SGE-SUCHT: Wer war 1899 im Friedrichshof bei Müller?

Was am 8. März 1899 in der Gaststätte Friedrichshof in der Hohenzollernstraße (heutige Düsseldorfer Straße) passiert ist, ist unseren Kollegen aus dem Eintracht-Museum natürlich bekannt: Die Eintracht wurde gegründet, damals noch unter dem Namen Victoria. Dem Protokoll und einem zeitgenössischen Bericht kann man entnehmen, dass unzufriedene Vereinsmitglieder des Fußballclubs Germania 94, „ermutigt durch einige Stammtischgäste, über die Gründung des neuen Vereins … einig wurden.“  Aber wer waren die Gründer, wer die Stammtischgäste?  Und wer der Wirt? Anlässlich des Geburtstags unserer verehrten SGE hat Walter Engel aus Westfalen die Namen unter die Lupe genommen und mithilfe der Frankfurter Adressbücher und weiterer Dokumente Fakten und Indizien zusammengetragen.  

Ludwig Heil +++ auf der Gründungsurkunde als Erster genannt +++ vermutlich kein Zufall, er wurde „Cassierer“ +++ spielte im ersten Spiel am 19. März gegen den Bockenheimer FC (4:1) +++ da der Familienname Heil in Frankfurt sehr häufig ist (1899 über 100 Einträge im Adressbuch), gibt es leider kein Hinweis auf Wohnort oder Beruf  +++ Spitzname „Lulu“ +++

Albert Reik
+++ taucht als zweiter Vereinsgründer im Protokoll auf +++ gehörte zu den unzufriedenen Germania-Mitgliedern, war dort „2. Gerätheverwalter“ +++ erhielt den Auftrag, „die Geräte anfertigen zu lassen“ +++ stiftete am gleichen Abend die „Goaleisen“ (wenn er die nicht mal bei der Germania hat mitgehen lassen…), erhielt dafür ein dreifaches „Hipp Hipp Hurrah“ +++ wurde zum „II. Zeugwart“ gewählt +++ wohnte seit 1898 „Am Weingarten 14 H1 in Bockenheim +++ H1 bedeutet Hinterhaus, 1. Stock +++

Albert Gerhardt
+++ dritte Zeile +++ wohnte in der Schopenhauerstr. 29 +++ spielte beim ersten Spiel +++ 1906 zog er in die Rohrbachstraße 7 +++ Ehrenmitglied der Eintracht +++ verstarb 1953 +++ im Nachruf hieß es: „Gerhardt war unser ältestes Mitglied und der älteste Fußballspieler in Frankfurt. Mit ihm ist ein Stück Sportgeschichte dahin gegangen“ +++

Carl Kaufmann
+++ vierter Name +++ taucht weder als Spieler noch als Funktionär auf +++ im Adressbuch erscheinen mehrere Einträge. Einer in der Cranachstraße 14, nur drei Häuser entfernt von Hans Schnug, ebenfalls Vereinsgründer +++ dieser Carl Kaufmann war Stationsassistent bei der Eisenbahn +++ eventuell einer der angesprochenen Stammtischbrüder, der die Idee seines Nachbarn gut fand und aus Solidarität mitgegründet hat? +++ bereits im April 1899 mit dem Beitrag säumig +++ sollte Ihr Großonkel unser gesuchter Carl sein, wir haben das mal zusammengerechnet: 122 Jahre x 60 Euro (durchschnittlicher Jahresbeitrag, bereinigt durch Inflation, Währungsreform, Währungswechsel), da sind, vorsichtig gerechnet, 7.320 Euro Mitgliedsbeitrag offen! +++

Gustav Diebold
+++ fünfter Name linke Spalte +++ Name wird abgekürzt, Gust. +++ wurde zum ersten „Cassierer“ des Vereins gewählt +++ hatte als „Cassierer“ im April seinen Beitrag noch nicht gezahlt +++ wohnte 1899 vermutlich in der Yorkstraße 16 (heutige Pforzheimer Straße) +++ ab 1907 Offenbacher Landstraße 263 +++ hier führte seine Frau Louise einen Kolonialwarenladen +++ ab 1940 Lebensmittelhandel Diebold +++ den Lebensmittelladen Diebold gab es bis in die 1960er Jahre +++

Friedrich Carl Müller
+++ sechster Name, linke Spalte, abgekürzt F.C. Müller +++ Wirt der Gaststätte Friedrichshof und Papa von Emil Müller +++ spendete den ersten Ball +++ wir können froh sein, dass die Eintracht nicht ein Jahr früher gegründet wurde, da betrieb er die Gaststätte „Zur Pfalz“ +++ 1901 übergab er den Friedrichshof an Herrn Bachmann +++ 1911 wurde an unserem Gründungsort Frankfurts erstes Automatenrestaurant eröffnet, der „Hohenzollernautomat“ +++

