Fan-Abteilung trifft …

Beate Geibel

Bunt ist sie, die Eintracht-Welt, voller Geschichten und Erlebnisse – nicht nur auf dem Platz, sondern vor allem auch abseits des Spielfelds. Getragen werden diese Geschichten durch die Fans und Mitglieder der Eintracht. Eines davon ist Beate Geibel.

Schöneberg. Berlin. Beate sieht, wie ein kleiner Junge in einem leuchtend gelben Shirt auf einem Mäuerchen steht und brüllt. Sie kommt näher und fragt ihn, ob alles okay sei. „Klar“, antwortet dieser. „Ich bin doch der Kevin.“ Und da erkennt sie, dass der Bub ein Torwart-Trikot von Kevin Trapp trägt – und dessen Jubel nach einem Tor für die Eintracht nachspielt. Mitten in Berlin. Und er wohnt jetzt sogar mit seinen Eltern im gleichen Haus. Überhaupt: Berlin. „Neulich war ich mit dem Rad unterwegs, natürlich mit Eintracht-Aufkleber. Plötzlich ruft es: „Eintracht.“ Ich rufe zurück: „Frankfurt“. Wir sind in Berlin wirklich viele Eintrachtler“, grinst sie. Und es gibt sogar mindestens zwei Eintracht-Kneipen vor Ort. Die „Glühlampe“ in Friedrichshain und das „Veritas“ in Charlottenburg. „Ich gucke fast immer im Veritas, dort ist es etwas unaufgeregter und es liegt auch in meiner Nähe“, erklärt Beate, die sich dennoch immer wieder mal auch in der Lampe blicken lässt.

Beate lebt schon länger in Berlin – und hat ihre Liebe zur Eintracht mitgenommen. Sogar ihr Umzug in die Hauptstadt hängt unmittelbar mit der Eintracht zusammen. Doch beginnen wir von vorne. In Pfungstadt. Dort wuchs Beate auf und kam schon früh mit Fußball in Berührung. „Meine Eltern waren Fußballfans, hatten mit der Eintracht jedoch nichts am Hut. Aber bei uns lief stets die Sportschau und das aktuelle Sportstudio. Und hin und wieder ging mein Vater zu Darmstadt 98.“ Als sie flügge wurde, verbrachte sie die ein oder andere Nacht in der Frankfurter Flughafen-Discothek Dorian Gray.

Und eines schönen Samstagmorgens, als sie mit anderen Nachtschwärmern ins grelle Tageslicht blinzelte, kam die Gruppe auf die Idee, noch ins Stadionbad zu fahren. Und da nebenan im Waldstadion des Nachmittags die Eintracht spielen sollte, machten sie sich nach einer ausgiebigen Ruhephase auf den kurzen Weg ins Stadion. Es geschah am 26. Mai 1984. Beate marschierte die Stufen nach oben, blickte ins weite Rund – und war gefangen. „Ich weiß, es klingt kitschig, aber es ist wirklich wahr: In meinem Kopf flüsterte eine Stimme zu mir ‚Hier bist du zu Hause‘“, sagt sie noch heute, zwei Pokalsiege später. Die Eintracht besiegte damals den 1. FC Kaiserslautern und rettete sich anschließend in der Relegation gegen Duisburg. Ein paar Jahre später, als sie sich im Berufsleben etablierte und für ein Plattenlabel arbeitete, folgte die erste Dauerkarte. „Bei uns waren fast alle Fußballfans, auch die Musiker und DJs. Und wir hatten Dauerkarten. Die ersten Jahre saß ich neben Marc Francis, der auch bei Logic-Records arbeitete. Jetzt ist er ja schon lange Fanbeauftragter bei der Eintracht“, erinnert sie sich an die frühen 90er Jahre. Auch Talla oder DJ Dag gingen zur Eintracht. Eines Tages gastierte Depeche Mode in Frankfurt. „Die Jungs wollten nach dem Konzert noch ausgehen, so landeten wir nachts im ‚XS‘ und quatschten natürlich über Fußball“, lacht sie.

Wenn Beate erzählt, purzelt es nur so aus ihr heraus, Erinnerungen mischen sich, die Polizeisperre in Köpenick nach dem Sieg bei Union, der proppenvolle Pub in London und natürlich landen wir beim Pokalsieg von 2018 in ihrer Wahlheimat Berlin. „Ich hatte Glück und habe noch eine Karte bekommen, direkt neben unserer Kurve. Lustigerweise saß die Mutter von Jetro Willems vor mir. Wir kamen ins Gespräch und ich konnte ihr erklären, was es mit den ganzen T-Shirts und den Zetteln für die Choreo auf sich hatte. Als Gacinovic später alleine auf das leere Tor zulief und der Ball tatsächlich im Netz landete, war in mir eine seltsame Stille. In meinem Kopf waberte nur ein Wort: Rostock. Ich saß da und heulte Rotz und Wasser. Für mich war es echt so, als wäre eine große, gläserne Glocke über uns abgehoben worden – und das elendige Rostock und alles, was damit zusammenhängt, endlich vorbei.“

Aber wir wollten ja noch erklären, wie es dazu kam, dass Beate nach Berlin kam – und wie dies mit der Eintracht zusammenhängt. Dafür blicken wir ins Jahr 2003 zurück. Endspurt in der Zweiten Liga. Beate befand sich auf großer Urlaubsreise und wollte sich dann einen neuen Job suchen. Zuvor hatte sie Kontakt zu einer Berliner Plattenfirma, deren Manager Interesse an ihr bekundet hatte und sagte: „Pass auf, wir wetten. Wenn die Eintracht den Aufstieg packt, kommst du zu uns nach Berlin.“ Beate erzählt weiter: „Kurz vor dem letzten Spieltag war ich wieder in Frankfurt. Und als Alex Schur in der letzten Sekunde die Eintracht in die erste Liga köpfte, ging alles drunter und drüber. Während sich die Fans Rasenstückchen besorgten, klingelte mein Telefon. „Mein zukünftiger Chef war dran und sagte: ‚Jetzt kommst du aber zu uns‘. Ich hatte die Wette schon längst wieder vergessen. Aber so kam ich nach Berlin. Wegen der Eintracht.“ Und dort ist sie bis heute geblieben. Doch wer weiß schon, wo die Reise hingeht. Vielleicht kommt Beate ja eines Tages zurück nach Frankfurt. Dann ist es auch nicht mehr ganz so weit ins Stadion. Und Eintracht-Fans gibt es hier auch ganz viele.

Text: Axel Hoffmann