Treu, kämpferisch und engagiert

… alles Eigenschaften, die auf SGE-Mittelfeldspielerin Saskia Matheis zutreffen, die bereits 2005 zum 1. FFC Frankfurt wechselte und somit die dienstälteste Adlerträgerin im aktuellen Profikader der Frauen ist. Nach einer Verletzung hat sie mit der Eintracht noch einiges vor.

Wie viele Spiele Saskia Matheis für den 1. FFC Frankfurt seit der U13 bestritten hat, lässt sich nicht mehr genau nachvollziehen – aber schon die 102 Pflichtspiele seit der U17 sind beachtlich. Die 23-Jährige kannte den FFC länger als jede andere Spielerin, hat alle Jugendteams durchlaufen. Angefangen als kleines Mädchen in der Mädchenfußballschule des FFC bis hin zur aktuellen Bundesligaspielerin bei Eintracht Frankfurt. „Als mein Vater mich 2005 zum ersten Camp in der Mädchenfußballschule gefahren hat, war ich total nervös. Die Trainerinnen Monika Staab und Louise Hansen waren absolute Idole. Nach dem ersten Training kam Monika auf meinen Vater zu, ich dachte im ersten Moment ‚Oh Gott, was habe ich nur falsch gemacht‘, sie hat dann aber nur gefragt, ob ich Interesse an der FFC-Talentförderung habe. Da scheine ich mich ganz gut geschlagen zu haben.“ Die Talentförderung und die Camps an der Mädchenfußballschule waren nur der Übergang, bevor Matheis ab der U13 alle FFC-Teams durchlief. Parallel spielte die Allrounderin bei den Jungs des TV Dreieichenhain sowie des FV 06 Sprendlingen. Täglich Training oder Spiel, Fußball satt.

Schnell fand die damals Achtjährige beim FFC Anschluss, freundete sich mit Aline Czaplicki an, die heute in der zweiten Mannschaft der Eintracht spielt. Bei den Europäischen Hochschulmeisterschaften 2019 in Spanien gab es für beide die Silbermedaille und Matheis erhielt zudem die Auszeichnung als wertvollste Spielerin. Freundschaften fürs Leben, die für Matheis erst durch Treue entstehen können. Vereinstreue bedeutet für die Mittelfeldspielerin, „dass man im Verein bleibt, weil man sich erfolgsunabhängig mit dem gebotenen Rundumpaket wohlfühlt“. Auch die Fangemeinschaft beim FFC, die nun Corona-bedingt den Eintracht-Frauen erst einmal nur aus der Ferne zujubelt, sieht sie als sehr treu an: „Die FFC-Fangemeinschaft war stark. Da waren keine Erfolgsfans, sondern Anhänger, die auch in nicht ganz so erfolgreichen Zeiten zu uns gehalten haben.“ Identifikation, die durch die Fusion weder bei den Fans noch bei ihr verloren ging: „Mich füllt es weiterhin aus, hier zu kicken.“ Dabei spielt auch ihre Heimatverbundenheit eine große Rolle. Angebote habe es immer mal gegeben, das erste mit 16 Jahren. Doch Matheis war und ist beim deutschen Rekordmeister verwurzelt und glücklich: „Ich bin ein sehr familiärer Mensch. Da überlegt man bei einem Angebot zweimal, ob man den Verein wechselt. Ich weiß, was ich hier habe, und bin glücklich im gewohnten Umfeld, bei Freunden.“ Wenn, dann würde sie vielleicht später noch einmal ins Ausland wechseln.

„Was willst du hier? Geh‘ doch zum Turnen, Frauen gehören nicht auf den Fußballplatz!“

Fußball zu spielen, wurde Saskia in die Wiege gelegt. Opa, Vater und Bruder spielten ebenfalls Fußball, der Uropa war einer der Mitgründer der Fußballabteilung des TV Dreieichenhain. Kaum konnte Saskia laufen, schon hatte sie den Ball am Fuß, nahm ihn nicht in die Hand, sondern kickte ihn, bevor sie mit drei Jahren in den Verein ging. Parallel probierte die ausgebildete Bürokauffrau und heutige Lehramtsstudentin (Sport und Deutsch) andere Sportarten wie Kunstturnen aus. Der Fußball aber setzte sich durch. Die Motivation, sich für Frauenfußball einzusetzen und allen zu beweisen, dass sie, dass Mädchen allgemein Fußball spielen können, hat sich früh entwickelt. Ein Jugendtrainer sagte in der F-Jugend zu ihr: „Was willst du hier? Geh‘ doch zum Turnen, Frauen gehören nicht auf den Fußballplatz!“ Ein Satz, der sie bis heute anspornt. Dabei muss dies weder Matheis noch sonst irgendeine Frau irgendjemandem mehr beweisen. Doch ein prägender Satz, der ihr Anlass genug gibt, als Mitglied der LPSTCK CRW, einer Crew von sechs Frauen aus unterschiedlichen Spielklassen, die gegen Vorurteile und für Anerkennung im Frauenfußball einstehen, weiter zu kämpfen: „Wir können natürlich nicht alle Menschen erreichen und richten uns vorwiegend an die junge Generation durch Events und unsere Instagram-Seite, um Mädels zu motivieren, Fußball zu spielen, sich auszutauschen und Vorurteilen entschieden entgegenzutreten.“ Im November 2019 nahm sie gemeinsam mit Vereinskollege Danny da Costa an einer Podiumsdiskussion teil.

