Treue über den Atlantik

Fast 7000 Kilometer trennen Carsten Kohnert und die Eintracht vom Main. Vor 14 Jahren zog der 47-Jährige für die Liebe in die Staaten – und musste seinen Herzensverein zurücklassen. Treu bleibt er der Eintracht über die Distanz dennoch.

Wenn bei der Eintracht samstagnachmittags der Ball angestoßen wird, ist es bei Carsten Kohnert in Chicago gerade mal 8.30 Uhr morgens. „Wenn es schlecht läuft, kann das so einen Samstag auch mal ruinieren“, lacht der 47-Jährige. Seit 14 Jahren lebt er schon auf der anderen Seite des Atlantiks, die Eintracht ist dennoch ein großer Bestandteil seines Lebens geblieben. „Das Einzige, dem ich in den USA nachtrauere, ist der deutsche Fußball“, gibt er zu. „Das ist das, was fehlt!“

Als kleiner Junge fand Carsten, der ursprünglich aus Niedersachsen stammt, seinen Weg zu den Adlerträgern. Von seinem Vater habe er die Leidenschaft für den Sport nicht mitgegeben bekommen. „Wenn man sieben Jahre alt ist, kommt das Interesse für Fußball“, erklärt Carsten. „Dann will man natürlich auch Fan von einem Verein sein, der ein Top-Klub ist. Bei Frankfurt war das Anfang der 1980er Jahre der Fall. So habe ich die Leidenschaft für den Verein entwickelt.“

Fjørtoft und der Klassenerhalt 1999
Geändert hat sich das seitdem nicht mehr. Später folgte der Umzug nach Frankfurt und kurz darauf der erste Gang ins Stadion. „Das erste Eintracht-Spiel, das ich besucht habe, war das letzte Saisonspiel 1999 gegen Kaiserslautern“, erinnert er sich. Das Spiel und insbesondere der Treffer von Jan Age Fjørtoft zum 5:1-Endstand, mit dem die Eintracht den Klassenerhalt sichern konnte, sei besonders prägend gewesen. „Ich war frisch nach Frankfurt gezogen und das das erste Spiel, das ich im Stadion gesehen habe. So etwas brennt sich ein.“ 

Das Spiel habe ihn zum Kauf einer Dauerkarte motiviert. Von Block G im alten Waldstadion über einen Stammplatz auf der Gegengerade zog es Carsten in den Block 40. Die Dauerkarte habe er auch immer noch. „Der Block 40 ist ja ausverkauft – wenn ich die Karte zurückgebe, kann ich da nie wieder hin“, lacht er. Grenzen kennt Carstens Treue zur Eintracht keine – weder geographische noch sportliche. „Ich weiß durchaus, wie es ist, montagabends in Unterhaching in der 2. Liga zu spielen. Natürlich ist das grauenvoll“, sagt er und fügt hinzu: „Aber ich würde auch bleiben, wenn wir in der Dritten Liga kicken würden.“

Frühstück und Fußball
Solange Carsten in den Staaten ist, gibt er die Dauerkarte an Freunde weiter. Dank seines Jobs in der Logistik habe er allerdings auch immer wieder die Möglichkeit, nach Deutschland zu fliegen. „Ich dränge mich gerne auf, mich um den europäischen Markt zu kümmern“, verrät er. So schaffe er es in der Regel vier Mal im Jahr zu Bundesligaspielen seiner Eintracht, meist zu einem Heim- und einem Auswärtsspiel. In seiner Wahlheimat gestalte sich das Verfolgen der Bundesliga bisweilen etwas schwierig. „In Chicago ist es schwer, Leute aus Frankfurt zu finden, oder Leute, die die Leidenschaft für den Fußball teilen“, erklärt der 47-Jährige. In Atlanta, wo er vorher gelebt hat, sei das aufgrund des dort ansässigen Goethe-Instituts einfacher gewesen: „Das Institut hat seinerzeit morgens die Sky-Konferenz übertragen. Da waren immer überraschend viele Frankfurter.“

In den letzten drei Jahren besaß der Fernsehsender „Fox Sports“ zudem die Übertragungsrechte für zwei Bundesligaspiele. „Das war super“, berichtet Carsten, „Dort wurden immer zwei Topspiele live übertragen. Bei gut 30 Prozent davon war auch die Eintracht dabei. Frühstück und Fußball, das ging schon.“ Die TV-Rechte wurden 2020 allerdings nicht mehr verlängert.

Der Familienvater vermisst jedoch nicht nur das Spiel an sich, sondern das Gesamterlebnis, das ein Stadionbesuch mit sich bringt. „Die Menschen an der Hauptwache fehlen ebenso wie die Fahrt mit der S-Bahn zum Stadion. Wenn ich in Deutschland bin, nehme ich das alles ganz bewusst wahr.“ Trotz der Fernbeziehung zur Eintracht bereut Carsten seine Entscheidung, in die Staaten zu ziehen, nicht. „Ich würde es immer wieder so machen“, betont er.

„Eagles it is“
Dass er die Leidenschaft für die Eintracht an seinem Sohn weitergibt, stand für Carsten nie zur Diskussion. „Dem habe ich ein Trikot gekauft und gesagt: ‚Eagles it is‘“, lacht er. „Ich glaube daran, dass man diese Leidenschaft weitertragen muss. Das hat auch mit Identifikation zu tun, mit sozialem Engagement und sozialem Verständnis.“ Noch sei sein Sohn zwar etwas zu klein für den Stehblock, sobald er älter ist, möchte Carsten ihn aber mal mit zu seiner Eintracht nehmen. „Im Stehplatzbereich bekommt Fußball nochmal eine ganz andere Bedeutung. Dieses Gruppenerlebnis kann man nicht vergleichen. Ich wünschte, dass mehr Leute das machen würden, weil man da sehr viel lernen kann.“ Sorgen würde er sich um seinen Sohn bei einem Spiel keine machen. „Wenn man seine Kinder in den Block mitnimmt, hat man automatisch 4.000 Babysitter. Jeder vergewissert sich, dass mit dem Kind nichts passiert.“

„Es hat mich nie losgelassen“
Carsten hat die vergangenen 22 Jahre so einiges mit der Eintracht durchgestanden. Auf- und Abstiege, zwei Pokalfinals, Reisen durch Europa – mal live dabei, mal mit dem Herzen aus der Distanz. „Es hat mich nie losgelassen – und wird mich auch nie loslassen!“ Seine aktuellen Wünsche für die Eintracht? „Dass die Eintracht nächstes Jahr Champions League spielt und das Jahr darauf Europapokal“, sagt er. „Und ich würde mir wünschen, dass Hütter bleibt.“ Nach kurzem Überlegen fügt er lachend an: „Außerdem hoffe ich, dass uns Martin Stein [Vorsänger der Ultras Frankfurt; Anm. d. Red.], noch lange erhalten bleibt. Ich kenne ihn nicht wirklich gut, aber auf mich wirkt er sehr sympathisch.“ Was auch passiert – klar ist, dass Carsten die Leidenschaft für die Eintracht bleiben wird, egal wie viele Kilometer ihn auch von Frankfurt trennen. 

Carstens Treue-Triple