„Fans
gehören ins Stadion“
Jan, die Saison 2020/21
ist beendet. Lange haben wir auf die erstmalige Teilnahme an der Champions
League gehofft, doch auf der Zielgeraden ging uns leider die Puste aus. Wie
hast du die Saisonendphase erlebt?
Dass eine Mannschaft noch
mal strauchelt, ist nicht unbedingt die Regel, aber es kann immer passieren.
Denn da spielen ein Stück weit auch Zufälle, Glück und Pech oder äußere Einflüsse
eine Rolle. Natürlich muss man auch so ehrlich sein und sagen, dass die Chancen
auf die Champions League vermutlich größer gewesen wären, wenn die Saison ohne
diese Nebengeräusche um Sportvorstand und Trainer zu Ende gegangen wäre. Unglücklicherweise
war es wohl letztlich ein bisschen zu viel auf einmal, gerade im Endspurt um
Platz vier. Aber solche Dinge passieren nun mal im Profisport und gehören zum
Geschäft. Das muss man akzeptieren. Trainer und Funktionäre sind wie Spieler
auch: Sie kommen und gehen. Was zählt, ist der Verein Eintracht Frankfurt.
Die Enttäuschung war
dennoch groß nach der nicht einkalkulierten Niederlage auf Schalke. Bei dir
auch?
Selbstverständlich. Das
ist auch völlig legitim, enttäuscht zu sein. Schließlich war man wirklich sehr
nah dran an der Champions League. Wenn man noch vor wenigen Wochen sieben Zähler
vor dem BVB stand, ist es nur menschlich und nachvollziehbar, dass man mit
Platz fünf hadert. Diesen sportlichen Ehrgeiz sollte jeder haben. Gleichwohl
stimmt mich positiv, dass man die vergangenen anderthalb Spielzeiten im
Ausnahmezustand aufgrund der Pandemie gut überstanden hat. Zuletzt war
natürlich sehr viel los im Verein, dennoch ist die Eintracht unter dem Strich
gut durch diese schwierige Zeit gekommen.
Man kann jetzt natürlich
sagen, dass jeder den fünften Platz vor der Saison unterschrieben hätte. Wird
ein Beigeschmack bleiben?
An den Tagen nach dem
Schalke-Spiel überwog natürlich das Negative und es tut erst mal weh, diese
historische Chance liegengelassen zu haben. Daraus resultiert auch emotionale
Kritik, das ist ganz normal. Aber die Enttäuschung wird sich in den kommenden Wochen
weiter legen und dann wird man sich in Frankfurt auch von Herzen auf die Europa
League freuen. Man muss Spielern und Fans einfach die Zeit geben, die Sache zu
verarbeiten. Bei der UEFA werden sie jedenfalls dankbar sein, denn für die
Europa League ist die SGE ein absolutes Geschenk. Sie wertet den Wettbewerb
auf, das hat man bei den beiden vergangenen Teilnahmen eindrucksvoll gesehen.
Wenn die Fans endlich zurück sind und dann auch noch der Europapokal ansteht –
was gibt es Schöneres? Für die Eintracht als Marke ist jedes Jahr in Europa
wichtig, unabhängig vom Wettbewerb.
„Für die Eintracht als Marke ist jedes Jahr in Europa wichtig, unabhängig vom Wettbewerb“
Bei der Suche nach einem
neuen Sportvorstand tauchte irgendwann auch dein Name in der Verlosung auf.
Viele Fans wünschten sich, dass du das Amt übernimmst. Wie kam dieser Vorstoß
bei dir an?
Das war schon cool und hat
mich wahnsinnig gefreut. Eigentlich wollte ich nie Sportdirektor werden, habe
für meinen Heimatverein Lilleström und später für die norwegische
Nationalmannschaft aber Ausnahmen gemacht, weil das zwei Herzensangelegenheiten
waren. Wäre die Eintracht natürlich auch, aber so wirklich ist das nicht meine
Welt. Ich habe meine Kommunikationsfirma, arbeite viel mit Medien und habe
meinen Weg gefunden. Ein paar Scherze habe ich mir aber erlaubt, etwa als ich
bei einer Online-Abstimmung doppelt so viele Stimmen wie Bastian Schweinsteiger
erhielt. „Der Weltmeister hat keine Chance gegen mich“, schrieb ich als
Kommentar (lacht). Meine Bindung zur SGE ist aber auch so sehr eng, denn die
Eintracht ist auch nach 20 Jahren noch ein wichtiger Teil von mir.
Apropos Fans: Auch wenn
sie nicht ins Stadion konnten, unterstützten sie die Eintracht kürzlich mit
über 15.000 Postkarten als Motivation für das Team.
Eine außergewöhnliche und
beeindruckende Aktion! Man hat schon oft gesehen, dass die Eintracht-Fans
ideenreich sind und Dinge tun, die andere eben nicht machen. Wenn die Pandemie
hoffentlich bald vorbei ist, wird man auch wieder im Stadion und hoffentlich
bei Reisen durch Europa auf sich aufmerksam machen und für viele weitere schöne
Schlagzeilen sorgen.
Von wenigen Ausnahmen
abgesehen liegt eine komplette Saison ohne Zuschauer hinter uns. Hast du dich
irgendwann an die leeren Ränge gewöhnt oder blieb für dich eine gewisse
Tristesse?
Zu Beginn waren natürlich
alle einfach froh, dass der Fußball überhaupt weitergeht. Irgendwann hatte man
sich auch mit dieser seltsamen Atmosphäre abgefunden, ohne sich jedoch wirklich
daran zu gewöhnen. Mehr denn je ist man jetzt dankbar über jedes kleine Licht
am Ende des Tunnels. Beim FA-Cup-Finale in England waren kürzlich erstmals
wieder 21.000 Menschen im Wembley-Stadion. Darüber hat sich wohl jeder gefreut
und ich hoffe, dass es nicht mehr lange dauert, bis man zumindest wieder
annähernd Normalität im Stadion hat. Mit Zuschauern ist es einfach eine andere
Welt und ich hoffe, dass die Spieler nach diesen eineinhalb Jahren die Fans
mehr denn je zu schätzen wissen. Denn der Fußball gehört den Fans und die Fans
gehören ins Stadion.
Interview: Markus Rutten
Jan Aage Fjörtoft, 54, hat die Eintracht
1999 zum Klassenerhalt geschossen und genießt bei den Fans nicht nur daher
Kultstatus. Er ist ein fußballerischer Weltenbummler, meinungsstark, immer auf
dem Laufenden, ein gefragter Experte und nicht zuletzt unserer Eintracht nach wie
vor tief verbunden. Das sind Gründe genug für eine regelmäßige
Interview-Kolumne mit dem Norweger.