E. Lichtenberg
+++ linke Spalte, siebter Name +++ niemals in Erscheinung getreten +++ mutmaßlich einer der Stammtischgäste +++ Familienname Lichtenberg taucht im Adressbuch 1898 dreimal auf +++ Carl, Eisenbahner, Hardenbergstrasse 11 +++ Ludwig, Sandweg 21 +++ Oscar, Im Trutz 39 +++ vermutlich Zusammenhang mit dem Eisenbahnbediensteten aus der Hardenbergstraße, nähe Hauptbahnhof +++ Carl könnte einen Zweitnamen gehabt haben oder einen Sohn namens E. +++ weitere Informationen liegen nicht vor +++

Willy Riese
+++ linke Spalte, achte Stelle +++ spielte beim ersten Spiel +++ hat sich vermutlich kurz nach Gründung einem anderen Verein zugewandt, dem Bockenheimer FC 1899, aus dem später Rot-Weiss wurde +++ wohnte bis 1913 in der Sophienstraße 113 +++ muss bereits 1929 verstorben gewesen sein, da wird über den verstorbenen Willy Riese berichtet +++

Albert Pohlenk
+++ rechte Spalte, erster Name +++ spielte im ersten Spiel +++ wurde zum ersten Vorsitzenden der Victoria +++ Ehrenmitglied der Eintracht +++ wohnte 1899 in der Lenaustraße 35 +++ ab 1920 Uhrmacherladen in der Eckenheimer Landstraße 57 b +++ wurde am 12. Dezember 1875 geboren und starb am 4. September 1948 +++ hat die ganze Familie zu Eintrachtfans gemacht +++

Carl Hesslöhl
+++ rechte Spalte, zweite Stelle, Carl Hefslöth +++ offensichtlich ein Schreibfehler, vielleicht war auch Alkohol im Spiel +++ betreffende Person heißt Carl Hesslöhl, Gutleutstraße 101, nur wenige Schritte zur Kneipe +++ unter den Spielern oder Funktionären taucht der Name Hesslöhl niemals auf +++ ein Feierabendschoppen des jungen Kaufmanns Hesslöhl, der übrigens mit Kaffee handelte, ist denkbar. Dieser Kneipenbesuch hätte sporthistorische Dimensionen gehabt +++

Carl Troliet
+++ zweite Spalte, dritte Stelle +++ spielte im ersten Spiel +++ auch in weiteren Aufstellungen taucht er auf, wird da aber immer als Carl Trolliet notiert +++ in den Adressbüchern kein Eintrag Troliet/Trolliet +++ Vermutung: Auswärtiger junger Mann, wohnte in Frankfurt in Untermiete oder sonstiger Unterbringung +++ diese Personen wurden im Adressbuch nicht verzeichnet +++

Willy Conrad Seubert
+++ zweite Spalte, vierter Name W.C. Seubert +++ korrekter Name Willy Conrad +++ spielte im ersten Spiel +++ Schriftführer +++ wohnte 1900 in der Hohenzollernstraße 24, sein Vater war Schuhmacher Jean Seubert +++ 1908 Mörfelder Landstraße 137, 1909 Rotlintstraße 69 +++ Kaufmann, handelte mit Leder +++ seit 1909 im Verein „Frankfurter Liedertafel von 1827“ +++ 1920er Jahre „Immobilien und Verwaltungen“ +++ nach 1945 Kaufmann Willy Seubert, Rotlintstraße 69 +++ letzter Eintrag Seubert im Jahr 1962 +++

Heinrich Schmidt
+++ rechte Spalte, fünfte Stelle +++ Heinrich kickte gleich im ersten Spiel und taucht bis 1907 bei der Victoria auf +++ Suche im Adressbuch hoffnungslos, 1900 gibt es 53 Einträge Heinrich Schmidt +++ hier fallen wieder zwei Eisenbahner auf, in der Frankfurter Straße 21 und in der Gutleutstraße +++ außerdem wohnt eine Witwe Catharina Schmitt im Haus der Gaststätte Friedrichshof +++ der Fall bleibt offen +++

Hans Schnug
+++ zweite Spalte, sechste Stelle +++ vermutlich Sohn des Ehepaars Carl und Margarethe Schnug, Cranachstraße 8 (vgl. Carl Kaufmann) +++ spielt im ersten Spiel, taucht immer wieder in Aufstellungen auf +++ zeitweise Capitän +++ ab 1914 Gastwirt, Cranachstraße 1. +++ 1934 lt. Adressbuch „Kaufmann“, verheiratet mit Eleonore +++ Adresse bis 1943 Cranachstraße 1 +++ Adressbucheintrag 1954: Hans Schnug, Jungstraße 18 +++

Emil Müller
+++ rechte Spalte, letzter Name +++ Emil Müller ist der Sohn des Gaststättenwirts F.C. Müller +++ Emil stand beim ersten Spiel der Victoria auf dem Platz +++ zeitweise 1. Vorsitzender des Vereins +++ im Adressbuch taucht er als Elektrotechniker auf +++ ab 1912 mehrere Emil Müller auf, unter anderem auch Gaststättenwirte +++ keine weiteren Übereinstimmungen +++

SGE-SUCHT: Kennen Sie einen Namen? Sind Sie verwandt mit einem der Herren? Wissen Sie mehr? Dann melden Sie sich unter museum@eintrachtfrankfurt.de.