Die gute Seele

Aus der Liebe zum Fußball und zu Eintracht Frankfurt hat Franco Lionti vor fast einem Vierteljahrhundert seinen Job im Sanitärgroßhandel aufgegeben. Seit dem 1. Juli 1997 ist er angestellt, als Fan stand er schon beim UEFA-Cup-Sieg 1980 im G-Block. Wegzudenken aus dem Eintracht-Staff ist der Materialwart heute nicht mehr. Vereinstreue: 100 Prozent.

Die „Eintracht vom Main“-Redaktion trifft Franco Lionti in Block 41 an seinem Arbeitsplatz. In unzähligen gelben Kisten lagern Trikots, Stutzen, Hosen, Jacken und vieles mehr feinsäuberlich sortiert. In der Raummitte dienen einige Tische aneinandergereiht als große Ablagefläche. Die Beflockungsmaschine war gerade im Einsatz. „Eines von vielen Beispielen, wie sich die Arbeit in den vergangenen Jahren verändert hat“, erzählt Lionti. „Früher haben wir das nicht selbst gemacht, heute muss alles viel schneller gehen.“ Ein paar Meter weiter hat der 53-Jährige sein kleines, aber feines Büro. An der Wand hängen Fotos und Grüße von Ex-Spielern und -Trainern. Eine Wand wie eine Zeitreise und der Beweis, dass er bei vielen Weggefährten einen sehr nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat. Und das über mehr als zwei Jahrzehnte. Als Lionti bei der Eintracht Fuß fasste, war Horst Ehrmantraut Trainer. Das ist eine ganze Weile her.

Im Alter von neun Jahren kam Lionti mit seiner Familie aus Sizilien nach Deutschland. Es dauerte nicht lange, bis er mit Freunden ins Waldstadion fuhr und dort stand, wo die Hartgesottenen Körbel, Hölzenbein und Co. anfeuerten: im G-Block. Später kickte er beim FC Italia, bei dem er auch Vorstandsarbeit leistete. Über den damaligen Eintracht-Schatzmeister Gaetano Patella und den als Scout wirkenden 59er-Meister Istvan Sztani kam er ins Eintracht-Umfeld und wurde gefragt, ob er als Dolmetscher nach Granada zu einem U21-Länderspiel zwischen Deutschland und Albanien reisen würde. „Ich hatte sowieso gerade Urlaub“, war Lionti sofort Feuer und Flamme.

„Die Eintracht weiß, was sie an mir hat – und umgekehrt“

Nun nahm alles seinen Lauf. Er arbeitete zunächst ehrenamtlich fast täglich am Riederwald, unterstützte Patella und Geschäftsführer Jürgen Gerhardt, war schnell Mädchen für alles. Er erledigte Behördengänge für Spieler, schaute sich VHS-Kassetten an und unterstützte damit die Spielvorbereitung des Trainers. Videoanalysten, Teammanager – all das gab’s damals noch nicht. Ab 1. Juli 1997 hatte er einen Vertrag bei der Eintracht, ins erste Trainingslager nach Zypern unter Trainer Felix Magath brachte ihn ein Zufall. „Friedel Lutz hatte einen Leisten-OP gehabt und konnte nichts heben“, erinnert sich Lionti. Lutz und auch Anton Hübler, seine Vorgänger, zählen zu seinen Lehrmeistern. Rainer Falkenhain war lange Zeit sein Vorgesetzter, „ich bin ihm sehr dankbar“. Materialwart nennt sich seine Tätigkeit heute, mit dem seit zehn Jahren ebenso in dieser Position tätigen Igor Simonov ist auch sein Kollege eine Konstante.

Lionti liebt seine Arbeit und liebt die Eintracht. „Die Eintracht weiß, was sie an mir hat – und umgekehrt“, sagt er. Loyalität, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit – das sind nur drei Eigenschaften, die ihn auszeichnen und auf die er viel Wert legt. Der eine oder andere Trainer wollte ihn schon zur nächsten Station mitnehmen, drüber nachgedacht hat er letztmals vor rund zehn Jahren. „Heribert Bruchhagen [ehemaliger Vorstandsvorsitzender; Anm. d. Red.] und Rainer Falkenhain haben mir abgeraten. Sie sagten: Wenn der Trainer dann fliegt, bist du der Nächste.“ Heute kommen ihm solche Gedanken nicht mehr; er ist stolz, bald ein Vierteljahrhundert für seinen Herzensverein tätig zu sein. Zumal seine Familie mit Geschwistern und Eltern im Frankfurter Raum heimisch ist und auch seine beiden erwachsenen Kinder bei der Eintracht arbeiten. Tochter Valentina als Werkstudentin im Bereich Produktmanagement und Einkauf und Sohn Giuseppe als Greenkeeper. „Die Familie hat viel geopfert“, sagt er anerkennend, rund eine Handvoll Spiele hat er seit seinem Dienstbeginn lediglich verpasst.

Lionti hat bei der Eintracht schon alles erlebt. Den Pokalsieg, Aufstiege und rauschende Europa-League-Nächte, aber auch düstere Zeiten, sowohl wirtschaftlich als auch sportlich. „Als wir damals in Wolfsburg abgestiegen sind und die Spieler die Trikots zu den Fans geworfen haben, kamen diese umgehend wieder zurück“, erinnert sich Lionti. Kein Wunder, wenn er sagt, dass die aktuellen, wesentlich ruhigeren Zeiten, sich „wie im Paradies“ anfühlen. Auch wenn vielleicht alles ein bisschen schneller gehen muss als früher. Und schon steht Lionti wieder an der Beflockungsmaschine. Weiter geht’s, stets im Dienst für die Eintracht.

Francos Treue-Triple