„EINTRACHT
LEBEN WIR AUCH ALS BRÜDER“
Als Kinder
lebten Azzedine und Abdelilah El Karouia um die Ecke der Turnabteilung von Eintracht
Frankfurt im Oeder Weg. Kein Wunder also, dass die beiden ihre sportliche
Karriere eben dort begonnen haben. Inzwischen engagieren sich die Brüder als
Abteilungsleiter und Trainer in der Boxabteilung – und sind aus dieser nicht
mehr wegzudenken.
In der Boxhalle
in Fechenheim ist es kühl und ruhig. Normalerweise wird hier an jedem Tag der
Woche trainiert, es riecht nach Schweiß und man hört das Geräusch auf Boxsäcke
prallender Fäuste. Doch wie viele andere Bereiche ruht auch der Boxsport
aktuell. Dass sich Azzedine und Abdelilah El Karouia hier trotzdem zu Hause
fühlen, ist sofort zu spüren. An den Wänden der Halle hängen Fotos der Brüder –
manche erinnern an eigene sportliche Erfolge aus der Jugend, andere zeigen die
beiden in ihren Rollen als Trainer und Abteilungsleiter. Im Gespräch mit den Geschwistern
wird schnell deutlich, dass sie und die Boxabteilung der Eintracht nicht mehr
voneinander zu trennen sind.
Dass Azzedine
und Abdelilah ihren Weg zur Eintracht finden würden, war durch ihr Zuhause in
der Nähe der Turnabteilung fast unumgänglich. Dass sie ihre gesamte sportliche
Karriere zusammen bestreiten würden, war den Brüdern damals allerdings noch
nicht klar. „Ich war der Jüngere“, berichtet Abdelilah, „Ich bin einfach immer
mitgegangen und habe das nachgemacht, was Azze gemacht hat.“ Verständlich, dass
das dem großen Bruder nicht immer gefallen hat. „Ehrlich gesagt gab es dann
auch Riesenkrach, als ich mit dem Boxen angefangen habe und mein Bruder ein
paar Wochen später auch boxen wollte“, erinnert er sich. Doch nachdem Abdelilah
seinem großen Bruder in die Boxabteilung gefolgt war, verstanden die
Geschwister schnell, dass sie diesen Weg gemeinsam gehen würden. „Ich wollte
ihn gar nicht mehr loswerden“, erklärt Azzedine. „Boxen ist ein Einzelsport.
Man ist alleine im Ring und keiner kann dir helfen. Da war es schön, seinen Bruder
dabeizuhaben.“
Die
Boxabteilung von damals, zu der die beiden mit einem gemeinsamen Freund
stießen, ist mit der heutigen kaum mehr zu vergleichen. Es gab nicht nur kaum
Mitglieder, an Wettkämpfe geschweige denn Meisterschaften war ebenfalls nicht
zu denken. Doch mit den El Karouia-Brüdern kam auch der sportliche Erfolg – und
er ging auch wieder mit den beiden. Ausbildung, Job und Familie sorgten dafür,
dass sowohl Azzedine als auch Abdelilah der Boxabteilung eine Zeit lang den
Rücken kehrten. Doch nach einigen Jahren flammte bei Letzterem die Leidenschaft
wieder auf: „Dann habe ich gedacht: Komm, wir probieren es einfach und starten
nochmal durch“, erinnert er sich und Azzedine ergänzt: „Als Abdelilah wieder
mit dem Boxen angefangen hatte, war für mich klar, dass ich Trainer werde. Ab
dann habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, meinen Bruder sportlich mit allem zu
unterstützen, was mir zur Verfügung stand.“
Sie knüpften
nahtlos an die sportlichen Erfolge in der Jugend an und der gemeinsame Weg
führte Abdelilah sogar bis zur Deutschen Meisterschaft. Gleichzeitig begann mit
der Rückkehr der Brüder auch die Abteilung wieder zu wachsen. „Dadurch, dass
wir in verschiedenen Rollen zurückkamen – Abi als Sportler, ich als Trainer –,
konnte er die Jungs und Mädels auf sportlicher Ebene mitziehen und ich wiederum
im organisatorischen Bereich“, berichtet Azzedine.
