Eine Legende wird 75

Er ist ein Stück fleischgewordene Eintracht-Geschichte. Als Spieler, Vizepräsident, Manager, Scout, Ehrenspielführer, Berater, Botschafter: Bernd Hölzenbein, der kürzlich seinen 75. Geburtstag feierte und seit 55 Jahren Eintracht-Mitglied ist.

Traurig war er, der junge Bernd, als er erstmals auf sein Idol, den 54er-Weltmeister Fritz Walter, traf – doch dieser ihn, wenig verwunderlich, nicht kannte. „Dabei hatte ich doch alles von ihm gelesen“, erzählte Bernd Hölzenbein 2009 im Eintracht-Museum. Dass er später selbst den goldenen WM-Pokal in die Höhe stemmen durfte, ahnte er damals noch nicht. Hätte man es ihm prophezeit, er wäre kopfschüttelnd gegangen. Die WM 1974 in Deutschland bedeutete für ihn den internationalen Durchbruch und natürlich wird er noch heute mit der Szene konfrontiert, die in die Fußballgeschichte einging. Dem Moment, als er im Endspiel im Strafraum der Niederländer nach einer Berührung von Wim Jansen zu Boden ging und Schiedsrichter Taylor auf den Punkt zeigte. Der folgende Elfmeter brachte den Ausgleich durch Breitner, ein Treffer von Müller den Titel. Fritz Walter hatte endlich würdige Nachfolger. Noch 2017 thematisierte der Spielfilm „Verliebt in Amsterdam“ die Szene, auch wenn auf dem besprühten Auto eines Deutschen der Name „Hölsenbein“ stand.

„Auf das Mannschaftsfoto wollte ich unbedingt drauf“

Wenige Wochen nach dem WM-Finale feierte die Eintracht den ersten Pokalsieg. Für „Holz“, wie er seit jeher genannt wird, folgten noch zwei weitere. Einer gleich im Jahr darauf, der dritte 1981. Das Finale gegen Kaiserslautern wurde sein letztes Spiel für die SGE. Nach 420 Bundesligaspielen verließ der quirlige Stürmer den Klub, für den er seit 1966 die Fußballstiefel schnürte, in Richtung USA. Seine 160 Ligatore sind bis heute Vereinsrekord. Selbstverständlich wurde der leichtfüßige Stürmer 2012 auch zur „Säule der Eintracht“ gewählt.

Dabei war der Beginn seiner Karriere in Frankfurt eher holprig. Eingeladen zu einem Probetraining in den Niederlanden, verließ er dieses vorzeitig in Richtung seines Heimatklubs, dem TuS Dehrn. „Der Bernd Nickel, der gleichfalls eingeladen war, war doch so viel besser als ich.“ Doch die Eintracht blieb am Drücker und Holz kehrte an den Riederwald zurück. Geplant für die Amateure, schaffte er es dennoch auf das offizielle Mannschaftsfoto: „Um Geld hatte ich mich damals gar nicht gekümmert, aber auf das Foto, da wollte ich unbedingt mit drauf.“ Etwas später spielte er sich doch in die Profitruppe und entwickelte sich in den folgenden 14 Jahren zu einer echten Legende. Selten stand dabei ein Spitzname in einem derartigen Kontrast zu seinem Subjekt. Während das Wort „Holz“ eine statische Stabilität evoziert, wehte er hingegen mit der Leichtigkeit eines im Winde fallenden Herbstblattes durch die Strafräume, jederzeit bereit für eine unvorhersehbare Kapriole. Am berühmtesten sicherlich das Sitzkopfballtor im UEFA-Cup 1979 gegen Dinamo Bukarest, als der Ball in letzter Sekunde Torhüter Stefan aus den Händen glitschte und der, da ausgerutscht, auf dem Boden sitzende Hölzenbein geistesgegenwärtig den Kopf reckte und das 2:0 erzielte. Nickels 3:0 in der Verlängerung brachte den Einzug in die nächste Runde. Am Ende wuchtete Holz als Kapitän der Eintracht den Cup stolz in den Nachthimmel von Frankfurt. Und nahm ihn nach den Feierlichkeiten einfach mit nach Hause.

Nach seiner aktiven Karriere, die er final 1986 in Salmrohr ausklingen ließ und dabei in seinem letzten Kurzeinsatz nach monatelanger Verletzung in der Aufstiegsrunde durch seine bloße Anwesenheit auf dem Platz den Offenbacher Kickers den Sprung in die Zweite Liga vermasselte (Salmrohr erzielte kurz vor Schluss nach Hölzenbeins Einwechslung noch zwei Tore), fand er sich 1988 urplötzlich als Vizepräsident, später als Manager der Eintracht wieder. Aus dem Abstiegskandidaten entwickelte sich binnen kurzem ein Titelaspirant. Mit Rückkehrer Ralf Falkenmayer, dem gebürtigen Hessen Uwe Bein und Torjäger Anthony Yeboah zelebrierte die Eintracht Fußball 2000 – und scheiterte 1992 tragisch im letzten Spiel der Saison. Der sicher geglaubte Titel war verspielt, die Eintracht stand mit leeren Händen da. Als der Verein 1996 erstmals aus der Bundesliga abstieg, neigte sich auch Bernd Hölzenbeins Zeit als Manager dem Ende entgegen. Erst 2004 holte Heribert Bruchhagen Holz ins Boot der Eintracht zurück. Er leitete das Scouting, fungierte als Berater des Vorstands. Bis heute dient er dem Klub als Markenbotschafter.

Große Worte sind allerdings nicht die Sache eines Bernd Hölzenbein. Wenn er die Wahl zwischen einem Glas Schampus und einem Bier hätte, er würde sich jederzeit für das Bier entscheiden. Er würde bei diesem Bier freimütig auch über seine Fehler plaudern, aus denen er nie einen Hehl gemacht hat – dabei verschmitzt grinsend. Breitbeiniges Selbstbewusstsein ist seinem Wesen fremd. Wenn er sich einmal weit aus dem Fenster lehnte, hatte dies ungeahnte Konsequenzen, wie nach dem verkorksten WM-Turnier 1978 in Argentinien, als er sich über die Jungstars mokierte und vom damaligen Bundestrainer Helmut Schön fortan mit bitterlichem Schweigen bestraft wurde. Später reichte ihm Schön die Hand – und Holz war schwer erleichtert.

Am 9. März wurde Bernd Hölzenbein 75 Jahre alt. Vor dem geistigen Auge sieht man wieder, wie er durch gegnerische Strafräume quirlt und jederzeit für einen Treffer, für einen überraschenden Moment gut ist. So wie im Mai 1971, als erst sein Tor, dann die Vorbereitung in Form eines Übersteigers zu Nickels 2:0 in Offenbach führte und dadurch der drohende Abstieg verhindert wurde. Nicht nur dafür ist ihm Eintracht Frankfurt heute noch dankbar. Und wünscht ihm alles erdenklich Gute. Herzlichen Glückwunsch, Bernd Hölzenbein!

Bernds Treue-Triple