance bekommen und nutzen. Dass sich niemand hängen lässt, spricht für den Charakter der Mannschaft, und dass sich kämpfen lohnt, beweist Erik Durm gerade.

Einer deiner bekanntesten Sprüche zu deiner Eintracht-Zeit ist dieser: „Die Entscheidung fiel zwischen mir und dem Busfahrer. Zum Glück hatte der Busfahrer seine Schuhe vergessen.” Auch wenn das natürlich etwas überspitzt war, klingt das so, als ob du mal in einer ähnlichen Situation gewesen wärest?
Felix Magath kam und wollte lieber auf jüngere Stürmer setzen, etwa Thomas Reichenberger. Das ist ganz normal und auch völlig in Ordnung. Trotzdem habe ich oft das Gespräch gesucht und ihm immer versichert, dass ich auf meine Chance warte. Wenn ich diese bekam, habe ich auch meine Tore gemacht. Nur so geht es, denn wer sich hängen lässt, hat gleich verloren. Aufstecken hilft weder der Mannschaft noch dir selbst.

Wie sehr beeindruckt dich in diesem Zusammenhang die nach wie vor blendende Verfassung des mittlerweile 37-jährigen Makoto Hasebe?
Auch an ihm sieht man die Philosophie von Adi Hütter. Ja, der Spieler ist schon älter und sein Vertrag läuft aus. Du weißt noch nicht, ob er nächstes Jahr noch da sein wird. Aber er bringt tolle Leistungen, also spielt er aktuell. Ein erfahrener Musterprofi wie er wird gerade gebraucht, also steht er auf dem Platz und fertig. Manche andere Trainer tun sich mit solchen Entscheidungen schwer, aber bei Adi Hütter kann man davon ausgehen, dass er immer diejenigen aufs Feld schickt, die in seinen Augen die Besten sind. Ich glaube, das ist ein wichtiger Aspekt davon, dass sich die Spieler bei ihm und bei der Eintracht merklich wohlfühlen. 

Für die Restrunde stehen nun einige Spieler weniger zur Verfügung, denn der Kader hat sich im Winter insgesamt verkleinert. Dennoch ist die Leistungsdichte weiterhin bemerkenswert hoch. Dein Transferfazit?
Als Erstes hat die Eintracht an Weihnachten Bas Dost abgeben, weil es wirtschaftlich einfach Sinn ergeben hat. Dass es Corona-bedingt zu solchen Verkäufen kommen würde, wusste man schon zu Saisonbeginn. Danach hat man davon geträumt, Luka Jovic zurückzuholen und dies am Ende tatsächlich geschafft. Mit ihm hat die Eintracht nicht nur einen Spieler geholt, der direkt gezeigt hat, dass er nichts verlernt hat. Durch diesen Transfer hat man auch ein Zeichen an die Mannschaft gesendet und für zusätzlichen Optimismus gesorgt. 

Wie meinst du das genau?
Jeder weiß, was Luka für den Klub geleistet hat. Dass er zurückkam, ist ein echtes Ausrufezeichen. Auch sein Kumpel Filip Kostic ist direkt noch einmal aufgeblüht und hat das Team etwa gegen Hoffenheim zum Sieg geführt. Ich glaube, Fans und Umfeld waren mit diesem Zugang auch nicht ganz unglücklich (lacht). Dass er wieder da ist, kann man auch als Kompliment an die Eintracht deuten, denn Real traut uns und dem Trainer zu, den Spieler weiterzuentwickeln. Ähnlich ist es beim Norweger Martin Ödegaard, den Real an Arsenal verliehen hat. Real tut sich im Moment schwer damit, junge Spieler zu integrieren und ihnen die nötige Spielzeit zuzugestehen.

Zum Abschluss ein kurzer Blick in die Glaskugel: Was ist diese Saison für die SGE noch drin?
Für mich ist die Europa League ein realistisches Ziel, auch wenn man natürlich von der Champions League träumen kann. Aktuell sind wir oben mit dabei, aber es kann auch mal eine Phase mit zwei, drei Niederlagen am Stück kommen und dann wird man möglicherweise wieder ein paar Plätze einbüßen. Wichtig ist, dass man ruhig weiterarbeitet und sein Spiel durchzieht. Die Spieler wissen, dass sie in jeder Partie eine Chance haben, wenn sie ihre Leistung abrufen. Es klingt natürlich langweilig, aber man muss wirklich weiterhin nur von Spiel zu Spiel schauen und dann sehen, wo man im Mai steht. 

Interview: Markus Rutten

Jan Aage Fjörtoft, 54, hat die Eintracht 1999 zum Klassenerhalt geschossen und genießt bei den Fans nicht nur daher Kultstatus. Er ist ein fußballerischer Weltenbummler, meinungsstark, immer auf dem Laufenden, ein gefragter Experte und nicht zuletzt unserer Eintracht nach wie vor tief verbunden. Das sind Gründe genug für eine regelmäßige Interview-Kolumne mit dem Norweger.