Auch als
Abdelilah seine aktive Karriere einige Jahre später beendete, blieb er dennoch
der Eintracht treu. „Er wusste: Heute hör ich mit dem Sport auf, morgen bin ich
als Trainer wieder mit dabei“, erklärt sein älterer Bruder. „Seit- dem sind wir
nun beide Trainer – und das auch recht erfolgreich.“
Die Aufgabenbereiche
der Brüder sind klar verteilt. Als Abteilungsleiter fällt Azzedine die
organisatorische Arbeit zu, während Abdelilah sich um das Training und die
Halle kümmert. „Das eine geht nicht ohne das andere. Wir ergänzen uns hier auf
jeden Fall sehr gut“, erzählt Abdelilah. Dass der Weg, den die beiden in der
Abteilung eingeschlagen haben, Früchte trägt, ist nicht zu verkennen. „Die
Zahlen und der Erfolg sprechen für sich“, so Abdelilah. „Wir versuchen den
Jungs das, was uns früher gefehlt hat, heute mitzugeben.“
Die Leitlinie
der Brüder ist klar: „Der Sport ist für jeden da, die Tür für jeden offen“,
sagt Azzedine. „Und wenn man in diese Halle kommt, hat man sich an die Regeln
zu halten, die an der Wand stehen: Toleranz, Respekt, Disziplin.“ All das
vereine sich auch unter dem Namen Eintracht, so der Abteilungsleiter. „Das ist
für uns das Wichtige. Und Eintracht leben wir auch als Brüder.“
Gerade die Zeit
als Trainer und Sportler habe die zwei Brüder noch enger zusammengeschweißt.
„Man braucht sehr viel Vertrauen in sein Gegen- über und muss sich als Trainer
in den Sportler hineinversetzen können“, berichtet Azzedine. Auch der steinige
Weg hin zu den Deutschen Meisterschaften habe sie einander noch nähergebracht.
„Für mich stand fest: Ich mache das für ihn möglich, ich unterstütze ihn, ich
begleite ihn dabei. Und Abi wusste, er kann sich auf mich verlassen.“ Der
37-Jährige ergänzt: „Ich kann mir die Boxerei ohne ihn auch gar nicht mehr
vorstellen. Ich glaube, umgekehrt ist es ähnlich.“
Auch heute noch
ist die Arbeit der Brüder von gegenseitigem Verständnis und Respekt geprägt,
Streit um die Führung der Boxabteilung gibt es keinen. „Wir haben eine
gemeinsame Linie, die wir fahren, und sprechen uns ab“, erzählt Abdelilah.
„Natürlich ist jemand auch mal anderer Meinung, aber dann diskutieren wir das
einfach aus.“ Sein Bruder fügt hinzu: „Wir sind unter denselben Umständen
aufgewachsen, sportlich denselben Weg gegangen und haben unsere Trainerlizenzen
gemeinsam gemacht. Wir haben dasselbe gesehen, dasselbe erlebt. Wenn Abi etwas
sagt, ist es, als hätte ich es selbst gesagt.“ Einen großen Unterschied
zwischen den beiden gebe es dennoch, verrät Abdelilah lachend: „Er ist der
Redner unter uns.“
Heute ist die
Boxabteilung so erfolgreich wie nie zuvor und die Eintracht unter normalen
Bedingungen regelmäßig mit ihren Athleten auf den Hessischen und Deutschen
Meisterschaften vertreten. „Es ist viel ins Rollen gekommen“, berichtet
Azzedine. „Wir hatten mit Komplikationen zu kämpfen und haben diese beseitigt.
Die Sportler heute finden einen geebneten Weg und können diesen dann gehen.“
Sportliche Ziele für die Zeit nach Corona gibt es aktuell keine – in einem sind
sich die Brüder allerdings einig: „Die Halle muss wieder nach Schweiß stinken.“
Auch wenn bis dahin
wohl noch Zeit ins Land gehen wird, ist klar: Boxen bei der Eintracht wird es
auch in Zukunft nicht ohne Azzedine und Abdelilah geben. Die Abteilung hat
nicht nur die Brüder geprägt und noch enger zueinander gebracht, auch sie
selbst wäre ohne die beiden nicht das, was sie heute ist. Dass die Brüder auf
das, was sie mit der Eintracht er- reicht haben, stolz sind, ist unverkennbar
und führt Azzedine zu einem klaren Appell: „Habt keine Hemmungen, mit euren
Geschwistern Sport zu treiben. Eines Tages sind sie eure wertvollsten
Wegbegleiter.“