Wer 15 Jahre lang einem Verein treu bleibt, hat viel gesehen und miterlebt. Sich auf bestimmte Momente in ihrer FFC- beziehungsweise Eintracht-Zeit zu beschränken, fällt Matheis schwer: „Ich habe so viel erlebt, das kann ich nur schwer auf wenige Dinge herunterbrechen.“ Ob die Süddeutsche Meisterschaft mit der U17 oder die Party nach dem Gewinn der Champions League 2015 – zu feiern gab es viel. Am Ende entscheidet sie sich doch für zwei besondere Erinnerungen: „Es sind am Ende kleine Dinge, die man nie vergisst. Unser Ex-Trainer Colin Bell hat mal im Trainingslager ‚Du riechst so gut‘ von Rammstein gesungen, als gerade in dem Moment die reichlich einparfürmierte Kellnerin reinkam. Oder meine beiden ersten Tore für die Frankfurter Eintracht gegen Würzburg.“ Den bittersten Moment mit dem FFC zu benennen, fällt Matheis hingegen weniger schwer: Am 31. August 2019 fiel ihr beim Testspiel gegen die SG Telgte eine Gegenspielerin aufs Standbein, das Innenband am Knie riss fast komplett durch – der Beginn einer Verletzungsodyssee, die sich anderthalb Jahre hinzog. Erst Ende 2020 konnte Matheis ins Mannschaftstraining einsteigen, vor wenigen Wochen folgte das Comeback im Test gegen Würzburg, bei dem ihr die erwähnten zwei Tore gelangen.

„Jetzt bei der Eintracht zu sein, ist eine große Sache“

Jetzt bei der Eintracht zu sein, ist eine große Sache. Den Klub kennt jedes Kind. Als ich früher als FFC-Spielerin erzählt habe, ich spiele bei Frankfurt, sagten diejenigen, die sich nicht im Frauenfußball auskennen ‚Boar, krass, bei der Eintracht!‘. Der Name hat einen richtig großen Stellenwert. Es macht mich stolz, Part der Eintracht-Familie zu sein.“ Auch wenn sie in der Fusionsphase nicht hautnah bei der Mannschaft dabei war, gab es nie ein Gefühl, sie gehöre nicht zur Eintracht oder dem Team von Niko Arnautis. „Natürlich war es traurig, beim ersten Training im Deutsche Bank Park im vergangenen Juli nicht mitmachen zu können, und ich betrachte es mit einem weinenden Auge, das erste Spiel der Saison im Deutsche Bank Park gegen Bremen nicht als Spielerin auf, sondern neben dem Platz miterlebt zu haben. Aber: Ich stand mit dem Trainerteam und meinen Mitspielerinnen immer in Kontakt“, erzählt sie und ergänzt: „Es gibt Spielerinnen wie, die das nachvollziehen können. Es gab aufbauende Worte, ich habe immer gemerkt, dass der Verein hinter mir steht. Vor allem bin ich dankbar dafür trotz meiner Verletzung einen weiteren Zweijahres-Vertrag angeboten bekommen zu haben. Ich habe mich mit einigen regelmäßig getroffen, soweit das möglich war und haben uns oft ausgetauscht.“

Für sie geht es als Eintracht-Spielerin jetzt also erst richtig los: „Persönlich will ich in dieser Saison erst einmal wieder richtig fit werden, mich an die Mannschaft rankämpfen und ich hoffe, mit einigen Einsätzen der Mannschaft weiterzuhelfen. Wir haben den Traum, ins DFB-Pokalfinale zu kommen.“ Den Wunsch, für die A-Nationalmannschaft zu spielen, hat Matheis weiterhin. Als vielfache U-DFB-Akteurin, die 2014 U17-Europameisterin wurde und bei der U20-WM 2016 in Papua-Neuguinea Stammspielerin war, kein Wunder. Es wäre Einsatz Nummer 50. Doch der Fokus richtet sich auf die Eintracht, um als Adlerträgerin das erste Pflichtspiel bestreiten zu können. Und das Wichtigste dabei ist: „Verletzungsfrei bleiben!“ Dann könnte einem 20-jährigen Dienstjubiläum nichts mehr in Wege stehen …

Von Dietrich bis Schröder
Bei den Eintracht-Frauen finden sich zahlreiche treue Mitstreiter. Sportdirektor Siegfried Dietrich ist seit 1992 im Verein in verschiedenen Funktionentätig, auch Mannschaftsarzt und aktueller Hygienebeauftragter Hans-Joachim Kerger behandelt die Spielerinnen seitdem. Teammanagerin Stefanie Stavrakidis arbeitet seit 2003 beim deutschen Rekordmeister. Co-Trainer Kai Rennich steht seit elf Jahren an der Seitenlinie, Physiotherapeut Uwe Schröder feiert 2023 sein 20-jähriges Jubiläum.

Saskias Treue-Triple