ZWISCHEN HARMONIE UND STICHELEIEN

Dzenan und Kenan Korlat sind begeisterte Fußballer und spielen für die U13 von Eintracht Frankfurt. Wie für Zwillinge üblich haben sie zwar viel gemeinsam, sind in gewisser Hinsicht aber doch grundverschieden.

Kunstrasenplatz am Riederwald, U13-Trainingseinheit: In einer Übung mit zwei Mannschaften soll das Überzahlspiel trainiert werden. Drei gegen zwei, das Angriffsrecht wechselt nach jeder Offensivaktion. Dzenan Korlat hat den Ball am Fuß und startet seinen Lauf in Richtung gegnerisches Tor. Ihm gegenüber steht Kenan Korlat, sein Zwillingsbruder. Dzenan dribbelt auf seinen Bruder zu, versucht an ihm vorbeizukommen. Kenan riecht den Braten, fährt das Bein aus und kann den Ball ins Seitenaus befördern. Während Dzenan unzufrieden umkehrt, hat Kenan für einen kurzen Moment ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen.

Dass es im Training hin und wieder mal zu direkten Duellen kommt, sind die beiden Brüder gewohnt. Mehr noch: Sie kennen es gar nicht anders. Denn die fußballerischen Laufbahnen der beiden Nachwuchsspieler verliefen bisher identisch. Mit gerade einmal vier Jahren packte die beiden Frankfurter das Fußballfieber, das sich wiederum von Papa Ervin Korlat auf sie übertrug. „Mit fünf Jahren haben wir dann erstmals offiziell in einem Verein gespielt – und zwar beim 1. FC Viktoria Sindlingen“, sagt Dzenan. Nachdem die Brüder in Sindlingen, ihrem Heimat-Stadtteil – zu technisch versierten Talenten gereift waren, folgte im Alter von neun Jahren der Wechsel zur SG Rot-Weiss Frankfurt, wo sie sich noch einmal steigern konnten und das Interesse der Eintracht auf sich zogen.

„Als wir vom Interesse hörten, mussten wir nicht zweimal überlegen“, erinnert sich Kenan. „Wir sind Frankfurter und tragen die Eintracht schon immer im Herzen. Klar, dass die Jungs überglücklich waren und diese Gelegenheit unbedingt ergreifen wollten“, ergänzt Papa Ervin, der in der Saison 1995/96 ebenfalls ein Jahr lang im Dienst der Eintracht stand. Seit der Saison 2018/19 streifen sich also die Söhne das Eintracht-Trikot über, die aktuelle Spielzeit ist deren dritte mit dem Adler auf der Brust. Das Wort „Spielzeit“ ist hier allerdings nicht unbedingt im Wortsinn zu nehmen – denn Spielzeit auf dem Rasen hatten Dzenan und Kenan im zurückliegenden Jahr bekanntermaßen ebenso wenig wie Millionen andere Kids und Teenager.

Doch das Duo hat schnell gelernt, aus jeder Situation das Beste zu machen. „Natürlich sind wir froh, wenn Mannschaftstrainings stattfinden können. Darauf freuen wir uns, abgesehen von Turnieren, am meisten“, sagt Dzenan. Kenan fährt fort: „Wenn es aber nicht so ist, halten wir uns beispielsweise zu zweit fit oder sind mit einer kleinen Gruppe auf dem Bolzplatz.“ Wo auch immer gespielt wird: Beide wollen stets das Beste aus sich herausholen. Das gelingt mal dem einen, mal dem anderen besser. Von den fußballerischen Anlagen seien Dzenan und Kenan recht ähnlich, so Vater Ervin, mit einem großen Unter- schied: „Beide waren schon immer offensive Außenbahnspieler, recht dribbelstark und schnell. Nur hat Dzenan einen starken rechten Fuß, Kenan einen starken linken. Also im Prinzip gleich und doch verschieden“, lacht der 40-Jährige.

Und wie ist es eigentlich für die Jungs selbst, den eigenen Zwillingsbruder im Team zu haben? „Eigentlich ist das schon ein Vorteil“, sagt Kenan, „weil man so immer einen bekannten Trainingspartner hat, auch nach einem Vereinswechsel.“ Dzenan entgegnet: „Auf der anderen Seite will man aber auch immer einen Tick besser sein als der andere. Wenn mein Bruder etwas Starkes im Training zeigt, will ich beweisen, dass ich das auch kann.“ Da beide aufgrund ihrer verschiedenen Positionen jedoch nicht in direkter Konkurrenz zueinander stehen, können sie sich problemlos auf einen Konsens einigen: „Am besten ist, wenn wir bei Turnieren oder Testspielen beide in der Startformation stehen.“

Papa Ervin erkennt in seinen Söhnen eine klassische Geschwisterbeziehung. „Sie können nicht ohne- aber manchmal auch nicht miteinander. Das ist aber auch normal, schließlich sind sie tagtäglich zu fast jeder Uhrzeit zusammen.“ Da kommt es ganz gelegen, dass Kenan und Dzenan zumindest in Bezug auf die Schule getrennte Wege gehen. Zwar besuchen beide derzeit die siebte Klasse der Carl-von-Weinberg- Schule. „Wir sind aber in unterschiedlichen Klassen. Das war schon immer so, auch zu Grundschulzeiten“, erklärt Dzenan. Während im Fußball meist die Tagesform entscheidet, wer von beiden die Nase vorn hat, gibt Kenan zu: „In der Schule ist Dzenan etwas besser.“ Denn bei allen Sticheleien, die es zwischen den beiden gibt, überwiegt am Ende doch der Zusammen- halt. „Wenn wir an einem Strang ziehen, erreichen wir unser Ziel bestimmt leichter“, so Dzenan. Und das ist bei beiden nach wie vor identisch: Irgendwann als Fußballprofi auf dem Platz zu stehen.