„Meine Karriere hatte ein super Dessert“
Unser Titelthema ist in
dieser Ausgabe „Vereinstreue“. Welche Vereinslegenden kanntest du, als du 1998
nach Frankfurt kamst?
Ich
kannte Hölzenbein, Grabowski und einige andere. Bruno Pezzey beispielsweise,
der nach seiner Zeit in Frankfurt noch länger mit meinem Landsmann Rune
Bratseth bei Werder zusammenspielte. Und natürlich meinen ehemaligen Mitspieler
Jörn Andersen, der 1990 als erster Ausländer Torschützenkönig in der Bundesliga
wurde. Der Kontakt zu ihm ist nie abgerissen. Daher wusste ich vor meinem
Wechsel zur Eintracht schon viel über den Verein, die Stadt und Jörns
unglaubliche Zeit an der Seite von Spielern wie Tony Yeboah, Uwe Bein und Andy
Möller.
Wurde euch Neuzugängen
damals die Geschichte des Klubs aktiv nähergebracht oder warst du mit deinem
Wissen eher die Ausnahme?
Schon
als Kind habe ich Sammelkarten gesammelt und die habe ich bis heute in meinem
Haus aufgehoben. Es müssten etwa 3000 Stück sein, der Großteil von englischen Vereinen,
aber auch einige deutsche sind dabei. Dadurch kannte ich mich im Fußball schon
früh ganz gut aus. Ich habe es als Spieler immer so gemacht, dass ich mich mit
dem Verein und dem Drumherum beschäftigt habe, wenn ich zu einem neuen Klub
gewechselt bin. Für mich gehörte es dazu zu wissen, wie ein Verein tickt und welche
Bedeutung ein Verein wie die Eintracht für Frankfurt oder United für Sheffield hat.
Ich bin auch als Profi immer Fan geblieben. Für mich wäre ein kleiner Geschichtskurs
mit das Erste, was für Neuzugänge auf dem Programm steht. Wer nach Frankfurt
kommt, muss von der Attacke auf Ralf Weber in Rostock wissen, oder dass Karl-Heinz
Körbel die meisten Spiele in der Geschichte der Bundesliga absolviert hat.
Gab es jemanden, der euch
damals in die Geschichte der Eintracht eingeführt hat?
Als
ich nach Frankfurt kam, war Friedel Lutz unser Zeugwart. Ein super Typ, der
unendlich viele Geschichten erzählen konnte, nicht nur zur SGE. Einmal sang ich
unter der Dusche einen Elvis-Song und er kam rein und meinte: „Musst du immerzu
diese englischen Lieder singen?“ Ich fragte ihn: „Magst du etwa Elvis nicht?“
Darauf er nur: „Mögen? Ich habe ihn sogar persönlich getroffen, als er in
Friedberg stationiert war.“ Von Friedel konnte man viel lernen.
Eine weitere
Eintracht-Legende ist Bernd Hölzenbein, der dieser Tage 75 Jahre alt wurde.
Welche Erinnerungen verbindest du mit „Holz“?
Vor
ein paar Jahren war ich beim Sportpresseball und hatte das große Glück, dass er
und seine Tochter mit mir an einem Tisch saßen. Das war eine große Ehre für
mich und an dem Tag habe ich ihn als tollen Typen kennengelernt, mit dem man
sich wunderbar unterhalten kann. Ich bin 1967 geboren und die Weltmeisterschaft
1974 ist das erste Turnier, an das ich mich erinnere. Wie viele neutrale
Zuschauer war ich begeistert von den Niederländern um Johan Cruyff, habe damals
aber auch gelernt, wie stark Deutschland ist. Bernd ist eine lebende Legende und
ich möchte ihm an dieser Stelle nachträglich ganz herzlich zum Geburtstag gratulieren.
Er ist einer der Größten, wenn nicht
der Größte, der jemals das Eintracht-Trikot trug.
Holz verbrachte praktisch
seine gesamte Karriere bei einem Verein. Wäre so etwas auch für dich eine
Option gewesen?
Als
Stürmer musst du so viel wie möglich spielen, um Tore schießen zu können. Wenn
das aus irgendwelchen Gründen nicht geht, ziehst du normalerweise weiter. Ich
war eigentlich immer gern unterwegs und habe gerne Neues kennengelernt.
Natürlich gibt es aber auch Spieler, denen es gut zu Gesicht steht, immer beim
gleichen Klub gespielt zu haben, etwa Alessandro Del Piero, Francesco Totti,
Steven Gerrard oder Jamie Carragher.
Im Gegensatz zu dir hatten
die allerdings das Glück, direkt bei einem großen Klub zu starten.
Als
Norweger musst du unbedingt ins Ausland wechseln, wenn du in deiner Karriere
vorankommen willst. Wenn du als Spieler schon einen guten Klub in deiner
näheren Umgebung hast und du es dort schaffst, dann ist das doch das Beste, was
dir passieren kann. So wie bei Hölzenbein, der
mit der Eintracht um Titel spielen und dort Nationalspieler werden konnte. Für
mich waren die Voraussetzungen natürlich etwas anders. Ich ging zuerst zu Rapid
Wien, wo ich eine ganz gute Torquote hatte. Von da aus wechselte ich nach England,
denn die Premier League hat in Norwegen einen enormen Stellenwert und ist das
Wunschziel aller Spieler dort. Zum Ende meiner Karriere kam die Möglichkeit,
zur Eintracht zu gehen, und da ich ohnehin immer auch ein Fan der Bundesliga war,
musste ich nicht lange überlegen. Für mich schloss sich damit gewissermaßen ein
Kreis, weil ich das in meiner Karriere auch noch erreichen konnte.
Gibt es Stationen, mit
denen du aus heutiger Sicht ein bisschen haderst?
Rückblickend
wäre ich gerne früher nach Frankfurt gekommen und dann auch länger geblieben,
schließlich habe ich wirklich gern für die Eintracht gespielt. So war ich
bereits 31, als ich bei der SGE unterschrieben habe. Im Nachhinein hätte ich früher
nach England gehen müssen, um dann noch früher zur Eintracht wechseln zu
können. Aber so war es leider nicht. Trotzdem war auch diese verhältnismäßig
kurze Zeit in Frankfurt ein absoluter Glücksfall für mich. Meine Karriere hatte
ein super Dessert.
Interview: Markus Rutten
Jan Aage
Fjörtoft, 54, hat die Eintracht 1999 zum Klassenerhalt geschossen und genießt
bei den Fans nicht nur daher Kultstatus. Er ist ein fußballerischer
Weltenbummler, meinungsstark, immer auf dem Laufenden, ein gefragter Experte
und nicht zuletzt unserer Eintracht nach wie vor tief verbunden. Das sind Gründe
genug für eine regelmäßige Interview-Kolumne mit dem Norweger.